Debatte über Bekämpfung von Terrorismus und Radikalisierung in der Länderkammer
Wien (pk) - Unter dem Titel "Terror in Europa: Herausforderung für Österreichs Staatsschutz"
stand die Aktuelle Stunde im Bundesrat am 22.06., bei der Innenminister Wolfgang Sobotka über aktuelle Entwicklungen
und Vorhaben seines Ressorts informierte. Erneut trat er für die Einführung der Videoüberwachung
auf öffentlichen Plätzen ein, wobei die Daten im Sinne einer besseren Verfolgung der Täter ein Monat
lang gespeichert werden sollen. Da es dafür immer eine richterliche Erlaubnis geben müsse, verstehe er
nicht, warum noch immer menschenrechtliche Bedenken vorgebracht werden. Auch der internationale Vergleich beweise,
dass solche Instrumente Usus sind und zudem oft zum Erfolg geführt haben. Außerdem hoffe er, dass noch
das Sicherheitspolizeigesetz beschlossen werden kann. Erst die Überwachung von Kommunikationsdiensten im Internet
ermögliche, dass die Polizei zumindest auf Augenhöhe mit den Verbrechern agieren kann.
Während die Freiheitlichen die von der Regierung ergriffenen Maßnahmen als untauglich einstuften und
eine rasche Schließung der Grenzen forderten, sahen die Grünen nicht das Heil in einem ständigen
Ausbau des Überwachungsstaats. Sie treten für ein umfassendes Terrorpräventionsprogramm ein, das
vor allem bei den Ursachen von Radikalisierung ansetzt.
Unterschiedliche Meinungen zur Verbesserung der Sicherheitslage in Österreich
Österreich sei zum Glück bisher noch von einem Terroranschlag verschont geworden, aber es gebe keine
Garantie, dass es auch so bleibt, meinte Bundesrat Gerhard Schödinger (V/O). Allein seit Anfang 2016 wurden
in Europa 26 Attentate verübt, bei denen weit über 200 Opfer zu beklagen waren. Auch Österreich
sei aufgrund der Etablierung von islamisch-extremistischen Strukturen mit einer erhöhten Gefährdungslage
konfrontiert. Seit dem dem Jahr 2014 gab es eine Fülle von Straftaten im Zusammenhang mit dem Terrorismus,
nämlich 1.052 Anzeigen, 74 Verurteilungen und 149 Festnahmen. Ein besonderes Problem stellen die sogenannten
Dschihad-Reisenden dar, zeigte der Bundesrat auf, die zum Großteil der tschetschenischen Volksgruppe angehören.
Da man wisse, dass die Radikalisierung der Jugendlichen bereits mit 13, 14 Jahren beginne, müsse man auch
bei den zahlreichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen genau hinschauen. Um den Gefahren wirksam
entgegentreten zu können braucht es seiner Meinung folgende Maßnahmen: Ausforschung der Radikalisierungs-
und Rekrutierungseinrichtungen, Überwachung zur Risikokontrolle, konsequente strafrechtliche Verfolgung, Kontakt
mit den relevanten Glaubensgemeinschaften sowie Schulungen für Lehrpersonal und ExekutivbeamtInnen. Viele
diesbezüglichen Projekte befinden sich schon in Umsetzung, wie etwa das ressortübergreifende bundesweite
Netzwerk Extremismusprävention und Deradikalisierung. Der logische nächste Schritt sei die Umsetzung
des vom Innenminister vorgelegten Sicherheitspakets, das rasch beschlossen werden sollte, bekräftigte Bundesrat
Edgar Mayer (V/V).
Laut aktuellem Bericht des Verfassungsschutzes stellt der religiös-motivierte islamische Extremismus und Terrorismus
nach wie vor die größte Bedrohung für die innere Sicherheit Österreichs dar, stellte Bundesrat
Reinhard Todt (S/W) fest. Wie schon sein Vorredner verwies er auf das massive Problem der Dschihad-Rückkehrer,
insgesamt werden 296 Personen als "foreign fighters" eingestuft. Nicht übersehen sollte man aber,
dass parallel dazu auch die rechtsextremistischen Straftaten in Österreich weiter zunahmen, und zwar um 13%
von 2015 auf 2016. Bei den terroristischen Anschlägen in Europa fiel vor allem auf, dass viele der Attentäter
den Sicherheitsbehörden bereits bekannt waren. Dies zeige deutlich auf, dass der Staatsschutz eine sehr sensible
Aufgabe wahrzunehmen hat. Die Regierung habe ihre Verantwortung wahrgenommen und im Vorjahr das polizeiliche Staatsschutzgesetz
vorgelegt, das eine wichtige Grundlage zur Bekämpfung des Terrors darstellt. Neben einer guten Sicherheitspolitik,
brauche es eine kluge Außenpolitik, eine kluge Bildungspolitik und eine kluge Integrationsarbeit, unterstrich
Stefan Schennach (S). Außerdem warnte er davor, Flüchtlinge und Terrorismus in einem Atemzug zu nennen;
von einer Million Menschen haben vielleicht vier oder fünf Personen Attentate verübt.
