Linz (lk) - Im Rahmen einer Pressekonferenz im Linzer Landhaus stellte Landesrat Mag. Günther Steinkellner
am 12.06. gemeinsam mit Dipl.-Ing. Günther Bsirsky und Ing. Berthold Pfeiffer von der Abteilung Gesamtverkehrsplanung
und öffentlicher Verkehr des Amtes der oberösterreichischen Landesregierung den neuen Mobilitätsrechner
der Öffentlichkeit vor.
Entwicklung der oberösterreichischen Infrastruktur
Bereits aus der Altsteinzeit (ca. 65.000 - 12.000 v. Chr.) bestehen Nachweise für die Anwesenheit von Urmenschen
im Bereich des heutigen Oberösterreichs. Die Gegend um die Donau war in der Urgeschichte der Lebensraum von
Jägern und Sammlern. Im
6. Jahrtausend v. Chr. wurden die Menschen in Oberösterreich sesshaft. Erste bäuerliche Kulturen und
der Ackerbau entwickelten sich. Wassernahe Gebiete mit fruchtbaren Böden waren seinerzeit beliebte Anbauflächen.
Im Römischen Reich wurden Siedlungsstrukturen errichtet. In standardisierten Verfahren wurden Streckenführungen
geplant und der Bau von Straßen ausgeführt. Im Laufe der Geschichte hat sich unser Lebensraum dynamisch
weiterentwickelt. Heute umfasst Oberösterreichs Verkehrsinfrastruktur:
– rund 320 km Autobahnen und Schnellstraßen
– rund 6.000 Landesstraßenkilometer
– rund 1.050 km Bahnschienennetz
– rund 10.200 km Güterwege
– und etwa 24.000 km Gemeindestraßen
Die Lebensbereiche Mobilität und Wohnen hängen unweigerlich zusammen. Jeder will gemäß seinen
Vorstellungen wohnen und dennoch über eine gute infrastrukturelle Anbindung verfügen. Das macht heutzutage
die Wohnungssuche oder die Standortentscheidung für den Hausbau zu einer komplexen Aufgabenstellung.
Das 'scheinbar' günstigere Wohnen am Land und der Traum vom Haus im Grünen sind oft wichtige Faktoren
für Wohnungssuchende. Die dadurch anfallenden langfristigen Kosten und Mehrbelastungen durch längere
Wege werden bei der Wahl des Wohnstandortes jedoch häufig außer Acht gelassen. Somit sind infrastrukturelle
Fragen zur Versorgungsqualität und der Anbindung an den öffentlichen Verkehr wichtige Faktoren, die die
Lebenserhaltungskosten in weiterer Folge beeinflussen. "Unser neuer Mobilitätsrechner bietet eine rasche
Übersicht zur Versorgungsqualität mit Verkehrsinfrastruktur und der Anbindung an den öffentlichen
Verkehr. Mit Hilfe des Rechners können die Mobilitätskosten einfach ermittelt und verglichen werden",
so Landesrat für Infrastruktur Mag. Günther Steinkellner.
Projekt MORECO - Mobilitätskosten besser abschätzen
Hinter "MORECO" verbirgt sich ein EU-Projekt (2011-2014) der Länder Österreich, Deutschland,
Frankreich, Slowenien und Italien. Der Name MORECO setzt sich zusammen aus MObility and REsidential COsts und gibt
in Kurzform wieder, womit sich das Projekt beschäftigt. Nämlich dem Zusammenwirken von Wohn- und Mobilitätskosten.
Das Salzburger Institut für Raumordnung und Wohnen leitete dieses Projekt. Ein Hintergrund des Projekts war
die Anbindung größerer Städte mit ihrem Umland im Alpenraum. Das Hinterland ist meist stark zersiedelt,
was eine flächendeckende, effiziente und kostengerechte Abdeckung mit öffentlichen Verkehrsangeboten
schwierig macht. Dadurch sind große Teile der Bevölkerung auf den motorisierten Individualverkehr angewiesen,
mit teils negativen Folgen. Hierzu gehören Staubildung, hohe Infrastrukturkosten, hohe Kosten für Erhalt
und Betrieb des Fahrzeuges, hoher Zeitaufwand für das Pendeln und die tägliche Versorgung sowie die ökologische
Belastung. Das multidimensionale Projekt verbindet die Raumplanung mit der strategischen Verkehrsplanung. Ziel
ist eine zukunftsorientierte, nachhaltige und ressourcenschonende Siedlungsentwicklung im Einklang mit dem strategischen,
Ausbau des öffentlichen Verkehrs.
