Auskunftsrechte der Kommission gegenüber Unternehmen: Bundesrat mahnt Datenschutz ein
und warnt vor Belastungen der KMU
Brüssel/Wien (pk) - Mit einer kritischen Mitteilung an die Kommission reagierte der EU-Ausschuss des
Bundesrats - wie in seiner Sitzung am 21.06. angekündigt – am 05.07. auf den Verordnungsvorschlag der EU hinsichtlich
der Möglichkeit für die Kommission, direkt an Unternehmen Auskunftsersuchen zu richten. Die Mitteilung
wurde von ÖVP, SPÖ und FPÖ unterstützt. Der Ausschuss lehnte die Vorlage zwar nicht grundsätzlich
ab, äußerte jedoch einige Bedenken und drängte auf Präzisierungen. Auch in der Diskussion
anerkannte man durchaus positive Auswirkungen auf die Durchsetzung des Binnenmarkts und fairer Wettbewerbsbedingungen
sowie auf Konsumentenrechte, Bedenken wurden aber vor allem hinsichtlich des Datenschutzes geäußert.
Auch drängt man darauf, die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) nicht zu belasten. Einige Bundesräte
äußerten Sorge, dass trotz allem die großen Konzerne nicht belangt werden.
Der Vorschlag zielt eindeutig auf Großunternehmen ab, betonte man seitens des Wirtschaftsministeriums, man
sei aber offen für Verhandlungen, jedoch mit einer "gesunden Dosis Skepsis". Vor allem sei der von
der Kommission angesprochene Mehrwert zu hinterfragen.
Die Pläne der Kommission
Um die Durchsetzung der Vorschriften für den Binnenmarkt besser gewährleisten zu können, drängt
die Kommission nämlich darauf, gezielte, aktuelle, umfassende und verlässliche Informationen (etwa zur
Kostenstruktur, zur Preispolitik oder zum verkauften Produktvolumen) direkt von ausgewählten Marktteilnehmern
einholen zu können. Die Kommission unterstreicht, dass dies nur als ultima ratio eingesetzt werde, sollten
alle anderen Maßnahmen zur Einholung wesentlicher Auskünfte fehlschlagen. Auch werde die Vertraulichkeit
der Daten geschützt, versichert man und legt in der genannten Verordnung inhaltliche und verfahrensrechtliche
Bedingungen fest, unter denen die Kommission Auskünfte von Unternehmen einholen kann.
Ausnahmen soll es für Kleinstunternehmen geben – Unternehmen, die weniger als zehn MitarbeiterInnen haben
und einen Jahresumsatz von maximal 2 Mio. erzielen bzw. deren Jahresbilanzsumme maximal 2 Mio. € beträgt.
Kleine und mittlere Betriebe (KMU) könnten von Anfragen betroffen sein, das Wirtschaftsministerium hält
dies jedoch eher für unwahrscheinlich, zumal die Kommission hier strikt an das Prinzip der Verhältnismäßigkeit
gebunden sei.
Das Wirtschaftsressort merkt dazu an, dass die Kommission Informationen direkt von Unternehmen einholen könnte,
ohne dass die Mitgliedstaaten in das Auskunftsverfahren voll eingebunden wären. Vorgesehen sei lediglich eine
Vorausinformation mittels Beschluss der Kommission. Damit würde die primärrechtlich festgelegte Zuständigkeit
zwischen der Union und ihren Mitgliedsländern übergangen, heißt es in der Information des Ministeriums,
auch wäre im Sinne des Subsidiaritätsprinzips eine geeignete Miteinbeziehung der Mitgliedstaaten sicherzustellen.
Auch befürchtet man einen zusätzlichen Verwaltungs- und Bürokratieaufwand. Positiv gesehen wird
die Tatsache, dass Kleinstunternehmen von der Verordnung ausgenommen sein sollen und auch die KMU im Idealfall
nicht vom Auskunftsersuchen umfasst wären.
EU-Ausschuss sieht Licht und Schatten
Wie der Mitteilung an die Kommission, den Rat und das EU-Parlament zu entnehmen ist, sehen die Ausschussmitglieder
im Verordnungsvorschlag sowohl Licht als auch Schatten. So betont der EU-Ausschuss, dass diese Initiative weiterhin
nur die äußerste Maßnahme bleiben müsse. Die Bundesrätinnen und Bundesräte anerkennen
durchaus, dass es im Verbraucherschutz mit Hilfe der Durchsetzung von Auskünften Verbesserungen geben kann
– etwa bei Preisdiskriminierung aufgrund des Wohnsitzes oder auch bei Geoblocking. Mit dem Binnenmarkt-Informationstool
(SMIT) würde man zum Beispiel die Möglichkeit schaffen, direkt bei Unternehmen Informationen über
die Kostenstruktur, Preisgestaltung, Gewinne oder Arbeitsverträge anzufordern, wird positiv vermerkt. Begrüßt
wird zudem die Ausnahme von Kleinstunternehmen.
Zugleich beharren die Ausschussmitglieder darauf, dass die Auskunftsersuchen der Kommission nur Informationen umfassen
sollen, die den betroffenen Unternehmen oder den betroffenen Unternehmensvereinigungen wahrscheinlich zur Verfügung
stehen, um die Kosten und den Verwaltungsaufwand möglichst gering zu halten.
Der Mehrwert dieses Vorhabens sollte daher präziser dargestellt werden, wird in der Mitteilung festgehalten.
Ferner sind die LändervertreterInnen dagegen, Kleinunternehmen zur Übermittlung von Daten heranzuziehen.
