Beschluss mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Team Stronach, Bedenken von FPÖ,
Grünen und NEOS gegen "Staatsfeinde-Paragraph"
Wien (pk) - Der "Staatsfeinde-Paragraph", neue Tatbestände zum Schutz von Öffi-Bediensteten
vor tätlichen Angriffen sowie zur Ahndung sexueller Belästigung in einer Gruppe, aber auch die Ausweitung
des Katalogs der notwehrfähigen Güter auf die sexuelle Integrität sind die wesentlichen Punkte der
Strafgesetznovelle 2017, die am 28.06. vom Nationalrat mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und Team Stronach
beschlossen wurde. Neu im Sexualstrafrecht ist damit auch der Tatbestand der sexuellen Belästigung in einer
Gruppe, mit dem die Novelle dem in den Medien als "Antanzen" bezeichneten Phänomen der verabredeten
sexuellen Übergriffe gegen Frauen bei Massenveranstaltungen entgegenwirken will.
Während die Regierungsparteien und das Team Stronach die neuen Bestimmungen als Reaktion auf aktuelle kriminelle
Entwicklungen begrüßten, kritisierten FPÖ, Grüne und NEOS vor allem den Tatbestand betreffend
staatsfeindliche Bewegungen als überschießend und warnten vor Gesinnungsstrafrecht. Die Freiheitlichen
forderten überdies auch Strafverschärfungen für kriminelle AsylwerberInnen, eine separate Unterbringung
von radikalisierten Häftlingen, die Angleichung der Strafen für junge Erwachsene an jene von Erwachsenen
sowie eine statistische Erfassung der Kinderehen, konnten sich mit entsprechenden Anträgen allerdings nicht
durchsetzen.
Neue Tatbestände reagieren auf jüngste kriminelle Phänomene
Die Novelle will, wie seitens der Regierungsparteien betont wurde, mit ihren neuen Tatbeständen und Verschärfungen
im Sexualstrafrecht vor allem auf jüngste Entwicklungen im Bereich der Kriminalität reagieren. Im Mittelpunkt
steht dabei etwa der auch der so genannte "Staatsfeinde-Paragraph", der die Gründung von staatsfeindlichen
Bewegungen bzw. die führende Beteiligung daran sowie die Ausführung von staatsfeindlichen Handlungen
unter Strafe stellt. Strafrechtlicher Schutz vor Gewaltakten soll darüber hinaus in Zukunft den MitarbeiterInnen
öffentlicher Verkehrsmittel in Ausübung ihrer Tätigkeit zukommen. Verschärft wird das Strafausmaß
wiederum beim Delikt des tätlichen Angriffs auf Beamte. Neu im Sexualstrafrecht schließlich ist der
Tatbestand der sexuellen Belästigung in einer Gruppe - Stichwort "Antanzen". Eine wesentliche Änderung
bringt das Gesetz auch bei den Rechtfertigungsgründen, zumal nunmehr die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung
als notwehrfähiges Rechtsgut anerkannt wird. Notwehr ist somit auch zur Abwehr sexueller Gewalt zulässig.
Regierungsparteien und Team Stronach sehen viele Verbesserungen
ÖVP-Mandatarin Beatrix Karl qualifizierte die Novelle als maßvolle Reaktion auf unerwünschte Entwicklungen
im Bereich der Kriminalität und verteidigte vor allem den "Staatsfeinde-Paragraphen". Ziel der Bestimmung
sei es, einer weiteren Ausbreitung von Bewegungen, die den Staat und seine Strukturen ablehnen und behindern, entgegenzuwirken.
Gewaltfreier Protest, friedliche Demonstrationen sowie eine kritische Auseinandersetzung mit der Politik fallen
aber ausdrücklich nicht unter den Tatbestand, stellte sie klar. Ihr Fraktionskollege Nikolaus Berlakovich
begrüßte ebenso wie SPÖ-Abgeordneter Klaus Uwe Feichtinger die Ausweitung der Notwehr auf den Fall
der Verteidigung der sexuellen Integrität sowie die Verschärfung des Sexualstrafrechts bei sexueller
Belästigung in einer Gruppe.
SPÖ-Justizsprecher Johannes Jarolim zeigte sich ebenfalls überzeugt, dass mit den gegen Gruppen wie "Reichsbürger"
und "Freemen" eine substanzielle Verbesserung getroffen wurde, hätte sich aber eine breitere Zustimmung
dazu gewünscht. Harald Troch (S) betonte dazu, ein demokratischer Rechtsstaat dürfe sich sehr wohl gegen
Menschen wehren, die staatliche Institutionen ablehnen und deren Funktionsweise behindern. Mit Nachdruck unterstützte
er auch jene Tatbestände, die BeamtInnen und Bedienstete von öffentlichen Verkehrsmitteln gegen tätliche
Angriffe schützen sollen.
