Wien (universität) - Der anregend wirkende Bitterstoff Koffein kann die Freisetzung von Salzsäure
im Magen sowohl stimulieren als auch verzögern, je nachdem, ob er Bitterrezeptoren im Magen oder im Mund aktiviert.
"Wie unsere Ergebnisse zeigen, spielen Bitterrezeptoren generell eine Rolle bei der Regulation der Magensäureausschüttung.
Es wäre daher denkbar, dass sich Bitterstoffe oder Bitterblocker zukünftig als Therapeutika einsetzen
ließen, um eine Übersäuerung des Magens zu behandeln", sagt Studienleiterin Veronika Somoza
von der Universität Wien. Das Team um die Ernährungsphysiologin Veronika Somoza und Erstautorin Kathrin
Liszt von der Fakultät für Chemie an der Universität Wien, zu dem neben Forschern des Deutschen
Instituts für Ernährungsforschung auch Jakob Ley von der Symrise AG in Holzminden und Wissenschaftler
des Blizard Instituts London gehören, publizierte seine Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift PNAS.
Was war zu Studienbeginn bekannt?
Koffein ist die weltweit am häufigsten konsumierte psychoaktive Droge. Sie wirkt nicht nur anregend auf
das zentrale Nervensystem und erhöht den Blutdruck, sondern sie stimuliert auch die Freisetzung von Magensäure.
Ebenso weisen neuere Studien darauf hin, dass neben Koffein auch andere Bitterstoffe, zum Beispiel aus Hopfen,
die Säureproduktion im Magen ankurbeln. Über welche Mechanismen dies geschieht, ist allerdings noch nicht
hinreichend erforscht.
Zudem ist bekannt, dass der Mensch Bitterstoffe über rund 25 verschiedene Bitterrezeptor-Typen wahrnimmt,
die sich im Mund und Rachenraum auf den Spitzen der Geschmacksrezeptorzellen befinden und vor dem Verschlucken
giftiger Substanzen warnen sollen. Fünf von ihnen reagieren unter anderem auf Koffein. Seit kurzem häufen
sich die Studien, die zeigen, dass sich Geschmacksrezeptoren für Bitteres auch an anderen Orten des Verdauungssystems
finden, so zum Beispiel im Magen. Welche Funktion die Rezeptoren dort erfüllen, ist weitgehend unbekannt und
noch ebenfalls wenig erforscht.
Welcher Fragestellung gingen die WissenschafterInnen nach?
Die bestehenden Fakten lassen annehmen, dass Koffein die Magensäureausschüttung über Bitterrezeptoren
im Mund und Magen beeinflusst. Daher gingen die ForscherInnen in der aktuellen Studie der Frage nach, ob tatsächlich
ein solcher Zusammenhang besteht. Hierzu führten die WissenschafterInnen an gesunden weiblichen und männlichen
Studienteilnehmern pH-Wert-Messungen im Magen durch. Zudem verwendeten sie menschliche Gewebeproben des Magens
sowie ein etabliertes zelluläres Modellsystem (HGT-1-Zellen) zur Untersuchung der Magensäurefreisetzung,
um den Zusammenhang auch auf zellulärer und molekularer Ebene überprüfen zu können.
Zu welchen Ergebnissen kamen die ForscherInnen?
Nahmen die Studienteilnehmer 150 mg Koffein verkapselt in Form einer Pille ein, die sich erst im Magen auflöste,
führte dies nach etwa 30 Minuten zu einer verstärkten Ausschüttung von Magensäure. Erhielten
die Teilnehmer dagegen eine entsprechende Koffeinlösung, die neben den Rezeptoren im Magen auch die Bitterrezeptoren
in der Mundhöhle stimulierte, verzögerte sich die Magensäureausschüttung. Dabei korrelierte
die empfundene Bitterkeit des Koffeins mit der Menge der ausgeschütteten Magensäure. Darüber hinaus
wiesen die Forscher sowohl in menschlichen Gewebeproben des Magens, als auch in den HGT-1-Zellen Bitterrezeptoren
nach, die auf Koffein reagieren. Am Modellsystem der HGT-1-Zellen zeigten sie zudem, dass der Bitterrezeptor TAS2R43
zumindest einer der Rezeptoren ist, über den Koffein die Magensäureausschüttung reguliert. Ein Ausschalten
des TAS2R43-Rezeptors auf Genebene (knock out-Modell) bestätigte dieses Ergebnis zusätzlich. Der stimulierende
Effekt konnte sich durch Zugabe von Homoeriodictyol, einem Bitterblocker der auch TAS2R43 hemmt, vermindern lassen.
Anschließend mit Studienteilnehmern durchgeführte Tests, bei denen die Teilnehmer den Bitterblocker
gemeinsam mit Koffein einnahmen, führten ebenfalls zu einer Reduktion der Koffeineffekte.
Fazit und Ausblick
"Obwohl in vielen Kulturen nach dem Essen ein Gläschen Magenbitter oder ein Kaffee üblich ist,
um Verdauungsproblemen zu begegnen, wissen wir heute noch erstaunlich wenig über das molekulare Zusammenspiel
von Bitterstoffen und dem Verdauungssystem", sagt Veronika Somoza vom Institut für Ernährungsphysiologie
und Physiologische Chemie an der Universität Wien. "Diese Zusammenhänge aufzuklären, könnte
künftig dazu beitragen, neue Therapeutika gegen die Refluxkrankheit oder Magengeschwüre zu entwickeln",
so die Professorin weiter. "Jedenfalls sind unsere Ergebnisse vielversprechend und belegen, dass Bitterrezeptoren
über ihre Funktion als Geschmackssensoren hinaus an der Regulation von Verdauungsprozessen beteiligt sind",
ergänzt Koautor Wolfgang Meyerhof vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE). "Die
Erforschung der Bitterrezeptoren, die von uns auch schon im Darm, in Herzmuskel- und Schilddrüsenzellen nachgewiesen
wurden, zeigt nicht nur in diesem Zusammenhang ganz neue Perspektiven und Ansatzpunkte auf, denen wir auch in Zukunft
mit unseren Kooperationspartnern nachgehen wollen", so DIfE-Geschmacksforscher Maik Behrens abschließend.
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