Alexander Van der Bellen in Prag:
 "Enge Verwandte sind nicht immer beste Freunde"

 

erstellt am
28. 06. 17
13:00 MEZ

Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der tschechische Präsident Milos Zeman betonten in der gemeinsamen Pressekonferenz trotz unterschiedlicher Ansichten die Gemeinsamkeiten
Prag/Wien (hofburg) - Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der tschechische Präsident Milos Zeman haben sich am 27.06. bei einem Treffen in Prag bemüht, trotz offensichtlicher unterschiedlicher Ansichten in vielen Bereichen die Gemeinsamkeiten zu betonen. "Wir sind enge Verwandte, und wie Sie wissen sind enge Verwandte nicht immer die besten Freunde", sagte Van der Bellen bei der gemeinsamen Pressekonferenz. "Aber insgesamt können wir uns aufeinander verlassen", fügt der Bundespräsident hinzu.

Am 27.06. empfing der gesundheitlich sichtlich angeschlagene tschechische Präsident Alexander Van der Bellen auf der Prager Burg. Im Gespräch hätten die beiden Politiker viele Themen gefunden, in denen sie übereinstimmen würden.

Keine Einigkeit gab es wie erwartet beim Thema Atomkraft. Aber dies sei "eines von ganz wenigen Themen, wo wir sagen: We agree to disagree" (Wir stimmen darüber ein, nicht einig zu sein, Anm.), betonte Alexander Van der Bellen. In Österreich gebe es den Konsens, dass Atomkraft keine Zukunft habe, "aber wir akzeptieren, dass dies eine Angelegenheit der nationale Souveränität ist", so der Bundespräsident.

Zeman warf Österreich vor, die Atomkraft aus einer privilegierten Position heraus zu kritisieren. "Wenn wir hier so viele Alpenflüsse hätten wie in Österreich, dann wäre ich vielleicht auch kein Freund der Atomkraft". Außerdem stellte der tschechische Präsident die Frage in den Raum, was passiert wäre, wenn die Volksabstimmung über das AKW Zwentendorf 1978 in Österreich anders ausgegangen wäre. "Dann würde hier heute vielleicht kein Grüner sitzen und es gebe jetzt in Österreich ein funktionierendes Kernkraftwerk", so Zeman. Tschechien plant den Ausbau der beiden grenznahen Atomkraftwerke Temelin und Dukovany.

Die beide Präsidenten lobten die guten Wirtschaftsbeziehungen und betonten die Wichtigkeit des Ausbaus der Verkehrsverbindungen zwischen Österreich und Tschechien. Dies sei einer der Punkt, wo man sich völlig einig sei, so Van der Bellen.

Der tschechische Präsident bemängelte die Asymmetrie in den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Tschechien und Österreich. Während 3.800 österreichische Unternehmen in Tschechien aktiv seien, gebe es nur 300 tschechische Unternehmen in Österreich. "Ich hoffe, dass wir das irgendwann einholen können", so Zeman. Van der Bellen pflichtete ihm bei.

Am Nachmittag nahm der Bundespräsident, der mit einer Wirtschaftsdelegation unter Führung von WKÖ-Vizechef Richard Schenz anreiste, dann an einem österreichisch-tschechischen Wirtschaftsforum teil.

Auf dem Wirtschaftsforum lobte Van der Bellen das gute Gespräch mit Zeman. "Präsident Zeman mag keine Grünen im Allgemeinen, aber er macht offenbar eine Ausnahme bei meiner Person", scherzte er. Er betonte, dass Tschechien für Österreich nach Deutschland und Italien der drittwichtigste Handelspartner innerhalb der EU sei. Angesichts des Fachkräftemangels in Tschechien, empfahl er dem Nachbarland, "das Migrationsthema vielleicht mehr unter dem ökonomischen Gesichtspunkt" zu betrachten.

Tschechien ist das letzte große Nachbarland, dass Van der Bellen im Rahmen seiner Antrittstour besucht hat. Diese Tatsache wurde im Vorfeld auch in tschechischen Medien vermerkt.

Seit seinem Amtsantritt im Jänner hat der Bundespräsident nach der Reihe die Schweiz, Deutschland, die Slowakei, Italien, Slowenien und Ungarn besucht. Außer Liechtenstein fehlte damit nur noch Tschechien. Eine Reise nach Liechtenstein ist laut Präsidentschaftskanzlei für Herbst geplant.

Große Aufmerksamkeit wurde in tschechischen Medien auch der Tatsache zuteil, dass der österreichische Bundespräsident mit dem Zug angereist kam. In den vergangenen Jahren war nur der mongolische Präsident Tsakhia Elbegdorj und Heinz Fischer im vergangenen Jahr zu offiziellen Besuchen per Bahn nach Tschechien gekommen, hieß es.

 

 

 

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