Reden von Rabl-Stadler, Haslauer, Drozda, Festspielredner Schirach und Van der Bellen bei der
Festveranstaltung in der Felsenreitschule
Salzburg (lk) - Die 97. Salzburger Festspiele wurden am 27. Juli mit einer Festveranstaltung in der Felsenreitschule
offiziell eröffnet. Nach der Begrüßung durch Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler folgten
Ansprachen von Landeshauptmann Wilfried Haslauer, Bundesminister Thomas Drozda, die Festrede des Rechtsanwalts
und Schriftstellers Ferdinand von Schirach sowie die Eröffnungsrede von Bundespräsident Alexander Van
der Bellen. An der Eröffnung nahmen zahlreiche Ehrengäste aus dem In- und Ausland teil. Den musikalischen
Teil der Veranstaltung gestaltete das Mozarteumorchester Salzburg unter seinem neuen Chefdirigenten Riccardo Minasi.
Bei den heurigen Salzburger Festspielen werden an 41 Tagen 195 Aufführungen an 15 Spielstätten geboten.
Rabl-Stadler: Von der Kraft der Träume
"Wenn wir uns von unseren Träumen leiten lassen, wird der Erfolg all unsere Erwartungen übertreffen."
Die Geschichte der Salzburger Festspiele liefere wohl die schönsten Beweise für die Richtigkeit dieses
Diktums von Henry David Thoreau. Denn die Festspiele verdankten dem Träumer Max Reinhardt, dessen unerschütterlichem
Glauben an die Kraft des Theaters ihre Existenz. Er habe sich von seinen Träumen leiten lassen und der Erfolg
habe alle seine Erwartungen übertroffen, so Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler in ihrer Begrüßungsansprache.
Genau vor 100 Jahren, im April 1917, formulierte Reinhardt seine Idee von einem "Festspielhaus in Salzburg
als eines der ersten Friedensprojekte" und schickte sein Ansuchen an den Kaiser. Am 1. August 1917 trafen
einander Wiener und Salzburger Befürworter der Festspielidee im Musikvereinsgebäude in Wien zur Gründung
des Vereins "Salzburger Festspielhausgemeinde". Drei Jahre später, am 22. August 1920, fand mit
dem Jedermann auf dem Domplatz die erste Aufführung statt. "Die Festspielidee war trotz vieler Rückschläge
nicht mehr aus der Welt zu schaffen", so Rabl-Stadler.
Haslauer: Die Festspiele als Plädoyer für die Schönheit
Im Zentrum der Rede von Landeshauptmann Wilfried Haslauer stand ein "Plädoyer für die Schönheit".
Trotz Krieg, Armut, Hunger, Vertreibung, Flucht und Elend in der Welt könne man zu Recht über Schönheit
reden. "Die Schönheit macht uns aus. Sie stiftet Sinn, sie wurzelt tief in uns und will sich äußern.
Sie ist die pure Lust, wenn wir sie zulassen oder aufnehmen. Sie bewusst zu erkennen, ihr Stellenwert im Leben
zu geben, sie zu sehen und wahrzunehmen, macht uns menschlich und erhebt uns über andere Lebewesen, macht
uns aber gleichzeitig auch verletzlich und angreifbar."
Die Gesellschaft aber habe die Schönheit kommerzialisiert. Durch die penetrante Dauerberieselung, durch permanente
Reizüberflutung und Schönheits-Zwangsbeglückung verkomme die Schönheit zur Trivialität,
so Haslauer weiter. "Wir müssen die Schönheit wieder bewusst suchen. Und solange diese Suche andauert,
ist die Schönheit nicht verloren. Die Salzburger Festspiele werden auch dieses Jahr ihren Beitrag zu dieser
Suche leisten."