Mobilitätsrechner Oberösterreich
Die Abteilung Gesamtverkehrsplanung und öffentlicher Verkehr hat auf Basis des MORECO-Projekts einen Infrastrukturrechner
für Oberösterreich entwickelt. "Mit dem Mobilitätsrechner wurde ein innovatives Informations-
und Beratungsinstrument entwickelt, das die Mobilitätskosten für die Nutzerinnen und Nutzer aufschlüsselt.
Das Bewusstsein für diesen bedeutenden Kostenfaktor soll dadurch nachhaltig gestärkt werden", unterstreicht
Steinkellner. Durch die klare Darstellung der Langzeitkosten soll die zukünftige Siedlungsentwicklung positiv
beeinflusst werden. Dementsprechend gehören insbesonders wohnungssuchende Bürger/innen, Häuselbauer,
gemeinnützige Wohnbauträger, Banken, Immobiliengesellschaften, Regionalplaner/innen und viele weitere
Akteure zum Nutzungskreis des Infrastrukturrechners. Der Kostenrechner steht ab sofort kostenlos als Download zur
Verfügung.
Wofür einen Mobilitätsrechner?
"Mit der Entwicklung des Mobilitätsrechners verfolgen wir das Ziel einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung,
die sich an einer leistungsfähigen, öffentlichen Verkehrsinfrastruktur orientiert", unterstreicht
LR Steinkellner. Wohnkosten und Mobilität hängen eng zusammen. Gemäß schematischer und idealtypischer
Verhältnismäßigkeiten sind die Grundstückspreise sowie die Wohnkosten in zentralen Lagen sowie
im Umfeld der Versorgungs- und Arbeitsplatzzentren am höchsten. Gleichzeitig steigt mit den Grundstückskosten
die Dichte der Verbauung. Niedrigere Baulandpreise im Umland von Städten führen dazu, dass insbesondere
private Wohnhäuser häufig an dezentralen Standorten errichtet werden. Die privaten Mobilitätskosten
verhalten sich tendenziell umgekehrt. Sie steigen mit der Entfernung von Versorgungs- und Arbeitsplatzzentren.
Die Anbindungen an den öffentlichen Verkehr ermöglichen eine kostengünstigere Mobilität in
die nahegelegenen, gut erschlossenen Wohngebiete. Dies gilt besonders bei regelmäßiger Nutzung mit Monats-
und Jahresfahrkarten.
'Kluge Standorte' machen unempfindlicher gegen steigende Mobilitätskosten, die etwa durch die Entwicklung
der Energiepreise entstehen können. Ein Haus im Grünen in ruhiger Umgebung ist nach wie vor ein vielgeteilter
Traum. Wichtige persönliche Motive sind der Wunsch nach großer Wohnfläche, Ungestörtheit,
Gestaltungsfreiheit und Schaffung von Eigentum.
Die Realisierung hängt oft von günstigen Grundkosten ab, da diese einen wesentlichen Anteil an den Gesamtkosten
haben. Besonders in Städten und deren Umland gilt: je zentraler ein Standort, umso teurer; je dezentraler,
desto kostengünstiger. Die Folge sind große Nachfrage und Siedlungswachstum an dezentralen Standorten.
Die Konsequenz sind lange Wege, hohe Mobilitäts-Folgekosten und schlechtere Versorgung mit öffentlichem
Verkehr. Mit dem neuen Mobilitätsrechner kann eine effektivere Suche nach einem neuen Wohnort sichergestellt
werden.
Infrastruktur am Wohnort
- Die fußläufige Erreichbarkeit von Infrastruktureinrichtungen im Umfeld
von Wohnstandorten hat ökologische (Einsparung von Kraftstoff; weniger CO2 Ausstoß), ökonomische
(weniger PKWs notwendig, Kraftstoffeinsparung), gesundheitliche (Bewegung zu Fuß oder mit dem Rad) und soziale
Vorteile (gute Erreichbarkeit, Unabhängigkeit).
- Die Nutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel hängt unter anderem von
der Nähe zu Haltstellen, Taktfrequenz und Art der Verkehrsmittel ab.
Wohn- und Mobilitätskosten vergleichen
- Je dezentraler ein Standort, desto höher sind jedoch die Mobilitätskosten
- besonders dann, wenn mehrere Autos benutzt werden. Diese Mehrkosten sind den meisten Menschen im Gegensatz zu
den klassischen Wohnkosten kaum bewusst.
