Donau-UniversItät Krems – Filzmaier: Über 1.000 muslimische FlüchtlInge aus
Ländern wie Syrien, Afghanistan, Tschetschenien und Somalia sowie Muslime bosnischer und türkischer Herkunft
befragt
Krems/Wien (öIf) - Die neue Studie „Muslimische Gruppen in Österreich. Einstellungen von Flüchtlingen,
ZuwanderInnen und in Österreich geborenen MuslimInnen im Vergleich.“ von der Donau Universität Krems
von Peter Filzmaier und Flooh Perlot analysiert Einstellungen von Flüchtlingen, Zuwanderern und bereits in
Österreich geborenen Muslimen zu ihrem Religionsverständnis, Gesellschaft, Politik, Familie und Antisemitismus.
Die Befragung wurde im Zeitraum von Dezember 2016 bis Mai 2017 unter 1.129 MuslimInnen im Auftrag des Österreichischen
Integrationsfonds (ÖIF) erstellt. Befragt wurden Muslime mit türkischem und bosnischem Migrationshintergrund
sowie muslimische Flüchtlinge aus den Ländern Syrien, Afghanistan, dem Irak, Iran und Somalia sowie aus
Tschetschenien, die im Folgenden zusammenfassend als Flüchtlinge bezeichnet werden.
Große Unterschiede zwischen verschiedenen muslimischen Gruppen
Derzeit leben rund 700.000 Muslime mit überwiegend türkischem und bosnischem Migrationshintergrund
in Österreich. In den letzten Jahren hat auch die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem
Irak, zumeist Muslime, stark zugenommen. Die Studie zeigt, dass sich die unterschiedlichen muslimischen Gruppen
in ihren Einstellungen und ihrer Religiosität zum Teil unterscheiden, betont Studienautor Professor Filzmaier:
„Vor allem Befragte aus Somalia bezeichnen sich selbst als sehr gläubig, auch bei Personen aus Tschetschenien
ist dieser Anteil überdurchschnittlich hoch. Während sich Befragte türkischer Herkunft und aus Syrien
etwas häufiger als sehr gläubig deklarieren, sagt rund die Hälfte der Personen aus dem Iran und
Personen bosnischer Herkunft von sich, nicht oder eher nicht gläubig zu sein.“
Verständnis für Verweigerung des Handschlags bei Hälfte der Flüchtlinge und 4 von 10
Befragten türkischer Herkunft
Zur Rolle des Islams in der Gesellschaft befragt, wünschen sich sieben von zehn der befragten Flüchtlinge
sehr oder eher, dass der Islam in ihrer eigenen Familie eine starke Rolle einnehme. Dass der Islam auch in der
Gesellschaft eine starke Rolle spielen soll, dieser Aussage stimmt ein Viertel der befragten Flüchtlinge sehr,
weitere 20 Prozent eher zu. Fast zwei Drittel der Flüchtlinge sowie rund die Hälfte der befragten Menschen
türkischer Herkunft sprechen sich sehr oder eher dafür aus, dass religiöse Regeln im Alltag auf
jeden Fall Platz einnehmen sollen. Auch zeigen mehr als die Hälfte der Flüchtlinge sowie über 40%
der Türkeistämmigen sehr oder eher Verständnis dafür, wenn Männer Frauen nicht die Hand
reichen.
Viertel der Flüchtlinge will islamische Rechtsvorschriften berücksichtigt sehen
Mehr als drei Viertel aller Befragten bosnischer Herkunft sowie zwei Drittel der Befragten türkischer
Herkunft und mehr als die Hälfte der Flüchtlinge finden österreichische Gesetze und Vorschriften
für gläubige MuslimInnen angemessen. Zugleich ist ein Viertel der Flüchtlinge der Meinung, dass
islamische Rechtsvorschriften berücksichtigt werden sollen. Insbesondere Befragte aus Tschetschenien und Afghanistan
sind häufiger dieser Meinung. Insgesamt wird die Aussage, dass man bereit sein muss für den Glauben zu
sterben, klar abgelehnt (58% auf gar keinen Fall). Differenziert nach Herkunftsländern zeigt sich, dass sich
unter den befragten Somaliern, aber auch unter Syrern und Menschen türkischer Herkunft, eine höhere Zustimmung
zu der Aussage findet. In allen Gruppen wird sie aber klar mehrheitlich abgelehnt.
