London/St. Pölten (nöwpd) - Der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU wirft für
Österreichs Lackindustrie viele Fragen auf: Einerseits könnten Rohstofflieferanten wegfallen und andererseits
wäre ein Export mit großen Hürden verbunden. „Einige Lackerzeuger kaufen schon Firmen in Großbritannien,
mit denen sie künftig den englischen Markt bedienen können“, teilt Hubert Culik, Obmann der österreichischen
Lackindustrie in der Wirtschaftskammer dem NÖ Wirtschaftspressedienst mit. Er spricht sich für einen
pragmatischen Lösungsansatz bei der Chemikalienregulierung aus, die über die EU-Verordnung REACH abgewickelt
wird, und warnt vor teuren Doppelgleisigkeiten.
Sorgen bereitet Culik auch das Thema Rohstoffverfügbarkeit, insbesondere die des Titandioxid, das auf Grund
eines fragwürdigen Versuches aus den 1980er Jahren von der EU als vermutlich krebserregend eingestuft worden
war. Für die Lackindustrie ist diese Beurteilung nicht nachvollziehbar, da dieser Stoff seit rund 100 Jahren
kommerziell eingesetzt wird und weil in diesem Zeitraum Krebserkrankungen nicht verborgen geblieben wären.
„Wir brauchen auf jeden Fall Zeit, um brauchbare Alternativen zu entwickeln“, fordert der Obmann.
Kopfschütteln löst bei Culik auch das geplante Verbot von Bioziden in Lacken aus: „Sollen wir jetzt die
Lacke in Kühlwagen liefern, und die Konsumenten müssen sie dann im Kühlschrank aufbewahren?“, fragt
er. „Wir gehen mit Bioziden bewusst und nachhaltig um, und gerade wasserbasierte Lacke kommen so arg in Bedrängnis
im Gegensatz zu jenen, die Lösungsmittel basiert sind.“
Als erfreulich betont Culik, dass die Ausbildung zum „Lack- und Anstrichmitteltechniker“ gut angenommen wird und,
dass als nächster Schritt auch im Sinne einer weiteren Perspektive für Lehrlinge ein Fachhochschullehrgang
Lack- und Beschichtungstechniker eingerichtet werden soll, an dem sich auch die Lackindustrie finanziell beteiligen
werde. Denn es gäbe einen zusätzlichen Bedarf von 30 bis 50 akademisch ausgebildeten Fachkräften,
die auch in anderen Industriezweigen sehr gute Berufschancen hätten.
Um die heimische Lackindustrie nachhaltig zu stärken und hochqualifizierte Arbeitsplätze zu sichern,
hat die Branche einen Forderungskatalog zusammengestellt. Er sieht risikobasierten Ansatz bei Verboten und Beschränkungen
vor, weniger Bürokratie, Vollzug mit Augenmaß, planbare rechtliche Rahmenbedingungen und nicht zuletzt
ein grundsätzliches Bekenntnis zum Industriestandort Österreich.
2016 ist für die österreichische Lackindustrie mit ihren 27 Unternehmen ein erfolgreiches Geschäftsjahr
gewesen: Ihr Umsatz stieg um 3,1 Prozent auf 434 Millionen Euro, die produzierte Menge Lack- und Anstrichmittel
belief sich auf 161.000 Tonnen. In Österreich beschäftigt dieser Industriezweig rund 3.000 Mitarbeiter.
Die acht niederösterreichischen Betriebe dieses Industriezweiges, die 500 Mitarbeiter und 17 Lehrlinge beschäftigen,
erzielten einen Umsatz von 186 Millionen Euro. Für 2017 erwartet man ähnlich gute Zahlen.
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