Verfassungsausschuss befasst sich mit Sicherung der Standards und regulatorischer Zusammenarbeit
Wien (PK) – Mit den Themen Schutz der heimischen Standards, Konsumentenschutz, regulatorische Zusammenarbeit,
Abbau nicht tarifärer Handelshindernisse sowie Lebensmittelsicherheit eröffnete der Verfassungsausschuss
am 12.06. ein neues Kapitel bei der Debatte über das Volksbegehren "Gegen CETA/TTIP". Auch diesmal
standen den Abgeordneten in einem Hearing wieder eine Reihe von ExpertInnen Rede und Antwort. Das Wort hatten dabei
Florian Fellinger (Bundesministerium für Gesundheit), Michael Löwy (Industriellenvereinigung), die Rechtsanwältin
Cornelia Ziehm, Hanno Lorenz (Agenda Austria) und Irmi Salzer (ÖBV-Via Campesina Austria).
Fellinger: CETA in Bezug auf Lebensmittelsicherheit unbedenklich
Vieles an der Kritik im Bereich der Lebensmittelsicherheit sei aus Sicht des Gesundheitsministeriums nicht nachvollziehbar,
meinte Florian Fellinger. Angesichts des Rechtsbestands in der EU bestehe jedenfalls wenig Gefahr, dass im Rahmen
von CETA nun durch die Hintertür Lebensmittel nach Europa kommen, die etwa mit Hormonen behandelt wurden.
Das Kontrollsystem der EU würde den Import unerwünschter Produkte verhindern. Bei Gentechnik wiederum
bedürfe es einer speziellen Zulassung sowie einer entsprechenden Kennzeichnung, stellte Fellinger überdies
klar und kam zu dem Schluss, dass CETA in Bezug auf die Lebensmittelsicherheit unbedenklich sei.
Lorenz: Österreichs KMU werden von CETA profitieren
Hanno Lorenz erwartet sich vom Abbau nicht tarifärer Handelshemmnisse größere Auswirkungen auf
das Wachstum als vom Zollabbau und äußerte zudem seine Überzeugung, dass besonders Österreichs
exportorientierte kleine und mittelständische Unternehmen vom Freihandelsabkommen mit Kanada und der darin
enthaltenen Harmonisierung profitieren werden. Sämtliche Verhandlungspartner hätten überdies klargestellt,
dass es zu keiner Senkung der Standards kommen werde. Wenn die Europäische Union in Zukunft die Standards
mitgestalten will, dann komme sie um ein Abkommen wie CETA nicht herum, gab Lorenz zu bedenken.
Löwy: CETA sichert globalen Marktzugang und faire Wettbewerbsbedingungen
Österreich braucht Exporte und globalen Marktzugang, steht für Michael Löwy fest. Diesen globalen
Marktzugang gelte es, durch Abkommen wie CETA zu sichern. Entscheidend sind dabei für Löwy faire Wettbewerbsbedingungen.
Unter all diesen Aspekten sei das Freihandelsabkommen mit Kanada ein gutes Instrument, das Beispielswirkung für
andere Abkommen haben kann, die die Europäische Union gerade verhandelt, betonte Löwy.
Salzer: Abkommen sichert Standards nicht
Irmi Salzer konnte sich der positiven Sichtweise der drei Experten nicht anschließen und sprach hingegen
von einer Gefährdung der heimischen Standards, zumal die gegenseitige Anerkennung der Gleichwertigkeit im
Abkommen nicht ausreichend geklärt sei. Problematisch erscheint es Salzer in diesem Zusammenhang, dass die
Anerkennung im Rahmen der regulatorischen Kooperation und in Expertenausschüssen ohne demokratische Legitimation
entschieden wird. Darüber hinaus sei zu befürchten, dass der europäische Markt aufgrund der Preisunterschiede
zu Kanada unter enormen Druck kommen könnte und die Standards als Folge von Lobbying der Produzenten abgesenkt
werden. Was das Vorsorgeprinzip betrifft, vermisst Salzer im Vertrag jeglichen Hinweis auf dessen Rechtsverbindlichkeit.
Die Zusatzerklärung sei hier nicht hilfreich und ändere nichts am Vertragstext.