Für KMUs gelte, dass die Kommission den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebührend zu
berücksichtigen hat und ihnen keine zusätzlichen Kosten durch die Datenerhebung für die Beantwortung
eines über das Instrument gestellten Ersuchens entstehen, halten sie fest. Was die Geldbußen und Zwangsgelder
betrifft, die die Kommission verhängen kann, wenn Unternehmen bzw. Unternehmensvereinigungen im Zusammenhang
mit Auskunftsersuchen der Kommission vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige, unvollständige
oder irreführende Angaben machen oder die Angaben nicht innerhalb der gesetzten Frist übermitteln, so
erinnert der Bundesrat an die klare Zuständigkeitsaufteilung im Rahmen der Bestimmungen zum EU-Binnenmarkt.
Bundesrat mahnt zur Vorsicht
Diese differenzierte Beurteilung zeigte sich auch in der Diskussion. So bewertete etwa Stefan Schennach (S/W),
dass offensichtlich das Ministerium nicht grundsätzlich gegen den Verordnungsvorschlag ist, sondern dazu einige
Anmerkungen hat. Die direkten Auskunftsrechte sollen nur eine ultima ratio darstellen und könnten sich positiv
auf den Konsumentenschutz auswirken, sagte Schennach. Der Binnenmarkt könne nur funktionieren, wenn die Kommission
zeitgerecht über verlässliche Daten verfügt. Für den Fall, dass Marktteilnehmer ihrer Auskunftspflicht
nicht nachkommen, sei es notwendig einzugreifen. Schennach räumte aber ein, dass bei den KMU auf jeden Fall
die Verhältnismäßigkeit Platz greifen müsse. In die selbe Kerbe schlug Wolfgang Beer (S/W),
der die Sorge in den Raum stellte, dass KMU doch betroffen sein könnten, weil man an die großen Konzerne
nicht herankomme. Auch Bernhard Rösch (F/W) sieht aus Sicht der Freiheitlichen die Gefahr größer
als den Nutzen und befürchtet, dass kleine Player gegenüber den größeren benachteiligt werden
könnten.
Die Arbeiterkammer hält die Grundausrichtung des Rechtsakts in Anbetracht bestehender unfairer Wettbewerbsverhältnisse
– etwa Lohndumping – für sinnvoll, auch wenn das Rechtstreue-Paket die Probleme nicht lösen werde. Die
Kommission müsse aber in der Lage sein, bei der Gewährleistung des fairen Binnenmarkts als Akteur mitzuspielen.
Was die Bedenken gegen die Verhängung von Zwangsgeldern betrifft, so bedürfe es eines doppelten Beschlusses,
gab der Arbeitnehmervertreter zu bedenken, nachdem sich Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) diesbezüglich
skeptisch geäußert hatte. Was das Prozedere betrifft, so würden die Mitgliedstaaten bei einem Auskunftsbegehren
informiert, betonte man seitens des Ministeriums. Es gehe vor allem um die schwarzen Schafe. Selbstverständlich
müsse der Rechtsschutz für jene Unternehmen, die ihre Pflichten erfüllen, gewahrt werden.
Ablehnung kam von der Wirtschaftskammer, die kritisiert, dass nicht einmal individuelles Fehlverhalten Voraussetzung
für ein Auskunftsbegehren ist. Das greife tief in die Souveränität der Mitgliedsstaaten ein. Das
sieht auch Sonja Zwazl (V/N) so, die es für nicht in Ordnung hält, wenn die Kommission Auskünfte
von Unternehmen ohne Einbindung der Mitgliedsstaaten einhebt.
Die Kommission könnte die Auskünfte dazu verwenden, um den Markt zu steuern, äußerte Monika
Mühlwerth (F/W) ihre Skepsis, die auch Ferdinand Tiefnig (V/O) teilte. Er hegte auch große Bedenken
in Bezug auf den Datenschutz, zumal Unternehmen immer mehr von Hackern bedroht werden. Dazu warf die Vertreterin
der Wirtschaftskammer kritisch ein, dass die Kommission entscheidet, was als vertraulich anzusehen ist und was
nicht. Es gehe darum, dass die Kommission Informationen zeitnahe hält, entgegnete der Beamte des Wirtschaftsresorts,
die Kommission müsse auch darlegen, warum sie Auskünfte direkt einholen möchte. Betriebsgeheimnisse
müssen auf jeden Fall gewahrt werden, unterstrich er und betonte, dass die Unternehmen nur jene Informationen
weitergeben müssen, die sie ohnehin zur Verfügung haben, in erster Linie statistische Daten. Das Ministerium
werde sich auf alle Fälle dafür einsetzen, dass der Datenschutz präziser formuliert wird. Das könnte
man auch erheben, wenn man die Daten der Statistik Austria und der Nationalbank besser mit der Kommission verbindet,
meinte dazu der Vertreter der Landwirtschaftskammer, der den Verordnungsentwurf ebenfalls ablehnend gegenüber
steht.
Auch die ArbeitnehmerInnen seien von den Daten betroffen, machte Bernhard Rösch (F/W) aufmerksam, sie müssten
informiert werden, wenn es zur Datenabfrage kommt. Länder zu zwingen, durch direkte Abfragen zu einem einheitlichen
Wirtschaftssystem beizutragen, dafür ist der Datenschutz zu schade, stellte er fest.
Die Erfahrungen mit der Kommission aus dem Wettbewerbsrecht seien positiv, bekräftigte der Experte der Arbeiterkammer,
bislang habe es keine Missbrauchsfälle gegeben. Er bekräftigte nochmals seine positive Einschätzung
des Entwurfs in Hinblick auf die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen. Er hält es für notwendig, die
Kommission dafür zu gewinnen, faire Bedingungen im Binnenmarkt sicherzustellen.
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