Die Nationalratspräsidentin lud zum Empfang ins Parlament anlässlich 25 Jahre Streitbeilegung
Bozen/Wien (pk) - "Südtirol ist heute ein Musterbeispiel gelebter Autonomie mit sprachlicher und
kultureller Sicherheit für die deutschsprachige und ladinische Bevölkerung. Es gilt weltweit als Vorbild
für Minderheitenschutz". Mit diesen Worten begrüßte Nationalratspräsidentin Doris Bures
am 28.06. zahlreiche Gäste – unter anderem Landeshauptmann a.D. Luis Durnwalder sowie den ehemaligen NR-Präsidenten
Andreas Khol - im Rahmen eines Empfangs, zu dem sie anlässlich des 25. Jahrestags der Streitbeilegung eingeladen
hat. Auch die Aktuelle Stunde im Plenum des Nationalrat war diesem Jubiläum gewidmet.
Am 5. Juni 1992 hat der Nationalrat aufgrund eines Berichts des damaligen Außenministers Alois Mock festgestellt,
dass Südtirol "in seinem ethnischen, kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Bestand gesichert"
ist. Die Bundesregierung unter Bundeskanzler Franz Vranitzky wurde ersucht, den seit 1960 bei den Vereinten Nationen
anhängigen Streit mit Italien über die Auslegung des Pariser Abkommens betreffend Südtirol beizulegen.
Daraufhin erklärte Österreich vor 25 Jahren, am 19. Juni 1992, den Streit in einer offiziellen Note an
die italienische Seite für beigelegt und überreichte diese Erklärung dem Generalsekretär der
Vereinten Nationen.
Das Thema Südtirol bleibe in Österreich auch ein Vierteljahrhundert nach dieser historischen Einigung
nicht nur eine Angelegenheit des Kopfes, sondern eine Herzensangelegenheit, sagte Bures. Südtirol sei kein
Anlass mehr für Konflikte zwischen Österreich und Italien, es verbinde beide Länder, so die Nationalratspräsidentin.
Dazu habe ganz entscheidend auch die Europäische Integration beigetragen, die unter anderem den Wegfall der
so symbolischen Grenze zwischen Österreich und Südtirol gebracht hat. Österreich werde im Zeichen
seiner Schutzfunktion auch in Zukunft ein verlässlicher und engagierter Partner Südtirols bleiben, versicherte
Bures.
"Gemeinsam haben wir es geschafft", replizierte der ehemalige Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder.
In dem langen und schwierigen Prozess haben alle mitgespielt: Demokraten in Italien, die Südtiroler Bevölkerung
und Österreich, das immer auf der Seite des Landes gestanden sei. Autonomie sei nie fertig, betonte Durnwalder,
sie müsse immer angepasst werden.
Das Südtirol-Paket
Der Konflikt um Südtirol zwischen Österreich und Italien entzündete sich am Schutz der deutsch-
und ladinischsprachigen Bevölkerung in Südtirol. Nachdem 1946 die österreichische Forderung nach
einer Volksabstimmung in Südtirol von den Westmächten endgültig abgelehnt worden war, kam es in
Paris zwischen den Außenministern Karl Gruber und Alcide De Gasperi zur Unterzeichnung eines Schutzabkommens.
Das erste Autonomiestatut wurde 1948 erlassen, Südtirol wurde mit dem Trentino zusammengefasst. In der Folge
kam es zu Protestkundgebungen und ersten unblutigen Anschlägen. Im Jahr 1960 intervenierte der damalige Außenminister
Bruno Kreisky zum ersten Mal bei der UNO. Nachdem der Konflikt nicht beigelegt werden konnte und es zu weiteren
Anschlägen kam, rückte die Südtirol-Frage auch international in den Mittelpunkt des Interesses.
1969 kam es dann zur Unterzeichnung des so genannten Südtirol-Pakets, das 1972 in Kraft trat und Italien verpflichtete,
die gesetzlichen Voraussetzungen für die Autonomie Südtirols zu schaffen. Am 30. Jänner 1992 erklärte
der damalige italienische Ministerpräsident Giulio Andreotti das Südtirol-Paket für erfüllt
und sicherte im Parlament zu, dass Änderungen nur mit Zustimmung der Südtiroler erfolgen dürften.
Daraufhin folgte am 11. Juni 1992 der formelle Abschluss der Südtirol-Verhandlungen. Am 19. Juni 1992 haben
schließlich Österreich und Italien den Streit vor der UNO in New York beigelegt. Österreich betont,
dass die auf dem Gruber-De Gasperi-Abkommen fußende Schutzmachtfunktion aufrecht bleibe.
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