Die Kunsthalle Krems setzt künftig mit arrivierten und aktuellen, jungen Positionen auf
eine interdisziplinäre, progressive und internationale Ausrichtung
Krems (kunstmeile) - Die Kunsthalle Krems hat sich in den vergangenen 20 Jahren im Bereich der zeitgenössischen
Kunst zu einer Institution mit nationaler und internationaler Strahlkraft entwickelt. Nach erfolgter Generalsanierung
und Wiedereröffnung am 1. Juli 2017 wird Florian Steininger als neuer künstlerischer Direktor diesen
Weg konsequent weitergehen. "Die Kunsthalle Krems ist und bleibt das internationale Ausstellungshaus für
aktuelle Kunst in Niederösterreich", hält Florian Steininger fest, "meine Programmatik speist
sich aus der Kunst seit 1945, wobei ich den Schwerpunkt auf das Zeitgenössische legen werde. Die Kunsthalle
Krems wird arrivierten wie auch aufstrebenden jungen Positionen aus dem In- und Ausland eine große Plattform
bieten, auf der innovative, medienübergreifende, gesellschaftsaktuelle und kunstspezifische Beiträge
verhandelt werden."
Die erste große Themenschau Abstract Painting Now! Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully ... bildet
den Ausgangspunkt für die Programmlinie des neuen künstlerischen Direktors. Zudem werden umfangreiche
Ausstellungen Einblicke in hochkarätige private Sammlungen von moderner und zeitgenössischer Kunst geben,
wie zum Beispiel in die Schweizer Privatkollektion von Hubert Looser (Zürich). Die mediale Ausrichtung der
Kunsthalle Krems reicht von den klassischen Disziplinen wie Malerei, Zeichnung und Skulptur über Fotografie,
Video, Film und Performance bis zu Installation und anderen konzeptuellen sowie neumedialen Disziplinen. Durch
die alljährliche Kooperation mit dem donaufestival unterstreicht die Kunsthalle Krems ihre interdisziplinäre
und progressive Ausrichtung.
Das Augenmerk von Florian Steininger liegt auch auf einem erweiterten Kunstvermittlungs- programm. "Als Kurator
und als Direktor sehe ich mich auch als kunstvermittelnde Person; sehr oft geht es um eine Entschlüsselung
einer ‚stummen' Kunst, die eine andere Art von Sprache als die unsrige kennt. Diese Tore zu öffnen, ist entscheidend",
begründet der künstlerische Direktor und fügt hinzu: "Die künftigen Besucher/innen der
Kunsthalle Krems sollen die Ausstellungen nicht nur auf einer sinnerfassenden Ebene begreifen, sondern vor allem
als sinnlich emotionales Erlebnis."
Die vergangenen Monate in der Kunsthalle Krems waren geprägt von großen Veränderungen: Im Sommer
2016 musste der Ausstellungsbetrieb in der Kunsthalle Krems für ein Jahr ausgesetzt werden, da die neu entstehende
Landesgalerie Niederösterreich baulich mit der Kunsthalle Krems verbunden wird. Diese Pause wurde dafür
genutzt, das historische Gebäude der Tabakfabrik aus dem Jahr 1852 und die vom Architekten Adolf Krischanitz
in den 1990er Jahren hinzugefügten Baukörper einer Generalsanierung zu unterziehen. Von der Klimatisierung
der Ausstellungsbereiche über brandschutztechnische Maßnahmen, die Neueindeckung des Gebäudes,
die Fenster- und Fassadensanierung bis hin zur Umgestaltung des Foyerbereichs und der Büroräumlichkeiten
ließen die Sanierungsarbeiten keinen Bereich unberührt.
Die Wiedereröffnung erfolgt am 1. Juli 2017. Mit der Dominikanerkirche gewinnt die Kunsthalle Krems 2017 noch
einen zusätzlichen Ausstellungsort. Der Fokus liegt hier auf raumbezogenen Projekten in der gotischen Sakralarchitektur.