Ziehm: Zusatzerklärung ändert nichts am Vertragstext
Das Vorsorgeprinzip werde ausgehöhlt, in der Folge komme es auch zu einem Absenken der Standards, befand Cornelia
Ziehm. Besorgt zeigte sie sich vor allem über den Umstand, dass nunmehr bei der Folgenabschätzung wissenschaftliche
Kriterien nur noch einen von mehreren Ansätzen darstellen. In der Praxis würden dadurch Umweltschutz
und Gesundheitsschutz gleichwertig behandelt werden wie Investorenschutz oder Wettbewerb, gab sie zu bedenken und
erinnerte an die Zulassung von Bioziden. Das EU-Recht unterscheide sich hier wesentlich vom amerikanischen Recht,
da in Europa Vorsorgemaßnahmen nicht erst bei Eintritt eines Schadens, sondern bereits dann zu ergreifen
seien, wenn aufgrund einer wissenschaftlichen Risikobewertung Anlass zur Besorgnis besteht. Bei einer Sichtweise,
die Umweltschutzstandards als Handelshemmnisse interpretiert, verbleibe kein Raum für vorsorgenden Umwelt-
und Gesundheitsschutz, warnte sie. Die Zusatzerklärung wiederum sei eine "Augenauswischerei" und
ändere den Vertrag nicht, unterstrich sie.
Thumpser vermisst Transparenz
Herbert Thumpser beklagte als Bevollmächtigter des Volksbegehrens einmal mehr mangelnde Transparenz und stellte
fest, die Zivilgesellschaft sei nicht in die Verhandlungen eingebunden worden. Juristische Winkelzüge seien
nun Teil des Vertrages, sodass man nicht genau sagen könne, was am Ende herauskommt. Warum stehe nicht ausdrücklich
im Vertrag, dass das Vorsorgeprinzip außer Streit ist, wo dies doch von den Befürwortern immer wieder
behauptet wird, fragte Thumpser.
Mahrer: CETA ist mustergültiges Abkommen
Wirtschaftsminister Harald Mahrer wertete CETA als mustergültiges Abkommen, wobei er argumentierte, Kanada
habe ähnlich hohe Standards wie Europa. Der Vertrag sei gut für die gesamte österreichische Volkswirtschaft,
zeigte er sich überzeugt. Klar ist für Mahrer auch, dass es regulatorische Zusammenarbeit nur auf freiwilliger
Basis geben und das nationale Recht auf Regulierung nicht beeinträchtigt werde. Was das Vorsorgeprinzip betrifft,
bestehe keine Möglichkeit, die einzelnen Ländern zu irgendetwas zu zwingen. Im Falle einer Privatisierung
sei daher eine Rückverstaatlichung jederzeit möglich. Bei ähnlichen Verträgen sollte es nach
Meinung Mahrers in Zukunft mehr Transparenz und Information geben.
Abgeordnete stecken die Standpunkte ihrer Fraktionen ab
Für die SPÖ unterstrich Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter den aus seiner Sicht verbindlichen Charakter
der Zusatzerklärung. Sein Fraktionskollege Jan Krainer meldete Zweifel an der Möglichkeit Österreichs
an, eine Nivellierung der Standards zu verhindern. Dass das Vorsorgeprinzip als europäisches Primärrecht
nicht untergraben werden könne, steht wiederum für ÖVP-Mandatarin Angelika Winzig fest. Peter Wurm
(F) fühlte sich durch die beiden kritischen Expertinnen in seiner Befürchtung bestätigt, dass die
Qualität der Standards unter CETA leiden werde, und forderte mit Nachdruck eine Volksabstimmung über
das Freihandelsabkommen. Werner Kogler setzte sich namens der Grünen kritisch mit der Zusatzvereinbarung auseinander
und stellte fest, hier werde ein Beipackzettel überreicht und dabei so getan, als ob dies der Vertragstext
sei. CETA biete eine Möglichkeit für die internationale Durchsetzung der hohen österreichischen
Standards, hielt hingegen Claudia Gamon (N) den KritikerInnen entgegen.
Die Verhandlungen wurden daraufhin einstimmig vertagt.
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