Wien (belvedere) - Die Ausstellung „Klimt und die Antike. Erotische Begegnungen” widmet sich dem faszinierenden
Dialog zwischen Gustav Klimts Werk und der antiken Kunst. In einem interdisziplinären Ansatz verschränkt
die von Tobias G. Natter kuratierte Schau Archäologie und Kunstgeschichte. Ausgewählte Belege aus dem
Schaffen des Jugendstilkünstlers zeigen den zentralen Wandel in seinem Antikenverständnis. Ein Herzstück
der Ausstellung bildet die von den Wiener Werkstätten gestaltete, mit Zeichnungen Gustav Klimts illustrierte
Neuauflage der Hetärengespräche des Lukian. Die Gegenüberstellung antiker Vasenmalerei zeigt überraschende
Übereinstimmungen zwischen Klimts Linienkunst und den antiken Bildwelten.
Die Antike bildete für Gustav Klimt während seiner gesamten künstlerischen Laufbahn eine wichtige
Inspirationsquelle. Die ersten Einflüsse auf sein Schaffen sind in den Dekorationen im Wiener Burgtheater
oder im Kunsthistorischen Museum zu erkennen, die reich an klassischen allegorischen Darstellungen sind. In seinem
vom Historismus geprägten Frühwerk waren es motivische Details, die den Künstler interessierten.
Nach 1900 ist es dann vor allem der „Geist der Antike“, den er in seine eigene Formensprache überträgt.
Die Ausstellung veranschaulicht Klimts Entwicklung zu einem freieren Umgang mit der Antike durch die Gegenüberstellung
mit antiken Vorbildern, die der Künstler aus der Vasenmalerei oder den Abgüssen nach antiken Skulpturen
bezog. Ein prominentes Beispiel für die freiere Auslegung der Antike in Klimts Werk stellt auch das Beethovenfries
(1902) dar, dessen Replika als Referenz in der Ausstellung gezeigt wird.
„In Klimts Oeuvre finden sich an unvermutet vielen Stellen Reminiszenzen an die Antike, die sich teilweise erst
auf den zweiten Blick offenbaren. Die Ausstellung verfolgt die spannende, in der Kunstwissenschaft viel diskutierte
Frage nach dem Unterschied zwischen bewusster Anleihe und unbewusster ‚Migration der Form‘. Das Dekor einer antiken
Vase entpuppt sich als formverwandt zu einer Zeichnung von Klimt, und diese Entdeckung kann Funken der Erkenntnis
schlagen“, so Stella Rollig, Generaldirektorin des Belvedere.
Einen Höhepunkt der Ausstellung bildet die 1907 mit Zeichnungen von Gustav Klimt illustrierte Neuauflage der
Hetärengespräche des Lukian. Der Originaltext des außergewöhnlichen Erotikons, dessen Bedeutungsebenen
und Referenzen vielschichtig und zeitlos sind, stammt vom spätantiken Autor Lukian von Samosata (um 120-185
n. Chr.). In 15 Dialogen unterhalten sich Hetären über alltägliche Sorgen und Nöte ihrer Existenz
als Gunstgewerblerinnen, deren sozialer Status weit über dem von gewöhnlichen Prostituierten lag.
Die Übertragung des Textes für die Neuauflage 1907 fertigte der Wiener Schriftsteller Franz Blei an.
Verlegt wurde das mit 15 freizügigen Zeichnungen Gustav Klimts illustrierte Buch von Julius Zeitler, der wiederum
Josef Hoffmann und die Wiener Werkstätten mit der äußeren Gestaltung beauftragte.
In der Orangerie werden insgesamt 13 Luxuseditionen des Erotikons zu sehen sein, das zu den schönsten Büchern
des europäischen Jugendstils zählt.
Das Buch entstand zu einer Zeit, als sich Gustav Klimt vom gefeierten Shootingstar der Belle Epoque zum Bannerträger
der Moderne profilierte. Klimt strebte damals danach, sich von der Zensur durch diverse Auftraggeber zu befreien
– die Illustration des Erotikons war ein erstes Going Public seiner erotischen Papierarbeiten, das aufgrund des
Ausreizens gesellschaftlicher Normen von manchen als sittliche Grenzüberschreitung empfunden wurde.
Einige der Exemplare gelangten in den Besitz prominenter Persönlichkeiten, wie Koloman Moser, Herrmann Bahr,
Karl Ernst Osthaus und Berta Zuckerkandl. Co-Kuratorin Stephanie Auer geht in ihrem Essay ausführlich auf
die berühmten Erstbesitzer_innen des Buches ein.
In der Ausstellung werden den 15 Dialogen ausgewählte Beispiele der attischen rotfigurigen Vasenmalerei gegenübergestellt,
die jene Bildthemen aufgreifen, die der antike Autor Lukian in den Hetärengesprächen anspricht. Trotz
der zeitlichen Distanz von mehr als zwei Jahrtausenden offenbaren sich im Zusammenspiel der antiken Vasenmalerei
und Klimts Linienkunst überraschende Übereinstimmungen, die neue Sichtweisen auf das Antikenverständnis
des Künstlers zeigen. Dazu der Ausstellungskurator Tobias G. Natter: "Die Ausstellung fasziniert durch
die vielen Facetten von Klimt und seiner Motivsuche. Vor allem aber spricht die Zusammenschau, die es so noch nie
gab, vom ewigen Frühling der antiken Kunst".
Die 82 Werke umfassende Ausstellung ist eine Kooperation mit dem Kunsthistorischen Museum, Wien.
Gastkurator: Dr. Tobias G. Natter, Kuratorische Assistenz Mag. Stephanie Auer
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