Neuer Gemeindebund-Chef Riedl: „Wir können nicht ständig Ausfallshafter für
Vorhaben des Bundes sein“
Salzburg/Wien (gemiendebund) - Vor mehr als 2.300 Gemeindevertreter/innen richtete der neue Chef des Gemeindebundes,
Bgm. Alfred Riedl, am 30.06. inige eindringliche Forderungen an die Bundespolitik und eine künftige neue Bundesregierung:
„Zum einen sind wir natürlich besorgt darüber, dass kurz vor der Wahl allerlei Beschlüsse und Vorhaben
auf den Weg gebracht werden, die viel Geld kosten und die öffentlichen Haushalte – darunter auch die Gemeinden
– stark belasten werden“, so Riedl. „Zum anderen haben wir in den Kommunen Reformvorschläge, von denen wir
erwarten, dass die nächste Bundesregierung sich darum kümmert.“
Die letzten Tage“, so Riedl, „erinnern mich an die Nacht des großen Füllhorns im Jahr 2008, als im Spiel
der freien Kräfte im Parlament Dinge beschlossen wurden, die mehr als vier Milliarden Euro gekostet haben.“
Der Gemeindebund werde sehr genau darauf achten, dass es in den nächsten Monaten nicht zu Mehrbelastungen
für die Gemeinden komme. „Wir haben im Finanzausgleich einiges erreicht, u.a. einen Struktursfonds für
schwache Gemeinden. Wir können uns das nun nicht kaputt machen lassen dadurch, dass auf Bundesebene hemmungslos
Geld ausgegeben wird, das Länder und Gemeinden aufzubringen haben.“
Scharfe Kritik übte der neue Gemeindebund-Chef an der überbordenden Bürokratie. „Wir sind tagtäglich
mit neuen Vorschriften und Gesetzen konfrontiert“, so Riedl. „Unser Aufwand zur Bewältigung von komplexen
bürokratischen Vorschriften steigt jeden Tag. Wir müssen Aufgaben- und Ausgabenverantwortung wieder in
eine Hand bringen.“ Die Schulverwaltung sei dafür ein gutes bzw. schlechtes Beispiel. „Anstatt die Bürokratie
zurückzudrängen und damit die Ursache zu bekämpfen sollen wir Gemeinden nun den Schulen zusätzliches
Verwaltungspersonal zur Verfügung stellen, damit die Symptome bekämpft werden können.“
Österreich brauche, so Riedl, dringend eine Staatsreform, um den gordischen Knoten an Zuständigkeiten
zu zerschlagen. „Es ist schade, dass im Österreich-Konvent, wo es über viele wichtige Dinge Konsens gab,
am Ende nichts umgesetzt wurde, weil man an den letzten zehn Prozent gescheitert ist“, so Riedl. „Ich appelliere
hier und heute an den Herrn Bundespräsidenten, an Minister Sebastian Kurz und an die gesamte Bundesregierung:
Lassen Sie uns diese Reform endlich angehen, die Zeit ist reif!“
Ein wesentlicher Teil einer Reform, sagt Riedl, könnte auch die direkte Vertragsfähigkeit für die
Gemeinden mit dem Bund und den Ländern sein. „Wir verlieren oft viel Zeit und Kraft, weil alles über
15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern gelöst werden muss, obwohl es eigentlich die Gemeinden betrifft.
Es wäre gescheiter, wenn man hier direkte Verträge mit den Gemeinden, respektive den kommunalen Interessensvertretungen,
schließt. Das funktioniert ja beim Finanzausgleich genauso.“
In weiterer Folge sprach Riedl einige konkrete Forderungen der Gemeinden an. Eine Wahlrechtsreform mit Verbesserung
der Briefwahl und Auszählung aller Stimmen in der Gemeinden ist eine davon. „Was wir mit Sicherheit nicht
brauchen, das ist ein zweiter bundesweiter Wahltag“, so Riedl. Auch den Masterplan für den ländlichen
Raum fordert der Gemeindebund ein. „Früher hatten wir einen Grundkonsens darüber, dass es ein Mindestmaß
an Infrastruktur für alle Menschen in diesem Land geben muss. Wasser, Kanal, Müllabfuhr, Straßennetz
und der Zugang zu Bildung. Darum hat man sich bemüht, um allen Menschen einigermaßen gleichwertige Lebensbedingungen
bieten zu können. Dieses Bekenntnis brauchen wir jetzt umso mehr, wir können und dürfen nicht alles
zusperren in den ländlichen Räumen, nur weil sich jeder die Rosinen in der Infrastruktur herauspicken
will.“
Die Gemeinden, so Riedl, seien die Orte der kommunalen Nahversorgung. „Es geht hier um viele Formen der Grundversorgung“,
so Riedl. „Wir können nicht überall einspringen, wo die Systeme versagen. Wir können dauerhaft nicht
mitzahlen, wenn wir Hausärzte haben wollen, wir können auch nicht an den Bankomaten mitzahlen, weil wir
sonst keine mehr bekommen. Wir sind auch nicht dafür da, um Greißler, Wirtshäuser oder Postpartner
zu führen. Es ist ein eklatantes Systemversagen, dass wir überhaupt in dieses Dilemma kommen. Wir brauchen
hier auch eine Solidarität der Wirtschaft mit dem ländlichen Raum. Es kann nicht sein, dass Unternehmen
und Konzerne ihre Gewinne privatisieren und die Verluste sozialisieren wollen.“
Die Gemeinden“, so Riedl, „sind die mit Abstand bürgernächsten Einheiten. Wir wissen, wo die Menschen
Sorgen und Anliegen haben, wir können auch vieles leisten. Aber wir können nicht für alles die Ausfallshaftung
übernehmen. Und wir erwarten uns, dass die Bürgermeister/innen nicht nur in Sonntagsreden gelobt werden,
sondern auch, dass man uns anhört und einbezieht, wenn es um neue bundespolitische Vorhaben geht.“
Ich danke Ihnen, den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern, sehr herzlich für Eure Arbeit. Ihr seid
die, die jeden Tag dafür sorgen, dass kommunale Dienstleistungen und Angebote in unseren Gemeinden funktionieren.
Ich weiß, dass das nicht immer leicht ist, aber die Menschen wissen das sehr zu schätzen“, so Riedl
abschließend.
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