Wien (meduni) - Im Rahmen einer schweren bakteriellen Infektionserkrankung, zum Beispiel ausgelöst durch
Listerien, kann das Immunsystem bei dem Versuch, diese Infektion zu bekämpfen, derart aktiviert werden, dass
die daraus resultierende Entzündungsreaktion und deren Folgen rasch zum Tod führen. WissenschafterInnen
der Medizinischen Universität Wien und den Max F. Perutz Laboratories von MedUni Wien und Universität
Wien unter der Leitung von Gerhard Zlabinger vom Institut für Immunologie konnten nun im Tiermodell nachweisen,
dass eine derart überschießende Reaktion des Immunsystems durch eine gezielte Manipulation des Zucker-Stoffwechsels
so reguliert werden kann, dass eine Immunantwort mit effizienter Elimination der Erreger ohne schädigende
Nebenreaktionen resultiert.
Das wird erreicht, indem man eine spezielle Zuckerverbindung während der Infektion zur Anwendung bringt, die
sogenannte 2-Deoxy-D-Glukose (2-DG). Dieses Zuckermolekül unterscheidet sich von Glukose durch das Fehlen
einer Hydroxylgruppe, bestehend aus einem Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom. Durch die Gabe von 2-DG, welches
eine Hemmung der Glykolyse bewirkt, erfolgt eine gesteigerte Ausschüttung von Interleukin 12 (IL-12), einem
pro-inflammatorischen Zytokin, während die Produktion von Interleukin 10, einem anti-entzündlich wirkenden
Zytokin, gehemmt wird.
Eine der wichtigsten Funktionen von IL-12 ist das Auslösen einer zur zellulären Immunabwehr gehörenden
speziellen T-Zellen-Immunantwort, die insbesondere Abwehrmechanismen ankurbelt, die der Elimination von intrazellulären
Erregern (wie beispielsweise Listerien) dienen.
„Durch die Gabe von 2-DG ändert sich offensichtlich die Art der Immunantwort und somit auch die Intensität
der Entzündungsvorgänge“, erklärt Gerhard Zlabinger, Immunologe von der MedUni Wien. „Die Entzündung
wird derart moduliert, dass das Immunsystem wieder in der Lage ist, das Geschehen selbst zu beherrschen, ohne dass
es zu einem letalen Ausgang der Infektion kommt. Wir drücken damit sozusagen die Reset-Taste und verhindern
dadurch überschießende Entzündungsreaktionen.“
Der zugrundeliegende Mechanismus ist noch nicht bekannt. Eine Rolle dürfte dabei laut Johannes Kovarik, dem
Erstautor der Studie, auch die Ausprägung von IL-12 spielen, das von zwei verschiedenen Ketten (p35 bzw. p40)
gebildet werden kann. Nach Gabe von 2-DG wird nur p40 hoch reguliert, während kein p35 produziert wird. Dieses
modifizierte Zytokinprofil (es kommt gleichzeitig auch zu einer Steigerung der IL-23 Expression) könnte in
weiterer Folge eine geänderte Rekrutierung von Immunzellen bedingen und somit die Ausprägung der Immunreaktion
entscheidend beeinflussen.
„Unsere Studie ist ein hervorragendes Beispiel für die Bedeutung des Immunmetabolismus, das heißt der
veränderten Verstoffwechslung von essenziellen Nährstoffen durch aktivierte Zellen des Immunsystems“,
erklärt MFPL-Gruppenleiter Thomas Decker. „Wir waren zutiefst erstaunt darüber, in welchem Maße
Mäuse durch die Inhibition des Glukosestoffwechsels gegen bakterielle Infektionen resistent wurden. Die metabolische
Umsteuerung resultiert in einem push-pull Effekt: Erhöhte Ausschüttung aktivierender bei gleichzeitiger
Hemmung immunsuppressiver Mediatoren“.
Eine Manipulation des Zuckerstoffwechels und die damit einhergehende Regulierung des Immunsystems könnten
in Zukunft bei speziellen Infektions- und auch Autoimmunerkrankungen neue Behandlungsoptionen eröffnen. Dazu
sind natürlich noch weitere Forschungsarbeiten – am Institut für Immunologie der MedUni Wien wurden dazu
bereits einige Projekte initiiert – notwendig.
Service: PLOS ONE
„Fasting metabolism modulates the interleukin-12/interleukin-10 cytokine
axis.“ J.J. Kovarik, E. Kernbauer, M.A. Hölzl, J. Hofer, G.A. Gualdoni, K.G. Schmetterer, F. Miftari, Y. Sobanov,
A. Meshcheryakova, D. Mechtcheriakova, N. Witzeneder, G. Greiner, A. Ohradanova-Repic, P. Waidhofer-Söllner,
M.D. Säemann, T. Decker, G.J. Zlabinger. https://doi.org/10.1371/journal.pone.0180900
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