Zusammenhang zwischen der Häufigkeit von Archaeen auf der Haut mit dem Alter und der Hauttrockenheit
entdeckt
Graz (meduni) - Auf unserer Haut lebt eine Vielzahl bestens angepasster Mikroorganismen, wie beispielsweise
Bakterien, Pilze, Viren und Archaeen. Die Zusammensetzung dieses Hautmikrobioms unterscheidet sich von Mensch zu
Mensch teilweise stark und hängt unter anderem von der Körperregion, dem Alter, den Erbanlagen sowie
dem Lebensstil ab. Gemeinsam mit KollegInnen vom Lawrence Berkeley National Laboratory, Kalifornien, USA haben
WissenschafterInnen der Med Uni Graz nun herausgefunden, dass insbesondere die ungewöhnlichen Archaeen die
Feuchtigkeit und das Alter der Haut anzeigen. Die Forschungsergebnisse wurden jüngst im renommierten Journal
"Nature Scientific Reports" veröffentlicht.
Archaeen: Ungewöhnliche Mikroorganismen als tägliche Begleiter
Die Kosmetikindustrie bringt immer wieder neue Produkte auf den Markt, die den Feuchtigkeitsgehalt der Haut optimieren
und dadurch für ein frisches und jugendliches Aussehen sorgen sollen - vielleicht liegt der Schlüssel
dafür aber im Hautmikrobiom. WissenschafterInnen der Medizinischen Universität Graz rund um Univ.-Prof.
Dr. Christine Moissl-Eichinger, Professorin für Interaktive Mikrobiomforschung an der Med Uni Graz sowie KollegInnen
des Berkeley National Laboratory, California, USA, haben unter der Leitung von Christine Moissl-Eichinger im Rahmen
einer Studie erforscht, wie die Häufigkeit von Archaeen auf der Haut mit dem Alter der ProbandInnen zusammenhängt
und den Feuchtigkeitsgehalt der Haut bestimmt. "Das Hautmikrobiom ist stark von Bakterien dominiert",
wie Hoi-Ying Holman, Direktorin des Berkeley Synchrotron Infrared Structural Biology Imaging Program berichtet.
Aber nicht nur Bakterien, sondern viele andere Arten von Kleinstlebewesen bevölkern unsere Haut. Auch eine
ganz besondere Gruppe von Mikroorganismen, die sogenannten Archaeen, sind auf der Haut zu finden. Viele Vertreter
dieser Mikrobengruppe sind in extremen Lebensräumen zu finden, wie vulkanischen Quellen, Tiefseequellen und
anderen unwirtlichen Gebieten.
Archaeen- Ein Spiegel des Hautalters und der Feuchtigkeit?
"Im Rahmen unserer Untersuchungen haben wir auf chemischer und genetischer Ebene Proben der StudienteilnehmerInnen
untersucht", fasst Christine Moissl-Eichinger zusammen. Das Alter der ProbandInnen variierte von einem bis
zu 75 Jahren. Eine erstaunliche Entdeckung der WissenschafterInnen ist, dass vor allem Kinder (unter 12 Jahren)
und ältere Personen (über 60 Jahre) besonders viele Archaeen auf ihrer Haut aufweisen - und zwar fünf-
bis achtfach mehr als ProbandInnen im mittleren Alter. Die Proben wurden dabei von der Brust genommen. Die Variation
der gefundenen Archaeen war unerwartet hoch.
"Bis vor sechs Jahren wussten wir praktisch gar nicht, dass Archaeen überhaupt auf der Haut leben, da
sie im Gegensatz zu Bakterien nicht so leicht nachzuweisen sind. Nun wissen wir, dass sie einen beträchtlichen
Teil des Hautmikrobioms darstellen und eine wichtige Rolle spielen", so Christine Moissl-Eichinger weiter.
In weiterer Kooperation mit KollegInnen aus Regensburg und Triest wurde der Fingerabdruck des Hautmikrobioms eingehend
untersucht. Dabei stellten die WissenschafterInnen einen Zusammenhang der Dichte der Archaeen mit dem Alter und
dem Feuchtigkeitsgehalt der Haut fest. Geschlechtsspezifischen Unterschiede konnten nicht festgestellt werden.
"In unserer interdisziplinären Zusammenarbeit wurden genetische Methoden mit Infrarotspektroskopie kombiniert
und die Ergebnisse dermatologisch interpretiert", berichtet Christine Moissl-Eichinger.
Vom Weltraum zum Hautmikrobiom
Ihren Ursprung fand die Studie in den Analysen der NASA und ESA zur möglichen Kontamination von Raumfahrzeugen
auf dem Weg zum Mars. Dabei fanden die ForscherInnen in den Reinräumen unerwarteterweise größere
Mengen der sogenannten Thaumarchaeota, eine Gruppe der Archaeen, die als Stickstoff-konvertierend bekannt ist und
im Boden und Wasser vorkommt. "Unser erster Gedanke war, dass die Thaumarchaeota von der äußeren
Umgebung in die Reinräume gelangten. Aber nachdem wir sie auch in PatientInnenzimmern und Intensivstationen
von Krankenhäusern gefunden hatten, vermuteten wir eher eine Verbindung mit dem menschlichen Mikrobiom. Inzwischen
wissen wir aber, dass jeder Mensch diese Archaeen auf der Haut trägt, wie uns eine Pilotstudie bestätigte",
so Christine Moissl-Eichinger weiter.
"In unserer nun publizierten Folgestudien untersuchten wir insbesondere die Menge und Diversität der
Archaeen auf der menschlichen Haut", so die Wissenschafterin. Am häufigsten waren insgesamt die Thaumarchaeota
zu finden. "Uns ist bekannt, dass Thaumarchaeota Ammonium oxidieren können, was bedeutet, dass sie eventuell
eine Rolle im Umsatz von Stickstoffkomponenten der Haut, wie etwa Harnstoff, spielen könnten", sagt Christine
Moissl-Eichinger.
Wie Untersuchungen von Univ.-Prof. Dr. Peter Wolf an der Med Uni Graz zeigten, kann die archaeelle Dichte mit Hauttrockenheit
in Verbindung gebracht werden. So haben Personen im mittleren Alter eine höhere Talgproduktion und damit auch
eine feuchtere Haut, als Personen über dem 60. Lebensjahr. Zusätzlich könnten Archaeen auf der Haut
für die Anpassung des pH-Wertes zu einem sauren Wert hin verantwortlich sein. "Ein saurer pH-Wert ist
mit einer geringeren Infektionsanfälligkeit assoziiert", erklärt die Expertin den gesundheitsförderlichen
Aspekt.
Physiologische Rolle der Hautarchaeen im Fokus der Forschung
Bodenbakterien mit den gleichen Fähigkeiten werden bereits als Hautprobiotika eingesetzt und verbessern vermutlich
Hautfeuchtigkeit und sogar unangenehme Körpergerüche. Aber, die klinische Relevanz der Thaumarchaeota
bleibt unklar und muss weiterhin untersucht werden.
"In Zukunft würden wir gerne die physiologische Rolle der Hautarchaeen untersuchen und verstehen, wie
sie sich von den Umweltarchaeen unterscheiden. Wir würden gerne herausfinden, welche Nischen sie im menschlichen
Körper aufsuchen und natürlich möchten wir herausfinden, ob sie in pathogene Prozesse involviert
sind, wie zB. Neurodermitis oder Schuppenflechte. Bislang gibt es keine Hinweise für einen pathogenen Charakter
von Archaeen", blickt Christine Moissl-Eichinger in die Zukunft.
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