Ein Drittel der Flüchtlinge befürwortet gewaltsame Verteidigung der Familienehre
Jeweils mehr als 8 von 10 Flüchtlingen und Personen türkischer Herkunft beurteilen die Ehre der eigenen
Familie als sehr oder eher wichtig, besonders groß ist die Bedeutung der Familienehre für Befragte aus
Somalia und Tschetschenien. Befragte bosnischer Herkunft messen dem Thema am wenigsten Bedeutung zu. Die gewaltsame
Verteidigung der Familienehre wird von mehr als einem Drittel der Flüchtlinge befürwortet – unter ihnen
besonders von Somaliern und Tschetschenen – unter Befragten türkischer Herkunft von knapp jedem Dritten. Für
das Thema Ehrenmord äußern weniger als 10 Prozent der befragten Flüchtlinge und Personen türkischer
Herkunft Verständnis. Unter Personen bosnischer Herkunft lehnen praktisch alle Ehrenmord ab.
Für 4 von 10 Befragten türkischer Herkunft sollen Frauen als Jungfrauen in die Ehe gehen
40% der Befragten türkischer Herkunft sowie ein Drittel der Flüchtlinge wollen, dass Frauen auf jeden
Fall als Jungfrauen in die Ehe gehen. Unter Menschen bosnischer Herkunft stimmt nur ungefähr jeder Zehnte
dieser Aussage zu. Für knapp zwei Drittel der Flüchtlinge ist es sehr oder eher wichtig, dass ihr Partner
bzw. ihre Partnerin ebenfalls muslimischen Glauben hat, besonders wichtig ist dies für Somalier und Tschetschenen;
auch mehr als die Hälfte der Befragten türkischer Herkunft stimmen hier zu. Der gemeinsame Turn- und
Schwimmunterricht von Mädchen und Burschen wird von jedem Fünften der befragten Flüchtlinge stark
abgelehnt.
Für drei Viertel der befragten Flüchtlinge und Personen türkischer Herkunft sollen öffentliche
Witze über den Islam verboten sein
Eine Gleichberechtigung aller Religionen wird quer durch alle Gruppen mit mehr als 80% befürwortet. Knapp
60 Prozent der Flüchtlinge und Befragten türkischer Herkunft finden jedoch, dass es verboten sein soll,
sich öffentlich über den Islam lustig zu machen, weitere rund 20% stimmen dieser Aussage eher zu. Gut
60% der Befragten bosnischer Herkunft sowie der Flüchtlinge meinen, dass sich der Islam an die Traditionen
und die Kultur in Europa anzupassen hat, von den Personen mit türkischem Migrationshintergrund meint das knapp
die Hälfte.
Israel teilweise als Feind der Muslime wahrgenommen
Knapp die Hälfte jener, die sich als sehr gläubig einschätzen, stimmen der Aussage zu, dass
Israel der Feind aller Muslime sei. Besonders hoch ist die Zustimmung unter Somaliern sowie unter Syrern. Insgesamt
stimmt ein gutes Drittel der Flüchtlinge und Personen türkischer Herkunft dieser Aussage zu, eine Mehrheit
dieser Gruppe lehnt sie gleichzeitig ab. Der Aussage, dass Juden zu viel Macht auf der Welt hätten, stimmen
gut ein Drittel der befragten Syrer und ein Viertel der Befragten türkischer Herkunft klar zu, ein weiteres
Drittel stimmt dem eher zu.
Gefühlte Benachteiligung bei Menschen türkischer und afghanischer Herkunft am höchsten
Zwei Drittel der Flüchtlinge sowie drei Viertel der Befragten mit bosnischem Migrationshintergrund sehen
für sich in Österreich keinen Nachteil aufgrund ihres Glaubens. Knapp die Hälfte der Befragten türkischer
und afghanischer Herkunft hat das Gefühl, manchmal schlechter behandelt zu werden, unter sehr Gläubigen
dieser Gruppen sagen dies rund 40%.
Die Studie „Muslimische Gruppen in Österreich. Einstellungen von Flüchtlingen, ZuwanderInnen und in Österreich
geborenen MuslimInnen im Vergleich“ der Donau Universität Krems von Peter Filzmaier und Flooh Perlot finden
Sie unter http://www.integrationsfonds.at/publikationen.
|