Neuer Anlauf gegen grenznahen Standort - Teilerfolg
Prag/Linz (lk) - Tagtäglich wird in Tschechien hochradioaktiver, für eine Million Jahre gefährlicher
Atommüll produziert, ohne dass es eine Entsorgungsmöglichkeit dafür gäbe. Die Suche Tschechiens,
einen geeigneten Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle zu finden, laufen seit Jahren
- ohne Lösung in Sicht. Dennoch laufen die Atomkraftwerke weiter - das ist verantwortungslos. Das tschechische
Umweltministerium hat nun den Entwurf für das aktualisierte Atommüllendlager-Konzept übermittelt
- vom oö. Antiatom- Beauftragten DI Dalibor Strásky wurde eine kritische Stellungnahme für das
Land OÖ verfasst. Neben methodischen Mängeln, die eine Überprüfung der Umweltauswirkungen verunmöglichen,
zielt das Konzept nicht darauf ab, den sichersten, sondern vielmehr den am leichtesten umzusetzenden Standort zu
finden. Dass Machbarkeit vor Sicherheit geht, zeigt die Aufnahme von Temelín und Dukovany auf die Liste
der potentiellen Endlager-Standorte.
Der Oberösterreichs Grenze nächstgelegene Standort am Truppenübungsplatz Boletice, nur 17 km von
der Landesgrenze entfernt, befindet sich nicht mehr unter den potentiellen Standorten. Dies bestätigte unlängst
auch der scheidende tschechische Botschafter in Österreich Jan Sechter. LR Anschober: "Die Entscheidung
über das Aus des Standorts Boletice ist für OÖ ein Erfolg. Nun arbeiten wir weiter daran, dass Tschechien
der Sicherheit des Standortes Priorität gibt und nicht der Durchsetzbarkeit. Es geht aber um mehr: denn erstmals
erwacht in Tschechien rund um die potentiellen Standorte für ein Atommüllendlager breiter Widerstand
gegen die Atomenergie. Ich will diesen wachsenden Widerstand dafür nützen, dass auch Tschechiens zukünftige
Atomausbaupläne gestoppt werden."
Aktueller Stand der Endlagersuche in Tschechien: 7 + 2 Standorte
Täglich fällt beim Betrieb der tschechischen Atomkraftwerke in Temelin und Dukovany hochradioaktiver
Atommüll an - jährlich 100 Tonnen abgebrannte Brennstäbe, 601 m³ niedrig- und mittelaktive
Abfälle und 5,5 m³ hochradioaktive Abfälle.
Das Entsorgungskonzept sieht eine langfristige Zwischenlagerung der abgebrannten Brennelemente mit anschließender
Verbringung in ein geologisches Tiefenlager vor. Mit der Errichtung soll um 2050, mit der Einlagerung um 2065 begonnen
werden.
In den sieben potentiellen Standorten wurden geol. Untersuchungen gestartet. Zusätzlich wird an einer Machbarkeitsstudie
für ein Endlager an den AKW-Standorten Temelín und Dukovany gearbeitet. Noch in diesem Jahr sollen
die Daten von allen potentiellen Standorten zur Verfügung stehen, im Jahr 2018 dann die Auswahl der Standorte
auf vier eingegrenzt werden.
Ein Gesetzesvorhaben der tschechischen Regierung über die Einbindung der Gemeinden in die Endlagersuche ist
Anfang dieses Jahres gescheitert. Eine Überarbeitung soll bis zum ersten Halbjahr 2018 gemacht werden, womit
dieses Problem der nächsten Regierung überlassen wird - Tschechien wählt im Oktober. Damit werden
auch die Karten in der Atompolitik neu gemischt.
AKW seit über 30 Jahren in Betrieb - Atommüllfrage weiterhin ungelöst
Tagtäglich produzieren die tschechischen Atomkraftwerke große Mengen hochradioaktiven Atommüll.
Nach bisherigen Schätzungen fallen für die Laufzeit der sechs AKW-Blöcke in Tschechien rund 3.500
Tonnen radioaktives Material an - würde die Lauftzeit auf 60 Jahre verlängert und die drei weiteren geplanten
Blöcke realisiert, steigt die Menge an Atommüll auf knapp 10.000 Tonnen an. Doch wie auf der ganzen Welt
gibt es auch in Tschechien bislang keine Lösung in der Frage der Entsorgung. Rund eine Million Jahre müsste
ein Endlager vor den radioaktiven Strahlungen Sicherheit bieten. Das ist in Wirklichkeit unmöglich - ein einfacher
Blick zurück in die Geschichte unseres Planeten zeigt, was in einer Million Jahre passieren kann und die Sicherheit
eines Endlagers höchst in Frage stellt.