- Aufwand und Kosten für die Mobilität können in Summe beträchtlich
sein. Mobilitätskosten umfassen nicht nur Treibstoffkosten: Anschaffung bzw. Wertverlust jedes Fahrzeugs,
Wartung, Steuern und Parken etc. übersteigen die Treibstoffkosten meistens deutlich.
- Je nach Wohnstandort bieten sich kostengünstigere Alternativen wie Fußweg,
Fahrrad, E-Bikes und der öffentliche Verkehr. Unter Umständen ist eine etwas teurere Wohnung oder ein
teurerer Bauplatz an einem Standort mit diesen Alternativen in Summe sogar günstiger, weil sie dadurch auf
lange Sicht Mobilitätskosten einsparen. Es zahlt sich somit aus, Mobilitätskosten und Wohnkosten gemeinsam
zu betrachten.
Fallbeispiel - Mobilitätskosten ermitteln
Beim folgenden Beispiel handelt es sich um fiktive Personen. Die Kosten für die Wohnbeispiele wurden von Immobilienplattformen
und Immobilienfirmen eingeholt und beziehen sich somit auf realistische Marktannahmen.
Gunnar S. und seine Frau Verona leben mit ihren beiden Kindern Janina (12 Jahre) und Bert (8 Jahre) in St. Ulrich
im Mühlkreis. Hier wohnen die Familienmitglieder in einer
124 qm2 Mietwohnung im Fichtenweg 14. Die Familie strebt einen Umzug in den
Zentralraum an. Mit dem OÖ Mobilitätsrechner möchte sich Herr S. einen Überblick über
alle Verhältnisse und Kosten des geplanten Wohnstandortes in Leonding verschaffen.
Ein Blick auf die Versorgungsqualität am bisherigen Standort in St. Ulrich zeigt, dass die Infrastruktur eine
Schule, eine Sporteinrichtung sowie einen Spielplatz in geringer Gehzeit bietet. Die Anbindung an die öffentlichen
Verkehrsmittel wird mit 'gering' bezeichnet. Die nächste ÖV-Haltestelle liegt 7 Gehminuten entfernt.
Innerhalb von 15 Minuten Fußweg befindet sich keine Bahnhaltestelle.
Familie S. bewohnt derzeitig eine 3,5 Zimmer Wohnung mit 124 qm2 Wohnfläche. Die Gesamtmiete beläuft
sich auf 924,90 Euro und setzt sich wie folgt zusammen:
– Nettokaltmiete 558,00 Euro. zzgl. 10% USt.
– Betriebskosten 135,00 Euro zzgl. 10% USt.
– Heizkosten inkl. Warmwasser 81,50 Euro zzgl. 20% USt.
– Autoabstellplatz 54 Euro zzgl. 20% USt.
Die Familie S. legt regelmäßige Wege zurück. Familienvater Gunnar arbeitet im Landesdienst und
pendelt täglich in die Arbeit nach Linz. Hierfür verwendet Herr S. seinen Mittelklasse-PKW. Seine Frau
Verona arbeitet Teilzeit in Eferding. Sie pendelt ebenfalls drei Mal wöchentlich mit dem Kleinwagen zu ihrer
Arbeitsstelle. Tochter Janina besucht das Gymnasium in Rohrbach-Berg. Sie nimmt für den Schulweg die öffentlichen
Verkehrsmittel in Anspruch. Sohn Bert besucht die Volksschule in St. Ulrich. Er kann die Schule zu Fuß erreichen.
Aus der Wohnsituation und den davon abhängigen, zurückgelegten Wegen ergeben sich folgende Aufstellungen
der Wohn- und Mobilitätskosten. Die monatlichen Kosten für die Mobilität belaufen sich auf 934 Euro.
Die Wohnkosten betragen monatlich 924 Euro. Somit entfallen rund 50 Prozent der monatlichen Kosten auf die Mobilität.
Familie S. hat eine geeignete Immobilie in Leonding entdeckt und möchte mit Hilfe des Mobilitätsrechners
die Kosten vergleichen. Die neue 123 qm2 große, 4 Zimmer Wohnung befindet sich in der Ederackerstraße
43 in Leonding. Hier ergibt sich folgende Versorgungsqualität: Ein Nahversorger, eine neue Mittelschule, eine
Sporteinrichtung eine Apotheke, ein Arzt, ein Spielplatz und auch eine Kinderbetreuungseinrichtung
befinden sich in einer maximalen Entfernung von 12 Gehminuten. Ebenfalls ist die ÖV- Qualität am Vergleichsstandort
mit Hoch angegeben. Die nächste ÖV-Haltestelle liegt 5 Gehminuten entfernt und weist ein 36-minütiges
Abfahrtsintervall auf. Ebenso befindet sich eine Straßenbahnhaltestelle in ca. 12 Minuten Entfernung. Ein
7-minütiges Abfahrtsintervall ist hier vorhanden.
