Nationalrat beschließt Reform mit breiter Mehrheit
Wien (pk) - Wer wirtschaftlich scheitert, soll in Zukunft eine Chance auf einen rascheren Neustart erhalten.
Mit breiter Mehrheit – gegen die Stimmen des Team Stronach – haben die Abgeordneten am 28.06. im Nationalrat eine
entsprechende Reform des Privatkonkurses beschlossen. Damit soll eine Entschuldung - statt wie bisher erst nach
sieben Jahren - nach fünf Jahren möglich sein. Außerdem entfällt die Mindestquote von 10%
komplett.
Das entsprechende Insolvenzrechtsänderungsgesetz will neben der Erleichterung der Entschuldung von Privatpersonen
und ehemaligen UnternehmerInnen verhindern, dass SchuldnerInnen ins wirtschaftliche und gesellschaftliche Abseits
gedrängt werden. In der Praxis ist für einkommensschwache SchuldnerInnen eine Entschuldung im Rahmen
des Abschöpfungsverfahrens oft aussichtslos, da es ihnen nicht gelingt, innerhalb von sieben Jahren mindestens
10% der Schulden zu begleichen und so eine Restschuldbefreiung zu erreichen, so die Begründung. Durch die
Verkürzung der Abschöpfungsverfahren auf fünf Jahre samt Entfall der Mindestquote von 10% erhält
der Schuldner die Möglichkeit, wieder rasch in eine produktive Berufssituation zurückzukehren.
Kompromiss aus Fünf-Jahres-Regelung und Null-Quote
Anstatt der ursprünglich für die Novelle vorgeschlagene Verkürzung auf drei Jahre seitens der SPÖ
habe sich die Koalition nun auf fünf Jahre und die Null-Quote als Kompromiss geeinigt, sagte Angela Lueger
(S). Diejenigen, die mit Zinsen immer weiter hinabgezogen wurden, hatten nie die Chance auf Privatkonkurs, wobei
das auch viele Frauen betreffe, unterstrich die Abgeordnete. Man habe mit der Novelle nun das Anstellungshindernis
beseitig, die Betroffenen sollen die Chance bekommen, wieder Fuß zu fassen und einen Arbeitsplatz zu lukrieren.
Umgekehrt könne es auch nicht die Zukunft sein, aus Gläubigersicht aussichtslose Exekutionsverfahren
zu führen. Es gebe viele gute Gründe, den Betroffenen eine zweite Chance zu geben, ergänzte Ruth
Becher (S), es sei ihr ein besonderes Anliegen, dieses Sicherheitsnetz für Menschen zu spannen. Wie die letzte
Weltwirtschaftskrise zeige, bringe etwa Investition in Eigentum nicht immer mehr Sicherheit, wenn plötzlich
die Kreditzinsen steigen. Außerdem sei es nur billig und gerecht, wenn Banken gerettet werden, auch den Menschen
beim Privatkonkurs unter die Arme zu greifen. Ebenso sieht SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim, dass es niemandem
nütze, wenn Schulden lange nachgetragen würden. Er denke hier etwa auch an Frauen, die unverschuldet
in die Situation gekommen sind. Es sei in niemandes Interesse, dass Schulden nicht zurückbezahlt werden. Dazu
werde auch angesehen, ob das Bemühen zum Schuldenabbau vorhanden ist, außerdem gebe es etwa die Regel
einer Berichterstattung über die Arbeitssituation alle sechs Monate.
Er schließt sich damit ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker an, die betonte, dass Scheitern ein
Umweg sei, aber keine Sackgasse. Steinacker geht es dabei um eine Kultur des Scheiterns, die möglich sein
müsse. Die Regelungen sollen dem redlichen Schuldner die Chance auf einen wirtschaftlichen Neustart geben,
wobei sie auch an die zahlreichen Start-ups denkt, die beim ersten Mal gescheitert sind. Entscheidend sei, dass
die Frist auf fünf Jahre ausgedehnt wurde, damit Gläubiger nun eine echte Chance haben, auch ohne Quote
ihr Geld zu bekommen. Wichtig sei auch die erforderliche, redliche Bemühung um Arbeit. Insgesamt werde Missbrauch
verhindert, etwa habe man auch die wichtige Möglichkeit geschafft, in das Exekutionsregister einzusehen. Die
neuen Regeln stellen für die ÖVP-Abgeordnete eine Balance zwischen den berechtigten Interessen auf beiden
Seiten dar.