Als erstes wird dort ein Installations-Projekt des in Österreich lebenden französischen Künstlers
Sébastien de Ganay zu sehen sein.
Florian Steininger
Florian Steininger wurde 1974 in Wien geboren und hat an der Universität Wien ein Studium der Kunstgeschichte
absolviert. Er verfasste als Kunstkritiker für die Tageszeitung Die Presse (Wien) zahlreiche Ausstellungsrezensionen
und war für die Kunstvermittlung der Sammlung Essl (Klosterneuburg) und im Bank Austria Kunstforum (Wien)
aktiv. Von 2001 bis 2016 war Florian Steininger im Bank Austria Kunstforum als Kurator tätig und zeichnete
dort für zahlreiche Gruppenausstellungen und Personalen verantwortlich, darunter Willem de Kooning (2005),
Monet-Kandinsky-Rothko und die Folgen: Wege der abstrakten Malerei (2008), Frida Kahlo - Retrospektive (2010),
Herbert Brandl (2012), Warhol - Basquiat (2013) und zuletzt Landscape in my Mind: Landschaftsfotografie heute.
Von Hamish Fulton bis Andreas Gursky sowie Liebe in Zeiten der Revolution - Künstlerpaare der russischen Avantgarde
(beide 2015). Zudem hat Florian Steininger 2005 für die Sammlung Essl das Ausstellungsprojekt Neue Wilde:
Eine Entwicklung und 2012/13 die Aufarbeitung der Sammlung inklusive Eröffnungsausstellung im Museum Angerlehner
(Thalheim/Wels) realisiert. Florian Steininger ist Autor und Herausgeber zahlreicher Ausstellungskataloge und hat
unzählige Essays und Beiträge für Buchpublikationen und Kunstzeitschriften verfasst, zuletzt für
den umfangreichen Jubiläumsband Sean Scully. Bricklayer of the Soul (2015) zum 70. Geburtstag des Künstlers
Sean Scully. 2010 wurde Florian Steininger mit der kunsthistorischen Aufarbeitung der Schweizer Privatsammlung
Hubert Looser (Zürich) betraut, seit 2015 ist er Sammlungsleiter dieser Kollektion mit Schwerpunkt auf Klassischer
Moderne, Abstraktem Expressionismus und Minimal Art.
Abstract Painting Now!
Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully ...
02.07.-05.11.2017
Kunsthalle Krems
Die Abstraktion gilt in der Moderne als eine der signifikanten formalen Artikulationen und ist insbesondere mit
der Malerei aufs Engste verbunden. Der konsequenten Analyse des Mediums bis zum Nullpunkt in der Avantgarde der
1910er-Jahre folgte ein stetiges Wiederaufkeimen der ungegenständlichen Malerei, vor allem im Abstrakten Expressionismus,
im Informel und in der Minimal Art. In der nachmodernen Abstraktion der 1960er-Jahre trat ein Skeptizismus gegenüber
der Malerei und der schöpferischen Autorschaft auf, dem in der postmodernen Phase ab den 1980er-Jahren mit
Sinnlichkeit und Intuition entgegnet wurde.
Die Ausstellung Abstract Painting Now! wird mit etwa sechzig künstlerischen Positionen ihren Schwerpunkt auf
die aktuelle internationale Situation des ungegenständlichen Tafelbildes legen und das weite Feld einer immer
noch bedeutenden malerischen Praxis auffächern.
Historische Basis der Schau ist die Entwicklung im Anschluss an den Abstrakten Expressionismus, die vor allem
von Gerhard Richter und Sigmar Polke getragen wurde. Ersterer wandte sich nach einer Periode der Agonie, in der
seine grauen Vermalungen entstanden, dem Schönen, scheinbar Expressiven zu. Letzterer setzte Abstraktion als
ironische Paraphrase ein und kommentierte damit die Wahrhaftigkeit des Pinselstrichs als Markierung des künstlerischen
Ichs.
