Humane Stammzellen helfen Mechanismus für Herzrhythmusstörungen zu entschlüsseln
Wien (universität) - Bei der Entwicklung neuer Arzneistoffe ist es wichtig, toxische Wirkungen auf
das Herz auszuschließen. Hemmt eine Substanz bestimmte Kaliumkanäle im Herzmuskel, die so genannten
hERG-Kanäle, treten mit hoher Wahrscheinlichkeit Herzrhythmusstörungen auf. Ein Team um den Pharmakologen
Steffen Hering von der Universität Wien hat nun herausgefunden, dass diese Rhythmusstörungen nicht zwingend
auftreten müssen: Wird gleichzeitig ein Kalziumkanal "blockiert", kann die Schädigung des Herzens
verhindert werden. Untersuchungen an Herzzellen aus humanen Stammzellen spielten dabei eine Schlüsselrolle.
Damit ist der Weg frei für neue Innovationen bei der Medikamentenentwicklung.
Alle Richtlinien für Arzneistoffentwicklungen sehen Untersuchungen an hERG-Kanälen, also den Kaliumkanälen
im Herzmuskel, vor. Blockiert eine Substanz diesen Ionenkanal, wird die Arzneistoffentwicklung in der Regel als
erfolglos abgebrochen. Für mehr als 20 bereits zugelassene Arzneimittel wurde in den letzten Jahren nachträglich
festgestellt, dass sie HERG-Kanäle blockieren und tödliche Herzrhythmusstörungen verursachen. Diese
Medikamente mussten vom Markt genommen werden.
Im Gegensatz dazu kommt es aber auch vor, dass einige zugelassene Arzneimittel hERG-Kanäle hemmen und trotzdem
keine Herzrhythmusstörungen auslösen. Die Ursachen für diese "Ausnahmen" sind wenig erforscht.
Ein Beispiel für einen solchen verträglichen hERG-Blocker ist der Wirkstoff Verapamil, der zur Behandlung
von Herzrhythmusstörungen und Bluthochdruck eingesetzt wird.
Untersuchung an Herzzellen aus humanen Stammzellen
Priyanka Saxena, Studentin des vom FWF geförderten Doktoratskollegs "Ionenkanäle als Molekulare
Drug Targets" ("MolTag") an der Universität Wien, untersuchte den Mechanismus, der hERG-Blocker
ungefährlich macht. Sie verglich die Hemmung der hERG-Kanäle durch Dofetilid (ein Arzneimittel, das schwere
Arrhythmien auslösen kann und deshalb 2004 in Europa vom Markt genommen wurde) mit 20 chemischen Abkömmlingen
(Derivaten) dieser Substanz. In Zusammenarbeit mit Godfrey Smith von der Universität von Glasgow untersuchte
sie dort die Wirkung dieser Substanzen an Herzzellen, die durch Differenzierung humaner Stammzellen gewonnen wurden.
Herzzellen aus humanen Stammzellen haben in den vergangenen Jahren einen hohen Stellenwert für Untersuchungen
zur Arzneimittelsicherheit erlangt. Es zeigte sich, dass einige der untersuchten Dofetilid-Derivate ungefährlich
sind und keine Arrhythmien verursachen.
Mechanismus mit Mathematik entschlüsselt
Ein mathematisches Modell, entwickelt von Philipp Kügler an der Universität Hohenheim, konnte schließlich
den zugrundeliegenden Mechanismus entschlüsseln. "Wird zusätzlich ein Kanal für Kalziumionen
blockiert, dann kann die arrhythmogene Wirkung der hERG-Kanalblocker aufgehoben und die toxische Wirkung auf das
Herz verhindert werden", erklärt Steffen Hering vom Department für Pharmakologie und Toxikologie
und Sprecher des Doktoratskollegs: "Die Untersuchungen an Herzmuskelzellen aus humanen Stammzellen waren dabei
von großem Nutzen. Diese Arbeit eröffnet für die Pharmaindustrie neue Wege in der Arzneistoffentwicklung".
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