Epilepsie-Chirurgie am Kepler Uniklinikum Linz bietet Chance auf Heilung
Linz (kepler klinikum) - Epilepsie ist eine der vier häufigsten neurologischen Erkrankungen. Die Therapie
der Epilepsien hat in den letzten Jahren große Fortschritte erzielt. Dank neuer Medikamente erleiden sieben
von zehn Betroffenen keine Anfälle mehr. Ein chirurgischer Eingriff kann sogar zur Heilung führen. Eine
wichtige Voraussetzung dafür ist die am Kepler Uniklinikum mögliche SPECT-Untersuchung.
Weltweit leiden fast 50 Millionen Menschen an Epilepsie. „Die chronische neurologische Erkrankung ist durch Anfälle,
infolge gestörter intrazerebraler Entladung von Neuronengruppen im Gehirn gekennzeichnet“, erklärt Primarius
Priv.-Doz. Dr. Tim J. von Oertzen, Vorstand der Klinik für Neurologie 1 am Kepler Uniklinikum. In den Industrieländern
hat die Epilepsie zwei Erkrankungsgipfel, bei unter 20-Jährigen und bei über 60-Jährigen. In Schwellenländern
hingegen, ist aufgrund von infektiösen und parasitären Ursachen die Häufigkeit erhöht und betrifft
vor allem Kinder und junge Erwachsene. Epileptikerinnen und Epileptiker leiden nicht nur an den unterschiedlich
häufig auftretenden Anfällen, die sich mit heftigen Gewittern im Gehirn vergleichen lassen, sondern können
auch von Begleiterscheinungen wie Nebenwirkungen der Medikamente, Depression oder durch eine Intelligenzminderung
in ihrer Lebensqualität eingeschränkt werden. Es kann auch zu Aufmerksamkeits-, Gedächtnis- und
Sprachstörungen kommen. Ausgelöst von außergewöhnlichen Bedingungen wie hohem Fieber bei kleinen
Kindern (Fieberkrampf) oder im Rahmen einer schweren Entgleisung des Wasser-Elektrolythaushaltes können epileptische
Anfälle auch bei gesunden Menschen auftreten. Etwa jeder 10. Mensch erleidet einmal in seinem Leben einen
solchen Gelegenheitsanfall. Von einer Epilepsie spricht man, wenn wiederholt Anfälle unprovoziert auftreten.
Epilepsieformen
Epileptische Anfälle können sich je nach Ursache, Lokalisierung im Gehirn und Intensität der neuronalen
Entladung unterschiedlich darstellen. Man unterscheidet zwischen generalisierten und fokalen Anfällen. Letztere
machen rund 60 bis 70 Prozent aller epileptischen Anfälle aus. Dabei unterscheidet man einen einfachen Anfall,
bei dem das Bewusstsein erhalten bleibt, von einem komplexen, der mit einer Bewusstseinsstörung einhergeht.
Während fokale Anfälle lokal im Gehirn beginnen, betreffen generalisierte Anfälle beide Gehirnhälften
gleichzeitig.
Diagnostik
Die Diagnose der Epilepsie basiert vor allem auf der klinischen Beschreibung der Anfälle, die mit den Patientinnen
und Patienten sowie den Angehörigen gemeinsam erarbeitet wird. Betroffene schildern den „Anfallsablauf“, wodurch
sich folgende Fragen für die Spezialistin bzw. den Spezialisten ableiten lassen: Handelt es sich wirklich
um einen echten epileptischen Anfall? Welche Art von Anfall liegt vor: generalisiert oder fokal? Welche Untersuchungen
werden benötigt? Gibt es eine Ursache? Wenn ja, ist diese heilbar? Ist der Anfall im Rahmen der neurologischen
Erkrankung aufgetreten?
Neue medikamentöse Behandlungsformen
Neben den „alten“ Medikamenten wie Phenytoin, Carbamazepin und Valproat gibt es seit 1990 die „neue Generation“
der Antiepileptika, wobei es sich bei einigen um sogenannte Breitbandpräparate handelt. Sie können sowohl
bei fokalen als auch generalisierten Epilepsie-Formen eingesetzt werden, haben deutlich weniger Nebenwirkungen
und weisen zum Teil eine bessere Wirkung auf. Die antiepileptische Therapie führt bei sieben von zehn Patientinnen
und Patienten zur Anfallsfreiheit. „Diese Medikamente sind ein massiver Fortschritt, allerdings führen sie
zu keiner Heilung. Eine Heilung kann bisher nur mit Epilepsiechirurgie erreicht werden“, erklärt Prim. Priv.
Doz. Dr. Tim J. von Oertzen.
Heilung durch chirurgischen Eingriff (Operation)
Reicht eine medikamentöse Therapie allein nicht aus oder beeinträchtigen die eingenommenen Arzneimittel
stark die Lebensqualität der Patientin bzw. des Patienten, ist in einigen Fällen eine Operation (Epilepsiechirurgie)
sinnvoll. Eine ausführliche Abklärung der Möglichkeiten und intensive Beratung erfolgt in der Klinik
für Neurologie 1 des Kepler Universitätsklinikums am Standort Neuromed Campus. Dabei werden neben der
genauen Erhebung der Krankengeschichte auf der Epilepsie-Monitoring-Unit Anfälle aufgezeichnet, spezielle
MRT-Untersuchungen und eine neuropsychologische Testung als Basisuntersuchungen durchgeführt.