Dekonstruktion, Kritik an der Autorschaft, Mix, Zitat und Ornament sind einige der wesentlichen Parameter in der
aktuellen abstrakten Malerei, wenn etwa Wade Guyton seine minimalistischen Streifenbilder von einem Tintenstrahldrucker
erzeugen lässt. Katharina Grosse tauscht den klassischen Pinsel gegen die Airbrushpistole und kreiert irisierende
colour fields. In der modernen Malerei galt das Ornament als Verbrechen, als nutzlose Schlacke der autonomen Kunst.
In der stilpluralistischen Postmoderne findet es in der Abstraktion bei Ross Bleckner und Philip Taaffe wieder
einen Platz. Der erweiterte Abstraktionsbegriff schließt auch Natur und Landschaft in Form neoromantisch-
expressiver Farbfelder wie jener von Per Kirkeby ein. Bei Sean Scully paaren sich Konstruktiv-Geometrisches und
malerische Atmosphäre in einer Synthese von Ratio und Emotion. Spiritualität und geometrische Abstraktion
in der Nachfolge von Kasimir Malewitsch und Barnett Newman sind bei Helmut Federle essenzielle Kriterien. Bei Brice
Marden und Lee Ufan speichert der Pinselstrich als Zeichen des meditativen Akts das Geistige in der Kunst. Diese
Ernsthaftigkeit und diese Konzentration auf Geist und Bild sind auch in den monochromen Gemälden von Marcia
Hafif, Joseph Marioni und Günter Umberg anzutreffen.
Ebenso haben sich in Österreich Tendenzen der neuen Abstraktion entwickelt, die ein selbstverständliches
größeres Ganzes mit den internationalen Positionen bilden: Ab den 1980er-Jahren stehen konzeptuelle
neugeometrische Arbeiten von Ernst Caramelle, Gerwald Rockenschaub und Heimo Zobernig neben Farbfeldmalereien
von Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, Hubert Scheibl und Walter Vopava. Darauf folgen in der Ausstellung jüngere
Positionen, die das Projekt Abstraktion bis heute in voller Bandbreite fortführen.
Kurator: Florian Steininger
Künstler/innen
Tomma Abts, John M. Armleder, Ross Bleckner, Erwin Bohatsch, Herbert Brandl, André Butzer, Ernst Caramelle,
Gunter Damisch, Svenja Deininger, Helmut Federle, Günther Förg, Mark Francis, Bernard Frize, Jakob Gasteiger,
Rudolf Goessl, Franz Grabmayr, Katharina Grosse, Wade Guyton, Marcia Hafif, Peter Halley, Nancy Haynes, Mary Heilmann,
Secundino Hernández, Callum Innes, Martha Jungwirth, Franco Kappl, Per Kirkeby, Imi Knoebel, Kurt Kocherscheidt,
Suse Krawagna, Jonathan Lasker, Eugène Leroy, Caitlin Lonegan, Brice Marden, Joseph Marioni, Jason Martin,
Sarah Morris, Frank Nitsche, Walter Obholzer, Albert Oehlen, Ahmet Oran, Sigmar Polke, Arnulf Rainer, Gerhard Richter,
Gerwald Rockenschaub, Thomas Scheibitz, Hubert Scheibl, Adrian Schiess, Christoph Schirmer, Josef Schwaiger, Sean
Scully, Pat Steir, Rudolf Stingel, Philip Taaffe, Liliane Tomasko, Lee Ufan, Günter Umberg, Juan Uslé,
Charline von Heyl, Walter Vopava, Christopher Wool, Natalia Za?uska, Otto Zitko, Heimo Zobernig.
Katalog
Zur Ausstellung erscheint der Katalog Abstract Painting Now! Gerhard Richter, Katharina Grosse, Sean Scully
... mit Texten von Heinrich Klotz, Ulrich Loock, Demetrio Paparoni und Florian Steininger.
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