Wien (universität) - Auf dem Kopf stehende Gesichter werden als schöner wahrgenommen als aufrechtstehende.
Und: Je weniger schön ein Gesicht ist, desto mehr profitiert es von der Drehung, wird also subjektiv als schöner
empfunden. Warum das so ist und was uns dieser Effekt über unsere mentale Verarbeitung verrät, haben
PsychologInnen um Helmut Leder und Jürgen Goller von der Universität Wien untersucht.
Das Universum unterscheidet grundsätzlich nicht zwischen oben und unten; ganz im Gegenteil zu uns Menschen,
für die diese Unterscheidung zu den selbstverständlichsten Dingen des Alltags zählt. Oben und unten
sind als Kategorien der Orientierungshilfe so essentiell, dass sie auch in unserer Wahrnehmung und unserem Gehirn
ihre Spuren hinterlassen haben. Vor allem die visuelle Wahrnehmung und ihre mentale Verarbeitung haben sich im
Zuge der Evolution auf diesen Oben-und-Unten-Modus eingespielt. "Wenn Dinge plötzlich auf dem Kopf stehen,
ist dadurch unsere Wahrnehmung erheblich gestört", erklärt Jürgen Goller vom Institut für
Psychologische Grundlagenforschung der Universität Wien. Dies lässt sich eindrucksvoll an Hand von Gesichtern
illustrieren: Wird das Bild einer Person umgedreht, fällt es wesentlich schwerer, die Person wiederzuerkennen
oder ihren Gesichtsausdruck einzuschätzen. Die psychologische Grundlagenforschung macht sich diesen sogenannten
Inversionseffekt schon länger zunutze, um dadurch Prozesse der alltäglichen Wahrnehmung besser zu verstehen.
Gesichter gehören für uns Menschen zu den wichtigsten Kategorien der visuellen Wahrnehmung. Sie lassen
uns Personen leichter wiedererkennen und erlauben es, eine ganze Menge über unbekannte Personen in Erfahrung
zu bringen. So lassen uns Gesichter etwa das Geschlecht und das Alter abschätzen oder etwas über die
Vertrauenswürdigkeit und die Persönlichkeit der Person aussagen. Der Gesichtsausdruck verrät uns
darüber hinaus etwas über den emotionalen Zustand und die Absichten der Person. Zudem können wir
mühelos einschätzen, ob wir Gesichter für mehr oder weniger schön halten. So selbstverständlich
uns Menschen diese Dinge erscheinen mögen, so spannend und rätselhaft präsentieren sie sich der
wissenschaftlichen Forschung. Die psychologische Grundlagenforschung versucht zu verstehen, wie diese Prozesse
mental funktionieren und warum sie sich überhaupt entwickelt haben.
Wie Schönheit von Gesichtern mental verarbeitet wird
WissenschafterInnen an der Universität Wien rund um den Psychologen Helmut Leder haben untersucht, wie
die mentale Verarbeitung der Schönheit von Gesichtern funktionieren könnte. Dazu haben sie Bilder von
weiblichen und männlichen Gesichtern entweder aufrecht oder auf dem Kopf stehend präsentiert. Freiwillige
StudienteilnehmerInnen wurden schließlich gebeten, die Schönheit der jeweiligen Gesichter einzuschätzen.
Die Ergebnisse zeichnen ein klares Bild: Auf dem Kopf stehende Gesichter wurden deutlich schöner eingeschätzt
als aufrechte Gesichter. Allerdings war dieser Unterschied generell von der Schönheit der Gesichter abhängig:
Je weniger schön ein Gesicht von den ProbandInnen wahrgenommen wurde, desto mehr profitierte es durch die
Drehung.
Diese beiden Ergebnisse sind ein bedeutendes Puzzleteil im Verständnis, wie die Schönheit von Gesichtern
mental bewertet wird. Als Grundlage werden interne, mentale Abbildungen herangezogen, also Prototypen schöner
Gesichter. "Menschen haben subjektive Vorstellungen davon, was die Schönheit eines Gesichtes ausmacht.
Diese internen Prototypen werden bei der Bewertung von Gesichtern aktiv und als Vergleichsschablone herangezogen",
erklärt der Psychologe Helmut Leder. Für jedes Element, das von diesen Schablonen abweicht, verringert
sich die Einschätzung der Schönheit des jeweiligen Gesichtes.
"Dieser Mechanismus läuft nicht unbedingt bewusst ab, sondern ist unentwegt am Arbeiten, wenn wir
mit anderen Menschen interagieren", so Jürgen Goller. Damit haben die WissenschafterInnen einen ersten
Schritt hin zu einem konkreten mentalen Modell gemacht.
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