Kunden wünschen sich längere Öffnungszeiten und persönliche Ansprache –
Bankexperte: "Geldinstitute gehen noch zu wenig auf ihre Kunden zu"
Wien (eurogroup consulting) - In Österreich ist die Wechselbereitschaft bei vielen Bankkunden groß.
Jeder Zehnte wird wahrscheinlich im nächsten Jahr das Konto bei seiner Bank kündigen und zu einem anderen
Geldinstitut wechseln. Das ergab die "Kundenbankstudie Österreich 2017" der Unternehmensberatung
EUROGROUP CONSULTING (EGC), für die mehr als 2.100 Bankkunden befragt wurden. Demnach finden viele Kunden
den Service ihres Kreditinstituts verbesserungsbedürftig: Sie erwarten längere Öffnungszeiten, persönliche
Ansprache und mehr Übersichtlichkeit bei den angebotenen Bankprodukten.
Dass es eine rege Nachfrage nach Bankprodukten gibt, zeigt die Studie ebenfalls: Knapp elf Prozent der Kunden würden
gerne in Wertpapiere oder Fonds zu investieren, wurden aber noch nicht angesprochen. Noch größer ist
die Nachfrage nach Finanzierungen: 41Prozent wollen in den kommenden drei Jahren einen Konsumkredit aufnehmen,
etwa jeder Fünfte (rund 21 Prozent) plant, eine Immobilienfinanzierung abzuschließen. "Das Potential
für Neugeschäft ist groß, aber die Geldinstitute gehen noch zu wenig auf ihre Kunden zu",
sagt der Geschäftsführer von EGC Österreich, Heinrich Piermeier.
Interesse an Wertpapieren und Fonds deutlich gewachsen
Insbesondere das große Interesse an Wertpapieren und Fonds ist in der Befragung sehr ausgeprägt, denn
aktuell ist der Anteil der Wertpapierbesitzer mit nur zehn Prozent der Bevölkerung im Vergleich zu anderen
Ländern des Euroraumes sehr klein. "Es zeigt, dass die Menschen in Österreich nach neuen Anlagemöglichkeiten
Ausschau halten", sagt Piermeier. Auffällig sei, dass diese Interessenten von ihrer Bank aber noch nie
Angebote zu Anlagemöglichkeiten bekommen hätten. Defizite zeigen sich laut Studie insbesondere in den
Großstädten Wien und Salzburg, sowie in der Region Tirol. "Österreichs Banken sollten den
Trend aufgreifen und jetzt die Chance nutzen, Kunden mit attraktiven Angeboten zu gewinnen oder zu halten",
betont Piermeier.
Laut der Studie sind viele Bürger derzeit mit dem Service ihrer Bank nicht ganz zufrieden. Vor allem fällt
es ihnen schwer, sich bei den angebotenen Bankprodukten einen Durchblick zu verschaffen - hier wünschen sich
die Kunden mehr Transparenz. Bei Vertragsabschlüssen bemängeln sie zu viel Bürokratie in den Vertragsunterlagen,
die die Geschäftsabwicklung behindern. "Nur wenige Banken sehen aktuelle Regulierungen als Vertriebs-
und Veränderungschance; hier braucht man bloß auf die Einfachheit der Fintechs schauen, was möglich
ist" betonte Piermeier.
Auch junge, digitale Kunden wollen persönliche Beratung
Wichtigstes Instrument bei der Vermittlung von komplexen Bankprodukten bleibt die persönliche Beratung: "Den
Weg, den viele Banken mit der Effizienzsteigerung eingeschlagen haben, ist sicherlich richtig. Er schließt
aber eine aktive Kundenansprache nicht aus", so Piermeier. Dafür müsse auch das Angebot an Beratungszeiten
ausgeweitet werden. Laut der Studie sind es vor allem junge Frauen und Männer bis 30 Jahren, die sich längere
und flexiblere Öffnungszeiten in den Filialen wünschen.
"Gerade bei komplexen Themen wie Aktienkauf und Baufinanzierung wollen die Kunden ausführlich beraten
werden", betont Piermeier. Das gelte auch für diejenigen, die bei allen übrigen Bankgeschäften
gerne auf digitale Kanäle zurückgreifen. Der sogenannte persönlich-digitale Kundentyp macht mit
aktuell rund 46 Prozent, also knapp die Hälfte aller Bankkunden aus. "Die meisten Kunden nutzen heute
selbstverständlich digitale Kommunikationskanäle - auch im Kontakt mit ihrer Bank. Finanzinstitute sollten
sich im Klaren sein, dass die persönliche Beratung bei spezifischen Themen nach wie vor gewünscht oder
sogar verlangt wird."
Kundenwünsche sind regional unterschiedlich
Die Kundenwünsche sind auch in den Regionen Österreichs unterschiedlich. Laut der Studie ist das Interesse
an Wertpapieranlagen in Wien, Salzburg und Tirol besonders groß. Die Haushalte, die im nächsten Jahr
einen Konsumkredit aufnehmen wollen, befinden sich am häufigsten in Oberösterreich, Tirol und Kärnten.
Die meisten Haushalte, die die Anschaffung oder den Bau eines Eigenheims planen, gibt es im Burgenland, Oberösterreich,
Salzburg und Vorarlberg. In diesen Bundesländern spielt jeder Fünfte mit dem Gedanken, in naher Zukunft
eine Immobilie zu erwerben, wofür eine entsprechende Bankfinanzierung benötigt wird. "Natürlich
sind die Bedarfe in den einzelnen Regionen unterschiedlich, doch mit der Studie kann auch gezeigt werden, in welchen
Gegenden Angebot und Nachfrage gut abgestimmt sind, und in welchen Regionen das weniger der Fall ist", betonte
Piermeier. "Hier können Banken ansetzen, um ihre Vertriebsaktivitäten zu verstärken."
Fazit der "Kundenbankstudie Österreich 2017"
Wenn die Banken die Zeichen der Zeit erkennen und sich stärker auf die Bedürfnisse und Wünsche der
Kunden ausrichten sowie die Digitalisierung und das veränderte Kundenverhalten als Chance sehen (Dualer Vertrieb),
können nicht nur Bestands- und auch Neukunden begeistert, sondern auch positive Effekte in der Ertragslage
erzielt werden.
Über die "Kundenbankstudie Österreich 2017"
Im April 2017 führte EUROGROUP CONSULTING eine Studie zum Thema "Potenziale offensiv nutzen!" Kundenbankstudie
Österreich 2017" durch. An der Online-Befragung nahmen 2.135 Personen ab 16 Jahren mit Hauptwohnsitz
in Österreich teil. Um eine bevölkerungsrepräsentative Struktur der Daten zu erhalten, erfolgte
die Erhebung nach vorgegebenen Quoten über die Merkmale Geschlecht, Alter und Bundesland. Als Referenzdatei
wurden die Bevölkerungsdaten der Statistik Austria zugrunde gelegt.
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