Salzburg (sf) - Wer hier der Regisseur und wer der Dirigent ist, das hinterfragen Peter Sellars und Teodor Currentzis
selbst öfter mal, wie Peter Sellars beim TerrassenTalk zur Eröffnungsoper La clemenza di Tito verrät.
„Es ist wundervoll mit Teodor zu arbeiten, und ihn zu beobachten, wie er nicht nur im Orchestergraben, sondern
auch auf der Bühne eingreift“, sagt Regisseur Peter Sellars. „Wir arbeiten von der ersten Probe an sehr eng
zusammen, wir haben dasselbe Ziel: die musikalische und die theatralische Dimension zusammenzubringen.“ Und auch
der Dirigent spart nicht mit Lob über Peter Sellars. „Ich bin sehr glücklich mit dieser Zusammenarbeit.
Peter ist jemand, der keine Show auf der Bühne kreiert, sondern etwas Echtes“, sagt der Dirigent. Den beiden
geht es darum, den Subtext von Mozart auszumachen. Und beide sind in ihrer Arbeit sehr genau. So genau, sagt Peter
Sellars, dass man die Sänger um 4 Uhr in der Nacht aufwecken könnte, und sie sofort die entsprechende
Stelle der Oper perfekt interpretieren könnten. „Teodor probt eine einzige Phrase manchmal 20 mal hintereinander,
ehe er zufrieden ist“, sagt Sellars. Das sei natürlich unglaublich anstrengend für die Sänger, aber
dieser „musikalische Röntgenblick“ sei eben auch nötig, um Mozart richtig zu erfassen. Mozart sei perfekte
Fahrstuhlmusik, sagt Peter Sellars, das sei eine große Gefahr. Man müsse seine Musik vor dem Kitsch
bewahren. Unter dieser „schokoladigen“ Oberfläche verberge sich Grausamkeit, Wahnsinn, Mozart stelle mit seiner
Musik die tiefsten Fragen des Lebens. Aber Mozart benutze eben nie eine grobe Sprache, um diese zu stellen. Und
Teodor Currentzis sei einer, der es vermag beide Facetten der Musik herauszufiltern.
Worum geht es also in dieser späten Mozartoper, fragt Dramaturg und Moderator des Talks Antonio Cuenca Ruiz.
– Mit der Leitfigur des Titus sei es so eine eigentümliche Sache, sagt Regisseur Peter Sellars. Er habe entsetzliche
Verbrechen begangen und sei für viel Zerstörung verantwortlich. Gab es etwa ein Essen in seinem Haus,
war es Tradition eine Person zu töten vor dem ersten Gang. Aber, und das sei auch für die Oper das Wichtige:
Sobald er Kaiser wurde, änderte sich Titus. Es wurde niemand mehr exekutiert, er spendete sogar sein eigenes
Geld nach den großen Bränden in Rom und unterstützte finanziell die medizinische Versorgung während
der Pest. Und in La clemenza di Tito gehe es eben um jene Veränderung, jene persönliche Transformation.
Mozart habe nur wenig Zeit gehabt, diese Oper zu schreiben. Mitte Juli habe er den Auftrag bekommen und am 5. September
sollte die Uraufführung stattfinden. „Er hatte also gar keine Zeit, eine neue Oper zu schreiben“, sagt Peter
Sellars. So kam es, dass einige Rezitative von Mozarts Schüler Franz Xaver Süßmayr geschrieben
wurden. „Unser erster Schritt in Richtung einer echten Mozartoper war es, sich dieser Rezitative zu entledigen“,
sagt Peter Sellars. In einem zweiten Schritt schauten sich die beiden das originale Libretto von Metastasio an.
„Uns ist die Wendung aufgefallen nach dem ersten Akt – der Kaiser wurde ermordet und der zweite Akt beginnt mit
der Auflösung, dass es gar nicht der Kaiser, sondern eine andere Person war, die getötet wurde“, sagt
Peter Sellars. Es sei keine Zeit für Trauer. „Wir haben uns entschieden, dort Musik aus Mozarts c-moll-Messe
zu ergänzen. Wir wollen damit spirituelle Momente hinzufügen“, sagt der Regisseur. Es solle so eine Zeremonie
abgehalten werden, um den Tod eines Menschen gebührend zu betrauern. „Ich muss dabei unweigerlich an die Anschläge
der letzten zwei Jahre denken und daran, wie die Menschen in Brüssel, in Paris oder in Manchester auf die
Straße gehen mit Blumen und Kerzen. Sie antworten nicht mit Hass auf diese Taten – sie antworten mit Liebe.“
Dirigent Teodor Currentzis ergänzt: „Alles, was wir hier an Musik ergänzen, tun wir mit dem größtmöglichen
Respekt, mit der größtmöglichen Liebe dem Komponisten gegenüber.“ Versöhnen und Vergebung,
das sei am Ende das Thema der Oper.
Wolfgang A. Mozart La clemenza di Tito
Opera seria in zwei Akten KV 621 (1791)
Libretto von Caterino Tommaso Mazzolà nach dem gleichnamigen Libretto (1734) von Pietro Metastasio
Neuinszenierung
In italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln
Koproduktion mit De Nationale Opera, Amsterdam, und der Deutschen Oper Berlin
Teodor Currentzis, Musikalische Leitung
Peter Sellars, Regie
George Tsypin, Bühne
Robby Duiveman, Kostüme
James F. Ingalls, Licht
Antonio Cuenca Ruiz, Dramaturgie
Russell Thomas, Tito Vespasiano
Golda Schultz, Vitellia
Christina Gansch, Servilia
Marianne Crebassa, Sesto
Jeanine De Bique, Annio
Willard White, Publio
musicAeterna Choir
Vitaly Polonsky, Choreinstudierung
musicAeterna
Orchester-Sponsor NOVATEK
Produktions-Sponsor SOLWAY INVESTMENT GROUP
Premiere: 27. Juli, 18.30 Uhr
Weitere Vorstellungen: 30. Juli, 4., 13., 17., 19. und 21. August 2017
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