Brandstetter: Novelle ist echte, faire Chance für SchuldnerInnen
Justizminister Wolfgang Brandstetter ist dazu der Punkt wesentlich, dass es um das redliche Scheitern geht. Für
das unredliche gebe es nach wie vor Hindernisse für das Verfahren an sich, betonte er. Einerseits schaffe
man die Möglichkeit für einen Neuanfang, es gehe aber auch darum, vor der Versuchung zu bewahren, neuerlich
abzurutschen. Entstanden sei nun eine echte, faire Chance für SchuldnerInnen und ein wirklich herzeigbarer
Kompromiss, für dessen Herstellung er explizit den JustizsprecherInnen von SPÖ und ÖVP dankte. Mit
den vielen Interessen, die unterzubringen waren, wurde hier jeder Geruch von Klientelpolitik weit zurückgelassen,
zeigte sich der Minister erfreut, dass es noch zu dieser Novelle kommt.
Opposition bis auf Team Stronach zustimmend
Für Christoph Hagen vom Team Stronach spricht zwar einiges für die Änderungen, aber auch einiges
dagegen. Die nachteiligen Punkte haben nun doch überwogen, daher könne er nicht mit gutem Gewissen zustimmen.
Etwa zum Thema Entschuldung von Frauen sieht er ein Problem darin, dass ein Entschulden auch möglich ist,
wenn Alimente nicht bezahlt wurden. Auch diese Forderung würde dann gelöscht. Zudem gebe es im Vergleich
mit Insolvenzverfahren in der Schweiz und Deutschland dort ein Schuldenregister, in Österreich nicht. Am Ende
hätten außerdem die SteuerzahlerInnen die Rechnung zu begleichen, daher lehne er die Änderungen
ab, auch wenn es ihm für gewisse Menschen leid tue.
Schweren Herzens zustimmen konnte wiederum Gerald Loacker seitens NEOS. Hier kämen viele Interessen zusammen,
nämlich volkswirtschaftliche und die jeweiligen Interessen der SchuldnerInnen und GläubigerInnen. Kritisch
sieht Loacker, dass KonsumschuldnerInnen und unternehmerische SchuldnerInnen gleich behandelt werden – eine Kultur
des Scheiterns brauche es für letztere. Ansehen müsse man sich auch die Auswirkungen, wenn eine neue
Sorgfalt der GläubigerInnen bedeute, dass man schwerer Kredit bekommt.
FPÖ-Abgeordneter Hermann Brückl betonte, dass das Abschöpfungsverfahren nur ein letztes Auffangnetz
ist. Vorgelagert sei ein Zahlungsplan, wo die die GläubigerInnen entsprechend bedient werden. Das Gesetz schaffe
für Menschen, die sich überschuldet haben, klare Erleichterungen zur Bewältigung ihrer schwierigen
finanziellen Situation. Seine Fraktion stimme dem Vorschlag zu, weil Betroffene damit die Chance bekommen, wieder
in den Arbeitsprozess und in ein ordentliches Leben zurückzufinden. Kritisch sieht Brückl aber, wer die
entstehenden Kosten bezahlt. Von Unternehmen und Banken würden diese auf ordentlich zahlende Kunden umgewälzt,
ist dazu seine Befürchtung. Außerdem entstünden dem Steuerzahler Mehrkosten durch Schuldnerberatungen
und Verfahren.
Die neuen Regelungen bringen nur begrenzt Umverteilung, entgegnete Albert Steinhauser seitens der Grünen.
Das Hauptklientel seien Personen, die plötzlich in die Arbeitslosigkeit schlittern, in der Selbständigkeit
scheitern oder wenn nach einer Scheidung Schulden zurückbleiben. Er erinnerte etwa an Fremdwährungskredite,
die nicht gehalten, was sie versprochen hatten. Banken habe man gerettet, so Steinhauser, jetzt hole man die Hilfe
auch für die PrivatschuldnerInnen nach. Zugleich könnte eine neue Sorgfalt bei Gläubigern entstehen.
Insgesamt liege ein sehr sinnvoller Vorschlag vor, einen Neubeginn zu ermöglichen, samt Motivation, wieder
in das Wirtschaftsleben einzusteigen. Das alte System war ihm zufolge ein Bombengeschäft mit Zinsen, und die
Hauptprofiteure aus seiner Sicht Inkassobüros.
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