Der Vergleichsstandort in Leonding zeigt höhere Wohnkosten auf. Für eine 123 qm2 große Wohnung
beträgt die Gesamtmiete inkl. Betriebskosten rund 1.140 Euro. Die Mietkosten setzen sich wie folgt zusammen.
– Nettokaltmiete 850,00 Euro. zzgl. 10% USt.
– Betriebskosten 110,00 Euro zzgl. 10% USt.
– Heizkosten inkl. Warmwasser 70 Euro zzgl. 20% USt.
Anhand der besseren Anbindung an den öffentlichen Verkehr ergeben sich bessere Mobilitätsalternativen
für die Familie. Gunnar S. nützt zukünftig den öffentlichen Verkehr um morgens zu seiner Arbeitsstelle
zu pendeln. Auch Tochter Janina kommt mit den attraktiveren Verkehrsanbindungen schnell und unkompliziert in ihr
neues Gymnasium in Linz. Frau Verona S. nutzt weiterhin den Individualverkehr, um zu ihrer Arbeitsstelle nach Eferding
zu kommen. Der 8-jährige Sohn Bert kann seine neue Schule innerhalb von 10 Gehminuten erreichen. Der Vergleich
der beiden Wohnstandorte zeigt Unterschiede in der Infrastruktur. In der dicht besiedelten Wohngegend finden sich
neben einer besseren Versorgungsleistung ebenso attraktivere Anbindungen an den öffentlichen Verkehr.
Die Aufschlüsselung der Kosten zeigt einen höheren Anteil der Mietkosten für den zentralen Wohnstandort.
Hier stehen 924 Euro (Wohnstandort St. Ulrich) Wohnkosten von 1.140 Euro (Wohnstandort Leonding) gegenüber.
Dies entspricht rund 23 Prozent höheren Ausgaben. Durch die attraktive Anbindung an den öffentlichen
Verkehr beim Wohnstandort Leonding bestehen Mobilitätsvarianten, die Einsparpotential ermöglichen. Beispielsweise
kann Herr S. zukünftig mit den öffentlichen Verkehrsmitteln pendeln und sich hierdurch mehr als 560 Euro
monatlich sparen.
Anhand der eingegebenen Daten analysiert der Mobilitätsrechner die verschiedenen Wohn- und Mobilitätskosten.
Darüber hinaus werden Details über monatlich zurückgelegte Strecken und der dafür benötigte
Zeitaufwand berechnet. In dem gewählten Beispiel können die monatlichen Mobilitätskosten von 934
Euro auf 373 Euro reduziert werden. Dies entspricht einer Kostenreduktion von 561 Euro. Auch insgesamt würde
ein Umzug die monatlichen Kosten senken. Obwohl sich die Wohnkosten für den zentraleren Wohnort um 216 Euro
erhöhen, bleiben durch die bessere Verkehrsanbindung am Ende des Monats 345 Euro mehr im Haushalt.
Conclusio
Der Mobilitätsrechner für Oberösterreich berechnet Kosten, bzw. Strecken für individuelle Alltagswege
mit verschiedenen Verkehrsmitteln, die selbst ausgewählt werden können. An jedem beliebigen Standort
im Land Oberösterreich können somit Kosten transparent verglichen werden. Unter Einbeziehung multidimensionaler
Kostenträger können verschiedene Simulationsszenarien verglichen werden und diese führen unter Umständen
zu überraschenden Ergebnissen. So konnte im Fallbeispiel der Standort Leonding als kosteneffizient klassifiziert
werden. "Mit wenigen Klicks durch den neuen Rechner können interessante Erkenntnisse über oft unsichtbare
Kosten für das Wohnen, die infrastrukturelle Versorgung und die persönlichen Mobilitätskosten gewonnen
werden", erklärt Landesrat für Infrastruktur Mag. Günther Steinkellner. "Mit der Anwendung
wollen wir ein besseres Bewusstsein für Mobilitätskosten erzielen. Besonders der Vergleich von monatlichen
oder jährlichen PKW-Strecken und Zeitaufwänden für die Wegerouten regt zu einem cleveren, mobilen
Denken, an", hält Steinkellner abschließend fest.
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