Es müsse alles getan werden, damit die österreichische Bevölkerung wieder das Gefühl bekommt,
in einem sicheren Land zu leben, erklärte Werner Herbert (F/N). Die von den Regierungsparteien ergriffenen
Maßnahmen seien aber nicht tauglich bzw. mutig genug, um wirkliche Fortschritte zu erzielen. Auslöser
für zahlreiche Probleme sei zudem die Willkommenskultur auf allen Ebenen und der unkontrollierte Zustrom tausender
Flüchtlinge gewesen. Das einzig mögliche Mittel, um zumindest einen gewissen Status quo zu erreichen,
auf dem man sicherheitspolizeilich aufbauen kann, sei das Dichtmachen der Grenzen, forderte Herbert. Außerdem
müsse endlich etwas getan werden, um dem Personalmangel bei der Exekutive, der sich durch die kommende Pensionswelle
noch massiv verschärfen wird, hintanzuhalten. Dringenden Nachholbedarf gibt es auch bei der Ausrüstung
und Ausstattung der PolizistInnen. Es sei sehr naiv, zu behaupten, dass die Flüchtlingsströme nichts
mit dem Terrorismus zu tun haben, erklärte Hans-Jörg Jenewein (F/W). Allein für die Pariser Anschläge
waren fünf Flüchtlinge, die über die Balkanroute eingereist sind, verantwortlich.
Im Kampf gegen den Terror brauche es ein Bündel an Maßnahmen, waren die Bundesrätinnen Ewa Dziedzic
(G/W) und Nicole Schreyer (G/T) überzeugt. Wie das Beispiel Frankreich zeige, reiche es nicht, nur den Überwachungsstaat
massiv auszubauen; dies bringe nicht automatisch ein Mehr an Sicherheit. Trotz der Vorratsdatenspeicherung und
einem sehr strengen Anti-Terrorgesetz konnten die Attentate nämlich nicht verhindert werden. Neben dem Verhindern
von Kriegen und dem Stopp von Waffenexporten müssen vor allem die Ursachen der Radikalisierung angegangen
werden, urteilte Dziedzic. Ihrer Ansicht nach müsse auch der Zugang zu Waffen erschwert werden. Überdies
sollte die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene verstärkt und der Informationsaustausch zwischen den Behörden
in Europa noch verbessert werden.
Eine zentrale Ursache für die zunehmende Terrorismusgefahr sei die aggressive Außenpolitik der USA und
ihrer europäischen Partner, die auch zu massiven Flüchtlingsströmen geführt habe, meinte Bundesrat
Gerald Zelina vom Team Stronach Niederösterreich.
Sobotka: Polizei braucht noch zusätzliche Instrumente, um effizient arbeiten zu können
Innenminister Wolfgang Sobotka konnte sich bezüglich der geschilderten Fakten in vielen Punkten seinen Vorrednern
anschließen. Es sei richtig, dass gerade die "foreign terrorist fighters" eine besondere Gefährdung
darstellen. Verschärfend komme noch hinzu, dass der IS dazu aufgerufen hat, nicht mehr in den Dschihad zu
ziehen, sondern Anschläge vor Ort zu verüben, "um die Ungläubigen zu vernichten". Die
Strategie des Innenressorts, die auf drei Säulen aufbaue, setze ganz verstärkt auf die Prävention.
Was die Deradikalisierungsmaßnahmen betrifft, so reichen diese von der Schule bis hin zum Gefängnis.
Wichtig sei auch die internationale Zusammenarbeit, die von Österreich seit vielen Jahren forciert werde.
Nur deshalb konnte etwa ein Anschlag verhindert werden, den ein 17-jähriger Jugendlicher kosovarischer Abstimmung
geplant hatte, zeigte Sobotka auf. Eine hervorragende Arbeit leiste auch das "Joint Operation Office",
das vor einem Jahr gegründet wurde und das bereits 136 Schlepper aus dem Verkehr gezogen hat.
Wichtig sei natürlich, dass die islamische Gemeinschaft selbst einen Beitrag leistet und ganz entschieden
gegen radikale Tendenzen und vor allem gegen den politischen Salafismus vorgeht, betonte der Innenminister. Er
habe sich daher über die gemeinsame Erklärung der Imame vor einer Woche gefreut, wo klar zum Ausdruck
gebracht wurde, dass der Islam nicht dafür missbraucht werden darf, um in seinem Namen Terroranschläge
zu verüben. Das österreichische Konzept in diesem Bereich finde auch international viel Beachtung und
habe dazu geführt, dass zahlreiche Personen angezeigt oder verhaftet werden konnten. Wie viele Attentate
verhindert werden konnten, dies könne natürlich niemand genau nachweisen.
Weiters ging der Innenminister auf die Erfahrungen mit dem Staatsschutzgesetz ein, ohne das etwa die Aufdeckung
eines großen islamistischen Netzwerks nicht möglich gewesen wäre. Es brauche aber noch zusätzliche
Instrumente für die Polizei, um noch erfolgreicher zu sein. Unrichtig sei das immer wieder vorgebrachte Argument,
dass die Videoüberwachung nichts verhindern könne. So konnte sich etwa die Polizei beim letzten Anschlag
in London aufgrund der Fotos rasch ein exaktes Lagebild machen. Dadurch war sie nicht nur schneller am Einsatzort,
sondern auch die eigenen Leute konnten besser geschützt werden. Die Videoüberwachung auf richterliche
Anordnung hin sollte daher auch in Österreich eingeführt werden, forderte Sobotka.
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