Wien (universität) - Stickstoff ist ein Schlüsselelement allen Lebens. Egal ob in Aminosäuren
oder Nikotin, vor allem Stickstoff-Kohlenstoff-Verbindungen, sogenannte Amine, kommen überall vor. Die Herstellung
einer bestimmten Klasse dieser Amine ist allerdings schwierig, einerseits weil der zu bindende Kohlenstoff durch
andere Atome blockiert werden kann, andererseits weil die Ausgangmaterialien vergleichsweise unreaktiv sind. Nuno
Maulide und seine Arbeitsgruppe an der Fakultät für Chemie der Universität Wien haben es nun geschafft,
durch eine Umlagerung den Stickstoff quasi zu zwingen, sich zu binden. Die Ergebnisse erscheinen aktuell in der
renommierten Zeitschrift "Angewandte Chemie".
Gasförmiger Distickstoff (N2) ist einerseits essentiell für viele biologische Prozesse, andererseits
sind chemische Verbindungen, in denen Stickstoff an Kohlenstoff gebunden ist, in unserem Leben allgegenwärtig.
Von spezieller Bedeutung sind Amine, bei denen eine Bindung zwischen einem Stickstoffatom und einem Kohlenstoffatom
besteht. Unter diesen nehmen aromatische Amine eine Sonderstellung ein: Diese Klasse von "Aromaten" wird
auch als Aniline bezeichnet. Aromaten zeichnen sich, anders als ihr Name es suggeriert, nicht durch aromatischen
Geruch, sondern durch besondere chemische Stabilität aus. Aromatische Amine sind dabei besonders für
die industrielle Synthese essenziell. Die Wichtigkeit von Anilin spiegelt sich beispielsweise im Namen des Chemieunternehmens
BASF wider: "Badische Anilin- und Soda-Fabrik".
"Anilin ist auch heute noch ein integraler Bestandteil vieler Materialien, zum Beispiel von Polyurethanschaum,
welcher etwa in den Isolatoren in Kühl- und Gefrierschränken verwendet wird", so der portugiesische
Chemiker Nuno Maulide. Aniline sind auch bekannte Vorstufen für Farbstoffe, und spezielle Anilinderivate zählen
zu den potentesten und erfolgreichsten pharmazeutischen Produkten.
Stickstoff-Kohlenstoff – Aller Anfang ist schwer
Die Herstellung von Anilinen beschäftigt ChemikerInnen schon seit langer Zeit. "Wenn wir es schaffen,
Aniline mit unterschiedlichen Substituenten und unterschiedlichen Strukturen herzustellen, können wir die
Eigenschaften verschiedener Materialien und Stoffe verändern“, erklärt Saad Shaaban, Erstautor der Studie.
"Das ist aber nicht leicht – besonders dann, wenn der Kohlenstoff, an den wir einen Stickstoff knüpfen
wollen, von großen Substituenten umgeben ist", ergänzt er. In diesen Fällen spricht man von
"sterischer Hinderung": "Wie in einer voll besetzten Straßenbahn: Es ist schwierig, zu einem
freien Sitzplatz hinzukommen, wenn rundherum alle anderen belegt sind. Genauso blockieren auch Atome und Moleküle
bestimmte Stellen und erschweren so den Zugang“, vergleicht Maulide.
Mit einer neuen Methode haben es die ChemikerInnen der Universität Wien geschafft, durch eine Umlagerung den
Stickstoff quasi zu zwingen, sich mit dem Kohlenstoff eines Aromaten zu verknüpfen. "Wir haben eine Situation
geschaffen, in der es für das Molekül keine andere Möglichkeit gibt, als das zu tun, was wir wollen",
sagt Veronica Tona, Co-Autorin der Studie. Die neu entwickelte Methode macht die Synthese dieser aromatischen Amine
relativ einfach. "So können wir hoffentlich unsere Methode auch in der Synthese weiterer komplexer aromatischer
Amine anwenden, um deren biologische Aktivität zu evaluieren", so Maulide abschließend.
Publikation in "Angewandte Chemie"
"Hydroxamic acids as chemoselective (ortho-amino)arylating reagents
via sigmatropic rearrangement"
Saad Shaaban, Veronica Tona, Bo Peng and Nuno Maulide
in: Angewandte Chemie International Edition, 2017.
DOI: doi/10.1002/anie.201703667
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