Berechnungen der TU Wien und der Uni Würzburg zeichnen ein neues Bild des Erdmagnetfelds:
Mit Eisen alleine lässt sich der Geo-Dynamo nicht erklären. Eine entscheidende Rolle spielt Nickel.
Würzburg/Wien (tu) - Jeder von uns kann das Erdmagnetfeld ganz einfach mit einem Kompass nachweisen
– doch wie es genau entsteht ist eine ausgesprochen komplizierte Frage. Eine wichtige Rolle spielt dabei jedenfalls
der heiße Erdkern, der hauptsächlich aus Eisen besteht. In Kombination mit der Eigenrotation der Erde
führt er zu einem gewaltigen „Dynamoeffekt“, der das Erdmagnetfeld erzeugt.
Doch mit Eisen alleine ist dieser Effekt nicht wirklich zu erklären: Materialwissenschaftliche Berechnungen,
die ein Forschungsteam um Prof. Alessandro Toschi und Prof. Karsten Held (TU Wien) und Prof. Giorgio Sangiovanni
(Universität Würzburg) nun in „Nature Communications“ veröffentlichten, zeigen, dass die Theorie
des Geo-Dynamoeffekts modifiziert werden muss. Entscheidend ist nämlich, dass der Erdkern auch bis zu 20%
aus Nickel besteht – ein Metall, das sich unter den extremen Bedingungen im Erdkern anders verhält als das
Eisen.
Große Hitze, extremer Druck
Der Erdkern ist ähnlich groß wie der Mond und so heiß wie die Oberfläche der Sonne. Es herrscht
ein Druck von mehreren hundert Gigapascal – das entspricht dem Druck, den man ausüben würde, wenn man
mehrere Eisenbahnlokomotiven auf einem Quadratmillimeter balancieren könnte. „Unter diesen extremen Bedingungen
verhalten sich manche Materialien ganz anders als wir es gewohnt sind“, sagt Karsten Held. „Die Bedingungen im
Experiment nachzustellen ist kaum möglich, aber mit aufwändigen Computersimulationen können wir
das Verhalten von Metallen im Erdkern quantenphysikalisch berechnen.“
Die Hitze des Erdkerns muss irgendwie entweichen. Heißes Material steigt in höhere Schichten auf, es
entstehen Konvektionsströme. Gleichzeitig treten durch die Erdrotation starke Korioliskräfte auf, insgesamt
entstehen so im Erdinneren komplizierte spiralförmige Strömungen. „Wenn in einem solchen Strömungs-System
elektrischer Strom zu fließen beginnt, kann dieser ein magnetisches Feld erzeugen, das wiederum den Stromfluss
verstärkt, und so weiter – bis ein kräftiges Magnetfeld entstanden ist, das wir an der Erdoberfläche
messen können“, erklärt Alessandro Toschi.
Wärmeleitung unter Druck
Doch nach bisherigem Wissen war eigentlich nicht zu erklären, warum es überhaupt zu den Konvektionsströmen
kommen sollte. Eisen ist nämlich ein ziemlich guter Wärmeleiter, und bei hohem Druck wird die Wärmeleitfähigkeit
von Eisen sogar noch besser. „Würde das Erdinnere nur aus Eisen bestehen, so könnten die frei beweglichen
Elektronen im Eisen ganz alleine für den nötigen Wärmetransport sorgen, ohne dass dabei Konvektionsströme
entstehen müssten“, sagt Karsten Held. „Dann gäbe es allerdings auch kein Erdmagnetfeld.“
Allerdings enthält der Erdkern auch bis zu 20% Nickel. Bisher hielt man das nicht für bedeutend, doch
wie nun gezeigt wurde, spielt der Nickel-Anteil eine ganz entscheidende Rolle. „Nickel verhält sich unter
Druck anders als Eisen“, sagt Alessandro Toschi. „Bei hohem Druck streuen die Elektronen im Nickel deutlich häufiger
als im Eisen, daher ist die Wärmeleitfähigkeit von Nickel, aber auch des Erdkerns insgesamt, deutlich
niedriger als bei einem Kern aus reinem Eisen.“ Aufgrund des Nickel-Anteils kann die Temperatur im Erdkern nicht
mehr bloß durch die Bewegung von Elektronen abtransportiert werden und daher ist das Entstehen von Konvektionsströmungen
unvermeidlich, die dann letztlich für das Erdmagnetfeld verantwortlich sind.
Um zu diesen Erkenntnissen zu gelangen, war es nötig, unterschiedliche Metallstrukturen am Computer zu simulieren
und das Verhalten ihrer Elektronen zu berechnen. Die Vielteilchen-Rechnungen wurden von Andreas Hausoel (Universität
Würzburg) durchgeführt, unter anderem auch am Vienna Scientific Cluster (VSC). „Gemeinsam mit unseren
Kollegen von der Universität Würzburg untersuchten wir nicht nur Eisen und Nickel sondern auch Legierungen
aus diesen beiden Materialien. Auch Störungen und Unregelmäßigkeiten in den Materialien mussten
wir speziell berücksichtigen, das macht die Computersimulationen noch aufwändiger“, erklärt Karsten
Held.
Diese fortschrittlichen Rechenmethoden sind nicht nur wichtig, um das Erdmagnetfeld besser zu verstehen, sie bieten
auch neue Einblicke in die Streuung der Elektronen. Alessadro Toschi ist überzeugt: „In naher Zukunft wird
die stetige Verbesserung dieser Algorithmen auch zu spannenden Anwendungen in der Chemie und Biologie, in der Industrie
und Technik führen.“
Dieses im Rahmen einer langfristigen Kooperation zwischen der TU Wien und der Uni Würzburg durchgeführte
Projekt wurde vom österreichischen FWF und der deutschen DFG im Rahmen der Forschergruppe FOR 1346 „Dynamical
Mean-Field Approach with Predictive Power for Strongly Correlated Materials“ unterstützt.
Originalpublikation: Sangiovanni et al.,
Local magnetic moments in iron and nickel at ambient and Earth's core conditions; Nature Communications, 2017.
DOI: 10.1038/NCOMMS16062
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