Wirtschaftsausschuss reicht Novelle an den Nationalrat weiter
Wien (pk) – Bei der Gewerbeordnungsnovelle ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Wirtschaftsausschuss
schickte am 22.06. die mehrfach überarbeitete Regierungsvorlage mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP
abermals ins Nationalratsplenum. Die Parteien wollen noch weitere Gespräche führen und mögliche
Verbesserungen in der Zweiten Lesung einbringen. Ein am 22.06. von den Regierungsparteien beschlossener Abänderungsantrag
bekräftigt die Ausweitung der Nebenrechte bis zu 30% des Jahresumsatzes, nach wie vor offen ist aber etwa
die Frage eines einheitlichen Gewerbescheins für alle freien Gewerbe in anderen freien Nebengewerben sowie
die Lösung des Spannungsfeldes zwischen Umwelt, AnrainerInnen und Wirtschaft bei der Betriebsanlagengenehmigung.
Ausweitung der Nebenrechte, Streichung der Teilgewerbe
Die vom Ausschuss verabschiedete Vorlage sieht vor allem Maßnahmen in Richtung Verfahrensvereinfachung, Deregulierung
und Liberalisierung vor (1475 d.B.). Die Teilgewerbe werden gestrichen, es gibt nunmehr - nach dem Wegfall des
Hufschmiedegewerbes – 80 reglementierte und 440 freie Gewerbe. Bei den Nebentätigkeiten wiederum ist eine
Ausweitung geplant. 30% des Jahresumsatzes sollen demnach in einer anderen Tätigkeit erzielt werden können,
wobei für ergänzende Leistungen aus reglementierten Gewerben eine Grenze von maximal 15% pro Auftrag
vorgesehen ist.
Unter dem Aspekt der Vereinfachungen sieht die Vorlage auch die Erweiterung der Verfahrenskonzentration als One-Stop-Shop
für Betriebsanlagen vor – sämtliche Verfahren sollen in Zukunft in einem vor der Gewerbebehörde
durchgeführt werden - sowie die Streichung von unverhältnismäßigen Veröffentlichungspflichten.
Adaptierungen bei der Sperrstundenregelung wiederum greifen auf das kommende Rauchverbot und damit zusammenhängende
allfällige Lärmbelastungen durch vor den Lokalen rauchende Gäste vor. Gemeinden können nun
in Abwägung der Interessen der AnrainerInnen und der Lokalbetreiber unter Beiziehung von Sachverständigen
die Sperrstunde vorverlegen. Hier lag dem Ausschuss auch ein gemeinsamer mit der Regierungsvorlage miterledigter
Antrag (1723/A(E)) von FPÖ, NEOS und Team Stronach vor, der in diesem Bereich auf Lösungen drängt,
die Rechtssicherheit für Gewerbetreibende und AnrainerInnen bietet.
Ausdrücklich klargestellt wird schließlich, dass Automatentankstellen als Betriebsstätten im Sinn
der Gewerbeordnung gelten. Eine entsprechende Präzisierung enthält ein von SPÖ, ÖVP und Grünen
unterstützten Antrag der Regierungsparteien (2044/A).
Regierungsparteien hoffen auf breite Mehrheit im Plenum
Für die SPÖ unterstrich Christoph Matznetter, seine Fraktion bemühe sich um eine grundlegende Liberalisierung
der Gewerbeordnung, strebe aber eine weitere Reduktion der Anzahl der reglementierten Gewerbe in Richtung 75 oder
70 an. Das nunmehr gestrichene Hufschmiedegewerbe könne noch nicht das Ende der Fahnenstange sein. Auf dem
Tapet bleibe auch der Wunsch nach einem einheitlichen Gewerbeschein für alle freien Gewerbe. Der SPÖ-Wirtschaftssprecher
zeigte sich offen für weitere Verhandlungen, wobei es ihm auch darum geht, Verbesserungsvorschläge der
Opposition einzubauen, um in der Zweiten Lesung des Nationalrats eine breite Mehrheit zu erzielen.
Man führe konstruktive Gespräche und sei auf einem guten Weg, bestätigte Peter Haubner (V), der
sich optimistisch zeigte, dass es bis zum Plenum noch gelingen werde, eine gemeinsame Lösung zustande zu bringen.
Zentrale Bedeutung misst der Wirtschaftssprecher der ÖVP jedenfalls der Beibehaltung des hohen Qualifikationsniveaus
und der Rechtssicherheit zu. Haubners Fraktionskollege Gabriel Obernosterer wiederum sieht in der Ausweitung der
Nebenrechte eine wesentliche Erleichterung für Tourismusbetriebe, zumal nun ein einziger Gewerbeschein bis
zu sechs Gewerbe abdeckt.
