Justizausschuss verabschiedet Strafgesetznovelle 2017
Wien (pk) - Der "Staatsfeinde-Paragraph", neue Tatbestände zum Schutz von Öffi-Bediensteten
vor tätlichen Angriffen sowie zur Ahndung sexueller Belästigung in einer Gruppe, aber auch die Ausweitung
der Notwehr zur Abwehr sexueller Gewalt sind die wesentlichen Punkte einer Strafgesetznovelle 2017, die am 21.06.
den Justizausschuss mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Team Stronach passierte. Während die Regierungsparteien
die neuen Bestimmungen als Reaktion auf aktuelle kriminelle Entwicklungen begrüßten, kritisierten FPÖ,
Grüne und NEOS vor allem den Tatbestand betreffend staatsfeindliche Bewegungen als überschießend
und lehnten die Novelle ab. Die Freiheitlichen pochten zudem auf strengere Strafen für straffällige AsylwerberInnen
sowie eine separate Unterbringung radikalisierter Häftlinge in den Strafanstalten, konnten sich aber mit ihren
Anträgen nicht durchsetzen.
Novelle als Reaktion auf jüngste Entwicklungen der Kriminalität
Mit den neuen Tatbeständen und Verschärfungen im Sexualstrafrecht will die Novelle (1621 d.B.) vor allem
auf jüngste Entwicklungen im Bereich der Kriminalität reagieren. So ist etwa ein so genannter "Staatsfeinde-Paragraphen"
vorgesehen, der die Gründung von staatsfeindlichen Bewegungen bzw. die führende Beteiligung daran sowie
die Ausführung von staatsfeindlichen Handlungen unter Strafe stellt. Strafrechtlicher Schutz vor Gewaltakten
soll darüber hinaus in Zukunft auch den MitarbeiterInnen öffentlicher Verkehrsmittel in Ausübung
ihrer Tätigkeit zukommen. Ein eigener Tatbestand ahndet diesbezügliche tätliche Angriffe mit einer
Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten. Auf bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe verschärft wird das Strafausmaß
wiederum beim Delikt des tätlichen Angriffs auf Beamte.
Neu im Sexualstrafrecht ist der Tatbestand der sexuellen Belästigung in einer Gruppe, mit dem die Novelle
dem in den Medien als "Antanzen" bezeichneten Phänomen der verabredeten sexuellen Übergriffe
gegen Frauen bei Massenveranstaltungen entgegenwirken will. Zu einer Entschärfung kommt es hingegen beim so
genannten Sexting. So soll das Versenden und der Besitz von erotischen Selfies unter Jugendlichen nicht mehr unter
den Tatbestand der Kinderpornographie fallen. Eine wesentliche Neuerung bringt die Vorlage auch bei den Rechtfertigungsgründen,
zumal nunmehr die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung als notwehrfähiges Rechtsgut anerkannt wird.
Notwehr ist somit auch zur Abwehr sexueller Gewalt zulässig.
Die Novelle schiebe bedenklichen, gesellschaftlich unerwünschten Entwicklungen einen Riegel vor, zeigte sich
ÖVP-Mandatarin Beatrix Karl überzeugt. Eine Reihe wesentlicher Verbesserungen ortete auch SPÖ-Justizsprecher
Johannes Jarolim, dessen Fraktionskollegin Gisela Wurm vor allem die Verschärfung bei sexueller Belästigung
in Gruppen als wichtige Weiterentwicklung im Sexualstrafrecht begrüßte.
FPÖ, Grüne und NEOS kritisieren "Staatsfeinde-Paragraph" als überschießend
Man reagiere heute auf Probleme, von denen die FPÖ schon seit langem spricht, warf Philipp Schrangl (F) ein,
dessen Fraktion ebenso wie Grüne und NEOS einen durchaus kritischen Blick auf die Novelle richtete. Harald
Stefan (F) äußerte sich zwar positiv zu den Passagen betreffend das Sexualstrafrecht und die Angriffe
gegen Beamte und Öffi-Bedienstete, qualifizierte aber den "Staatsfeinde-Paragraphen" als unnötige
Aufwertung einer Gruppe, "die sich jetzt wichtigmacht". Man würde hier mit den bestehenden Strafbestimmungen
das Auslangen finden, meinte er. Ähnlich sah dies auch Nikolaus Scherak (N), der in diesem Zusammenhang von
einer überschießenden Verschärfung sprach, zumal der Tatbestand auf eine Gesinnung abstelle. Zu
weit geht der "Staatsfeinde-Paragraph" auch für Albert Steinhauser (G). Man komme hier in einen
Bereich des Gesinnungsstrafrechts, warnte er. Justizminister Wolfgang Brandstetter versicherte hingegen, dieser
Paragraph sei so strukturiert, dass man nicht von Gesinnungsstrafrecht sprechen könne.
Kriminelle AsylwerberInnen, radikalisierte Häftlinge, Kinderehen: Keine Mehrheit für FPÖ-Anträge
Die FPÖ forderte zum Thema Strafrecht überdies strengere Strafen für kriminelle AsylwerberInnen
(1671/A) sowie Maßnahmen gegen die Radikalisierung von Mithäftlingen in Gefängnissen (1941/A(E)).
Auch sollten nach Meinung der Freiheitlichen die Strafobergrenzen für junge Erwachsene an jene bei Erwachsenen
angeglichen werden (2048/A(E)). Entsprechende Anträge blieben bei der Abstimmung allerdings in der Minderheit.
Der Missbrauch des Gastrechts sei kein Erschwerungsgrund, stellte Beatrix Karl (V) klar, der allerdings Walter
Rosenkranz (F) heftig widersprach und dabei überdies auf general- und spezialpräventive Aspekte hinwies.
Johannes Jarolim (S) wiederum konnte der von Christian Lausch (F) geforderten räumlichen Trennung radikalisierter
Häftlinge nichts Positives abgewinnen und argumentierte vielmehr, ein "Zusammensperren" wäre
in diesem Fall bloß kontraproduktiv. Was die Strafangleichung bei jungen Erwachsenen betrifft, erinnerte
er an die erst vor Kurzem beschlossene Absenkung der Strafdrohungen für diese Altersgruppe und hielt eine
Rücknahme dieser Maßnahme nicht für notwendig.
Abgelehnt wurde auch ein im Zuge der Debatte von Philipp Schrangl (F) eingebrachter Entschließungsantrag
mit der Forderung nach Erstellung einer Statistik über Kinderehen. Justizminister Wolfgang Brandstetter meinte
dazu, man sei in Österreich anders als etwa in Deutschland noch nicht in einer Position, dass man hier massiver
gegensteuern müsse.
Brandstetter wirbt für Sicherheitspaket
Im Rahmen einer aktuellen Aussprache drängte Justizminister Wolfgang Brandstetter einmal mehr auf rasche Beschlussfassung
des Sicherheitspakets, bei dem es, wie er mit Nachdruck unterstrich, einzig und allein darum gehe, eine Lücke
zu schließen, die bei der Überwachung von Skype und WhatsApp durch die Verschlüsselung entsteht.
Bedenken des Abgeordneten Albert Steinhauser (G), hier würde ein Trojaner eingebaut werden, konnte der Ressortchef
nicht teilen. Experten hätten versichert, dass es technisch möglich sei, auf den Inhalt der Kommunikation
vor der Verschlüsselung zuzugreifen, betonte er. SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim trat für eine
Klärung dieser technischen Fragen ein und unterstrich, es gehe bei der Überwachung um eine Gleichstellung
von Skype und WhatsApp mit der Telefonie.
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