Zustimmung kam auch von Christoph Hagen (T), der in der Novelle eine Reihe von Verbesserungen erkennt und dabei
beispielsweise den neuen Paragraph des "Antanzens" hervorhob. Den Gerichten warf er allerdings vor, bei
Attacken von Ausländern gegen Beamte oft mit allzu großer Nachricht zu urteilen.
Schwere Bedenken von FPÖ, Grünen und NEOS gegen "Staatsfeinde-Paragraphen"
FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan begrüßte zwar die Ausweitung des Kreises der notwehrfähigen
Rechtsgüter auf die sexuelle Integrität sowie die Strafverschärfungen bei sexueller Belästigung
in einer Gruppe sowie bei Körperverletzung gegen Öffi-Bedienstete und BeamtInnen, meldete jedoch schwere
Bedenken gegen den "Staatsfeinde-Paragraphen" an. Der entsprechende Tatbestand sei äußerst
unklar formuliert, überhaupt könne man mit den bestehenden Strafbestimmungen das Auslangen finden, ohne
ins Gesinnungsstrafrecht zu gehen, argumentierte er.
Seitens der Grünen unterstützte auch Albert Steinhauser die Bestimmungen im Sexualstrafrecht sowie die
Ausweitung der Notwehrgründe, lehnte aber den "Staatsfeinde-Paragraph" vehement ab. Man brauche
kein auf einzelne Gruppen zugeschnitztes Strafrecht, zumal es schon jetzt eine Vielzahl von Tatbeständen gebe,
die gegen Reichsbürger und ähnliche Staatsfeinde angewendet werden können. Der Justizsprecher der
Grünen warnte mit Nachdruck vor einem Gesinnungsstrafrecht und gab zu bedenken, beim vorliegenden Paragraphen
würde schon allein die Einstellung zu Strafbarkeit führen. Ähnlich sah dies auch Nikolaus Scherak
(N), der den "Staatsfeinde-Paragraphen" als hochgefährlich bezeichnete und ebenfalls in die Nähe
des Gesinnungsstrafrechts rückte.
Brandstetter: "Staatsfeinde-Paragraph" kein Gesinnungsstrafrecht
Wir haben es uns beim "Staatsfeinde-Paragraphen nicht leicht gemacht", unterstrich Justizminister Wolfgang
Brandstetter. Wenn eine größere Gruppe von Personen den Staat in jeder Form ablehnt und die Durchsetzung
der Gesetze verhindert, dann bestehe aber dringender Handlungsbedarf. Für den Ressortchef handelt es sich
bei dem Tatbestand jedenfalls um mehr als Gesinnungsstrafrecht, zumal, wie er erklärte, der Paragraph auf
aktive Handlungen abstellt, durch die sich die Ablehnung und Behinderung des Staates manifestiert.
Kriminelle AsylwerberInnen, radikalisierte Häftlinge, Strafen für junge Erwachsene, Kinderehen: Keine
Mehrheit für FPÖ-Anliegen
Kein Gehör fand die FPÖ mit einer Reihe von Anträgen, die u.a. auch Probleme im Zusammenhang mit
dem Thema Migration aufgriffen. So forderte Walter Rosenkranz in einer Initiative schärfere Strafen für
kriminelle AsylwerberInnen. Seiner Meinung nach sollte der Missbrauch des Gastrechts als besonderer Erschwerungsgrund
gesehen werden.
Christian Lausch (F) wiederum plädierte für eine separate Unterbringung radikalisierter Häftlinge
in den Strafanstalten, um einer "Ansteckung" vorzubeugen. Gerade angesichts des Umstands, dass rund 250
Inhaftierte als Gefährder einzustufen sind, seien derartige Maßnahmen dringlich, gab er zu bedenken.
Justizminister Wolfgang Brandstetter versicherte, das Problem werde - auch durch Beiziehung externer ExpertInnen
- sehr ernst genommen, sein Ressort unternehme alles, um gegen Radikalisierung vorzugehen.
Die Angleichung der Strafobergrenzen für junge Erwachsene zwischen 18 und 21 an jene von Erwachsenen ist Anliegen
von Harald Stefan (F). Angesichts zahlreicher brutaler Verbrechen, die gerade in den letzten Monaten von jungen
Männern begangen worden waren, seien geringere Strafdrohungen, wie sie seit 2016 für diese Altersgruppe
gelten, nicht nachvollziehbar, argumentierte der Justizsprecher der FPÖ.
Philipp Schrangl (F) wiederum wies auf das im Zuge der Migrationsbewegung verstärkt auftretende Problem der
Kinderehen in Österreich hin und verlangte in einem Entschließungsantrag, der bei der Abstimmung aber
in der Minderheit blieb, eine statistische Erfassung jener Ehen, bei denen zumindest ein Ehegatte minderjährig
ist.
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