Drozda: Kunst als Wegweiser im digitalen Zeitalter
Er sei überzeugt, "dass wir in einem Zeitalter wirklich großer Veränderung leben. Eine
vierte industrielle Revolution, die Digitalisierung, wirft ihre Schatten längst in die Gegenwart voraus. Die
Macht zwischen Mensch und Maschine verschiebt sich zunehmend Richtung Letztgenannter", stellte Bundesminister
Thomas Drozda fest. "Am Weg dahin gilt es jedoch, zu überlegen, wie wir den Menschen im digitalen Zeitalter
stärken. Ein Leuchtturm, ein Wegweiser dabei wird die Kunst sein. Die analogen Welten des Theaters, der Oper,
des Konzertes und der Ausstellungen sind Orte der Herzensbildung." (siehe
auch hier >)
Kunst könne erfreuen, begeistern, berühren und beschämen. Vor allem aber könne und werde sie
zum Nachdenken anregen, so Drozda, für den Spitzenkunst nur mit einer breiten künstlerischen Basis möglich
ist. "Kunst ist daher eine Schlüsseldisziplin des digitalen Zeitalters. Sie verbindet die Vergangenheit
mit der Zukunft und nimmt das Verhältnis von Mensch und Technologie kritisch in den Blick. Ich bin davon überzeugt,
dass Kunst- und Kulturschaffende einen wesentlichen Beitrag zu den gesellschaftspolitischen Fragen unserer Zeit
liefern können", sagte der Minister.
Schirach: Das Recht gegen die Macht stellen
Festspielredner Ferdinand von Schirach setzte sich kritisch mit Demokratie, Macht und politischer Ethik auseinander:
"Die Bürger sind nicht mehr nur Empfänger von Nachrichten, sie wurden zu sehr mächtigen Sendern.
Nie zuvor haben Menschen so mühelos ihre Stimme erheben können, nie zuvor wurden sie so deutlich gehört.
Die Bürger glauben, sie könnten es besser als ihre gewählten Politiker", stellte von Schirach
in den Raum und fragte: "Wann soll eine Sachentscheidung über eine Mehrheitsentscheidung gestellt werden?
Wann muss sie es? Oder zählt Ethik nichts gegen den Bürgerwillen?" Kein Mensch, auch nicht der Wähler,
sei im Besitz der Wahrheit, "unsere Zukunft ist niemals alternativlos – im Gegenteil, sie ist offen."
Tyrannei entstehe, so der Jurist und Autor, durch die Aufhebung der Gewaltenteilung. Er forderte: "Gerade
in diesen aufgeregten Zeiten müssen wir also das Recht gegen die Macht stellen."
Van der Bellen: Aufrecht in die unmittelbare Umwelt blicken
Die Eröffnungsrede von Bundespräsident Alexander Van der Bellen enthielt einen Aufruf zu mehr Mitgefühl
und Solidarität: Es bestehe die Gefahr, dass wir uns in eine Art digitales Biedermeier bewegen. Die neuen
Facebook-Freunde ersetzen dann den alten Biedermeier-Salon. Der Einzelne richte sich in seiner Echokammer ein,
und das jeweils Andere erreiche ihn dort nur mehr als fernes Bild, das man genauso gut ignorieren könne. "Ich
glaube schon, dass es sich lohnt, auch ab und zu den Blick vom Display zu heben und aufrecht um sich und in die
unmittelbare Umwelt zu blicken", so das Staatsoberhaupt.
"Dabei kann man sich durchaus - denken Sie an die Festrede - an der Haltung Voltaires orientieren. Denn Voltaire
hätte das Unrecht still hinnehmen und sich zurückziehen können. Hat er aber nicht! Und daran erinnert
sich die Nachwelt mit Respekt und Dankbarkeit", so Van der Bellen.
Van der Bellen und Haslauer treffen Bürgermeisterinnen und Bürgermeister
Unmittelbar nach der Festspieleröffnung folgt ein Mittagessen in der Salzburger Residenz, das von Land
und Stadt zu Ehren des Bundespräsidenten und seiner Gattin gegeben wird und bei dem Van der Bellen und Haslauer
auch mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern der Gemeinden des Landes zu einem Gespräch zusammentreffen
werden.
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