Bedingungen für die Epilepsie-Chirurgie
Grundsätzlich sollte eine epilepsiechirurgische Therapie erwogen werden, wenn bei einer Patientin bzw. einem
Patienten eine sogenannte Pharmakoresistenz vorliegt. Dies ist der Fall, wenn sich die epileptischen Anfälle
nicht durch mindestens zwei geeignete, ausreichend hoch und lange dosierte Arzneimittel nacheinander oder in Kombinationstherapie
kontrollieren lassen. „Eine Epilepsie-Chirurgie ist nur bei einem kleinen Teil der Patientinnen und Patienten möglich,
bei denen eine Pharmakoresistenz vorliegt. Die Anfälle müssen hierfür von einem möglichst kleinen
Bereich des Gehirns ausgehen, der genau definiert und entfernt werden kann, ohne dabei wichtige Funktionen zu beeinträchtigen“,
meint Univ.-Prof. Dr. Andreas Gruber von der Universitätsklinik für Neurochirurgie am Kepler Uniklinikum.
Bei multifokalen Epilepsien, die von mehreren Orten im Gehirn ausgehen und bei generalisierten Anfällen ohne
nachweisbaren herdförmigen und somit eingrenzbaren Beginn ist eine solche Resektion in den meisten Fällen
nicht möglich. Wird durch eine Operation die Epilepsie geheilt, kann eine frühe Entscheidung für
eine Operation den Verlauf des Lebens einer Epilepsie-Patientin bzw. eines Epilepsie-Patienten fundamental verbessern.
Insbesondere Kinder können sich nach einer erfolgreichen Operation deutlich besser entwickeln.
Single-Photon-Emissions-Computertomographie (SPECT)
Mit der Single-Photon-Emissions-Computertomographie (SPECT) können regionale Veränderungen der Durchblutung
des Gehirns zwischen (interiktal) zwei und während (iktal) eines epileptischen Anfalls dargestellt werden.
Diese Durchblutungs-SPECT-Untersuchung wird am Kepler Uniklinikum vorwiegend zur Epilepsie-Diagnostik bei Patientinnen
und Patienten vor einer Operation durchgeführt. Dazu Primarius Priv.-Doz. DDr. Robert Pichler von der Nuklearmedizin
am Standort Neuromed Campus: „Bei Patientinnen und Patienten mit fehlendem Nachweis einer Veränderung der
Hirnstruktur im MRT oder fehlenden Anfallsmustern im EEG kann eine SPECT Untersuchung wertvolle Hinweise auf die
epilepsieauslösende Hirnregion liefern.“
Funktionsweise der SPECT-Untersuchung
Vor der SPECT-Untersuchung wird der Patientin bzw. dem Patienten eine gering radioaktiv markierte Untersuchungssubstanz
(sogenannter Tracer) injiziert. Der Tracer reichert sich an Stellen mit hoher Durchblutung im Gehirn an. Im Anfall
(iktal) ist die Durchblutung des epilepsieauslösenden Bereichs gesteigert (Hyperperfusion), während diese
zwischen zwei Anfällen (interiktal) normal oder vermindert ist. Wird der Tracer kurz vor dem Anfall injiziert,
kann der epilepsieauslösende Bereich (epileptogener Fokus) identifiziert werden. Zur eindeutigen Identifikation
des epileptogenen Fokus erfolgt zusätzlich eine Messung zwischen zwei Anfällen (interiktal). Durch eine
computerunterstützte Verrechnung beider Bilder kann die Zone der Mehrdurchblutung im Fokus identifiziert werden.
Ablauf der SPECT-Untersuchung
Die SPECT-Untersuchung arbeitet wie auch die PET mit radioaktivem Material und stellt somit eine geringe Strahlenbelastung
für den Körper dar. „Die Strahlenbelastung einer SPECT-Untersuchung ist in etwa so hoch, wie die einer
Computertomographie“, meint der Experte Primarius Priv.-Doz. DDr. Pichler. Bei der interiktalen SPECT ruht die
Patientin bzw. der Patient zunächst etwa 15 Minuten entspannt in einem leicht abgedunkelten Raum. Dann werden
wenige Milliliter der markierten Substanz in eine Armvene injiziert. Danach ruht die Patientin bzw. der Patient
weitere 10 Minuten. Etwa 20 Minuten nach der Injektion wird die Verteilung der Substanz im Gehirn mit Hilfe einer
Kamera aufgenommen. Die Aufnahme erfolgt im Liegen und dauert etwa 45 Minuten. Dabei drehen sich die Köpfe
der Kamera langsam um den Kopf der Patientin bzw. des Patienten. Bei der iktalen Perfusions-Szintigraphie muss
die Injektion innerhalb der ersten Sekunden des Anfalls erfolgen. Diese Untersuchung kann daher nur bei stationärer
Überwachung der Patientin bzw. des Patienten in speziellen Einrichtungen mit Video-EEG-Monitoring erfolgen.
Info
Epilepsie wird am Kepler Uniklinikum an der Klinik für Neurologie 1 am Standort Neuromed Campus sowie an der
Klinik für Neurologie 2 am Standort Med Campus behandelt. Prim. Priv.-Doz. Dr. Tim J. von Oertzen, Vorstand
der Klinik für Neurologie 1, ist international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Epilepsie und für
Abklärungen, ob eine Epilepsie-chirurgische Operation erfolgen kann, zuständig. Die Operation erfolgt
in der Verantwortung von Univ.-Prof. Dr. Andreas Gruber an der Universitätsklinik für Neurochirurgie.
Im Institut für Nuklearmedizin am Neuromed Campus werden spezialisierte Untersuchungen im Rahmen der prächirurgischen
Epilepsiediagnostik durchgeführt.
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