Mahrer: Online-Anzeige soll für Ausübung weiterer gewerblicher Tätigkeiten ausreichen
Bewegung in den Verhandlungen signalisierte Wirtschaftsminister Harald Mahrer mit einem Abänderungsvorschlag,
dem zufolge eine Gewerbeberechtigung für ein freies Gewerbe in Zukunft auch für die Ausübung weiterer
freier Gewerbe bis zur 30%-Obergrenze reichen sollte und über diese Prozentgrenze hinausgehende Tätigkeiten
bloß online anzuzeigen seien.
Opposition bleibt bei ihrer Kritik
Den Optimismus der Regierungsparteien bezüglich einer breiten Mehrheit für die Novelle konnte die Opposition
nicht teilen. Die Reform sei am 22.06. zum zweiten Mal gescheitert, urteilte FPÖ-Wirtschaftssprecher Axel
Kassegger. Von einem einheitlichen Gewerbeschein für alle freien Gewerbe sei man nach wie vor weit entfernt,
die Anwendbarkeit der Kollektiverträge bei den Nebenrechten bleibe ungeklärt, auch könne man bei
80 reglementierten Gewerben nicht von einer Liberalisierung sprechen.
Matthias Köchl (G) pochte auf einen Universalgewerbeschein und kritisierte zudem, beim Betriebsanlagenrecht
würden Nachbarschaftsrechte sowie Natur- und Umweltschutz zu wenig berücksichtigt. Grünen-Wirtschaftssprecherin
Ruperta Lichtenecker wiederum sieht Grundforderungen ihrer Fraktion wie die Umsetzung des One-Stop-Shops, Vereinfachungen
der Verwaltungsabläufe sowie eine generelle Modernisierung nicht als erfüllt. Die Gewerbeordnung könne
so nicht funktionieren, stellte namens der NEOS Karin Doppelbauer fest und plädierte für eine gänzliche
Neugestaltung der Materie.
Forderungen der Opposition werden vertagt
Die Kritik der Oppositionsparteien an der aktuellen Gestaltung des Gewerberechts, aber auch der Wirtschaftskammer
zog sich wie ein roter Faden durch eine Reihe von Anträgen, die bei der Abstimmung allerdings unter Hinweis
auf die noch laufenden Parteienverhandlungen vertagt wurden. So verlangten die NEOS eine grundsätzliche Durchforstung
der Gewerbeordnung (1888/A(E)), die Grünen wiederum drängten auf die Umsetzung des One-Stop Shops im
Betriebsanlagengenehmigungsverfahren (1567/A(E)) und forderten insgesamt Entbürokratisierungsmaßnahmen
für die Wirtschaft (1348/A(E)). Ein weiterer Antrag der Grünen (1904/A(E)) betraf die Evaluierung von
analogen Publikationspflichten für Unternehmen.
Der FPÖ geht es um die Beseitigung von in der Gewerbeordnung normierten nicht mehr zeitgemäßen
Entlassungstatbeständen (374/A(E)) sowie um Maßnahmen zur Modernisierung der Gewerbeordnung, dies am
Beispiel des Reinigungsgewerbes (388/A(E)).
Beim Thema Wirtschaftskammer fordern die Grünen eine Demokratisierung des Kammer-Wahlrechts (2186/A(E)), während
die FPÖ die Mehrfach-Pflichtmitgliedschaften abschaffen will (966/A(E)) und die NEOS eine gänzliche Neustrukturierung
der Kammer urgieren (2022/A(E)). Vertagt wurde auch ein Antrag der Grünen (2219/A(E)) auf Vereinfachungen
und Erleichterungen für KleinunternehmerInnen, etwa durch Erhöhung der Wertgrenze für Abschreibungen
geringfügiger Wirtschaftsgüter.
4. Geldwäsche-Richtlinie wird umgesetzt
Weitere Änderungen in der Gewerbeordnung ( 1667 d.B.) ergeben sich aus der Umsetzung der 4. Geldwäsche-Richtlinie
der EU, wobei es bei den einzelnen Bestimmungen vor allem um die Erhöhung des Bewusstseins der Gewerbetreibenden
und der Behörden über die Risiken von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung geht. Neu ist darüber
hinaus auch eine niedrigere Bargeldgrenze beim Handel, ab der die Gewerbetreibenden eine Identifizierung des Kunden
vornehmen müssen. Diese Bestimmungen passierten den Ausschuss mit Stimmeneinhelligkeit.
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