Aufhebung der Bundespräsidenten-Stichwahl war bisher aufwändigstes Verfahren
Wien (pk) - Trotz des aufwändigen Verfahrens zur Bundespräsidenten-Stichwahl und eines insgesamt
steigenden Arbeitsanfalls ist es dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) im vergangenen Jahr gelungen, die durchschnittliche
Verfahrensdauer weiter zu reduzieren. 143 Tage und damit weniger als fünf Monate dauerte es im Schnitt, bis
eine Sache entschieden wurde. Das geht aus dem Tätigkeitsbericht des Verfassungsgerichtshofs 2016 hervor,
der von Kanzleramtsminister Thomas Drozda dem Nationalrat vorgelegt wurde ( III-405 d.B.). Österreich
steht damit im internationalen Vergleich bemerkenswert da. Insgesamt hat der VfGH 3.898 Verfahren abgeschlossen,
darunter 584 Gesetzesprüfungsverfahren.
Zu deutlich längeren Verfahren kommt es meist nur dann, wenn diese unterbrochen werden. Etwa weil sich der
Verfassungsgerichtshof dafür entschieden hat, ein Normenprüfungsverfahren einzuleiten, oder er den Europäischen
Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht. In diesem Sinn stammen lediglich 25 der 998 Verfahren, die Ende
2016 noch offen waren, aus dem Jahr 2015. Nicht berücksichtigt bei der durchschnittlichen Verfahrensdauer
von 143 Tagen sind Asylrechtssachen, bei ihnen ist die Erledigungsdauer noch deutlich kürzer.
Eine große Herausforderung für den Verfassungsgerichtshof im vergangenen Jahr war die Anfechtung der
Bundespräsidenten-Stichwahl, der das Richterkollegium schließlich auch stattgegeben hat. Die öffentliche
mündliche Verhandlung erstreckte sich über einen Zeitraum von sechs Tagen. Erstmals wurde eine bundesweite
Wahl aufgehoben, hebt VfGH-Präsident Gerhart Holzinger im Vorwort zum Bericht hervor.
Hoch geblieben ist auch die Zahl der so genannten Gesetzesbeschwerden. 283 Mal wurde dieses im Jahr 2015 neu eingeführte
Rechtsschutzinstrument für Verfahrensparteien in Gerichtsverfahren genutzt, wobei 272 der Beschwerden Gesetze
und 11 andere Normen wie Verordnungen betrafen. Insgesamt sind das zwar etwas weniger als 2015 (321), ursprünglich
waren jährlich aber nur rund 150 zusätzliche Normenprüfungsverfahren erwartet worden. Die Erfolgsaussichten
von Parteianträgen auf Gesetzesprüfung sind allerdings gering, wie die Statistik zeigt: Lediglich vier
der 381 im vergangenen Jahr abgeschlossenen einschlägigen Verfahren führten zur Aufhebung beanstandeter
Bestimmungen.
VfGH hob 20 von 114 geprüften Gesetzesnormen zumindest teilweise auf
Insgesamt hat der Verfassungsgerichtshof im Jahr 2016 584 Gesetzesprüfungen erledigt. Von 114 geprüften
Normen wurden 20 zumindest teilweise aufgehoben, vorrangig aufgrund von amtswegigen Prüfungen und Gerichtsanträgen.
94 hielten der Prüfung hingegen stand.
Vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wurden unter anderem das in der Strafprozessordnung verankerte Aussageverweigerungsrecht
für geschiedene Ehepartner und die Einschränkung der Rechtsberatung von AsylwerberInnen. Außerdem
wurde klargestellt, dass die Beschränkung von Wahlwerbungsausgaben für Landtags- und Gemeinderatswahlen
in die Kompetenz der Länder fällt.
Keine Einwände hatten die RichterInnen hingegen gegen die Registrierkassenpflicht, die Untersagung der Gründung
eines Vereins für Sterbehilfe, die zahlenmäßige Beschränkung der Konzessionen zum Betrieb
von Glücksspielautomaten und das per Bundesgesetz beschlossene Werbeverbot für ästhetische Behandlungen
und Operationen in Krankenanstalten. Ebenso wenig wurden die gesetzlichen Eingriffe in Betriebspensionen bei der
Nationalbank, die Unzulässigkeit der Stellung eines Parteiantrags auf Gesetzesprüfung im Exekutionsverfahren,
die Anwohnerparkzonen in Wien und die neuen Bestimmungen über die Neuberechnung des Vorrückungsstichtags
für ÖBB-Bedienstete beanstandet. WaldbesitzerInnen müssen auf ihrem – nicht umfriedeten – Grund
Jagd dulden, auch wenn sie diese aus ethischen Gründen ablehnen.
Nur 5% der Beschwerden erfolgreich
Insgesamt wurden im Jahr 2016 3.920 Verfahren beim VfGH neu anhängig. Das ist ein Plus um mehr als 10% gegenüber
2015. Ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz fiel – mit 1.726 Fällen – dabei wieder auf Asylrechtssachen.
Das sind 44% des Neuanfalls.
Gleichzeitig konnte der Verfassungsgerichtshof 3.898 Verfahren abschließen. Neben 584 Gesetzesprüfungsverfahren
und 94 Verordnungsprüfungsverfahren waren das auch 3.144 Einzelbeschwerden nach Art. 144 B-VG (davon 1.670
Asylbeschwerden), 2 Staatsvertragsprüfungen, 20 Wahlanfechtungen, 2 Beschwerden betreffend Wählerevidenzen
und 2 Anträge auf Mandatsverlust.
In 184 Fällen (5%) gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Beschwerdeführers bzw. der Beschwerdeführerin
satt. Dem stehen 233 Abweisungen, 338 Zurückweisungen und 1.318 Ablehnungen gegenüber. Dazu kommen 1.750
negative Entscheidungen über Verfahrenshilfeanträge und 75 "sonstige Erledigungen" wie Verfahrenseinstellungen.
Für den amtierenden VfGH-Präsidenten Gerhart Holzinger ist der vorgelegte Bericht übrigens der letzte:
Er scheidet mit Ende des Jahres altersbedingt aus dem Verfassungsgerichtshof aus. Auch zwei weitere RichterInnen
erreichen heuer die Altersgrenze von 70 Jahren.
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