Beim Kampf gegen Endlager geht es aber auch um die Grundsatzfrage Atomenergie. Denn ohne Entsorgungsoption kann
ein Betrieb von Atomkraftwerken nicht langfristig fortgesetzt werden. Dies aufzuzeigen, ist auch ein Ziel der Kampagne
gegen die Standorte für ein Endlager.
Denn erstmals gib es in Tschechien einen starken Widerstand gegen die Atomenergie in Form des Widerstandes gegen
die möglichen Endlager-Standorte. Nun muss aufgezeigt werden, dass die beiden Bereiche eng miteinander verbunden
sind: ohne Betrieb von Atomkraftwerken kein zusätzlicher Atommüll. Also muss sich die Bewegung gegen
ein Atomendlager auch gegen neue AKW-Projekte richten. Ohne Ausstiegsbeschluss (wie in Deutschland) - keine grundsätzliche
Bereitschaft zur Endlagersuche. Die Kritik steckt aber auch im Detail, weil das aktuelle Endlagerkonzept höchst
problematisch ist.
Stellungnahme des Landes OÖ zum tschechischen Endlager-Konzept
Für die Aktualisierung des Konzepts zur Entsorgung von radioaktiven Abfällen und abgebranntem Nuklearbrennstoff
in Tschechien wird eine strategische Umweltprüfung nach tschechischem Recht durchgeführt.
Oberösterreich hat sich an diesem Verfahren beteiligt. Vom oö. Antiatom-Beauftragten DI Dalibor Strásky
wurde zu den übermittelten Unterlagen zum Endlager-Konzept und zum Umweltbericht, eine Stellungnahme für
das Land OÖ verfasst:
Methodische Mängel der Aktualisierung
Die vorgelegte Aktualisierung entspricht weiterhin nicht den inhaltlichen Anforderungen eines Konzeptes. Bereits
das ursprünglich im Jahr 2002 von der tschechischen Regierung beschlossene Konzept wurde nach der Strategischen
Umweltprüfung (SUP) mit einem negativen Standpunkt durch das tschechische Umweltministerium beurteilt. Wie
nun auch im vorliegenden Konzept wurden weder ein Zielzustand, noch die Möglichkeiten der Zielerreichung dargestellt.
Das Dokument hat sich kaum verändert, es sind dieselben Mängel nach wie vor enthalten.
Im Konzept ist kein klares Ziel, wie etwa die Errichtung eines Endlagers, enthalten, vielmehr handelt es sich um
ein Maßnahmenpaket, das nur den Rückschluss auf ein mögliches Ziel zulässt. Somit ist keine
ausreichende Beurteilung der Umweltauswirkungen möglich.
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Machbarkeit statt Sicherheit - Konzept verfolgt nicht die Auswahl des am besten geeigneten Standorts
Die im tschechischen Standortauswahlverfahren verfolgte Philosophie zielt, anders als dies z.B. in Deutschland
formuliert ist, nicht darauf ab, den sichersten Standort zu finden. Vielmehr lassen einzelne Formulierungen im
Kriterien-Leitfaden darauf schließen, dass Standorte, die die Sicherheitsanforderungen generell einhalten,
unter anderen Gesichtspunkten miteinander verglichen und bewertet werden.
LR Anschober: "Hier zeigt sich die Verantwortungslosigkeit des Betriebs von Atomkraftwerken. Die Betreiber
schaffen eine Hypothek für tausende Generationen und dann soll die Sicherheit nicht oberstes Kriterium sein?
In Deutschland etwa wird "Sicherheit" für eine Million Jahre als Genehmigungskriterium für
ein Endlager bezeichnet. Mein Appell: Nur ein Ausstieg aus der Atomkraft ist die Garantie für Sicherheit in
der Atomkraft auf 1 Million Jahre!"
Die weitere Eingrenzung der Standortoptionen darf nicht zu Lasten der Sicherheit im Sinne von Kosteneffizienz,
Bevorzugung anderer Schutzgüter oder örtlicher Akzeptanz gehen. Dieser Aspekt ist umso wichtiger, als
in den derzeit neun möglichen Standorten drei Optionen (Kraví hora, Temelín, Dukovany) enthalten
sind, die offenbar aus Gründen der Machbarkeit in die Liste aufgenommen wurden und nicht aufgrund wissenschaftlicher
Analysen.
Mangelnde Information
Die Feststellung, ob ein Standort die sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllt, setzt voraus, dass die
für die Beurteilung notwendigen Parameter konkret formuliert sind. Allerdings werden im Konzept z.B. für
die erforderliche Größe des Gesteinsvorkommens, die Abstände von Grundwasserstrukturen und die
erforderlichen Eigenschaften des Wirtsgesteins keine Kennwerte festgelegt.
Daraus ergibt sich, dass ungeeignete Modellierungen und Interpretationen unsicherer Informationen bspw. aus anderen
Orten abgeleitete Werte für eine Standortauswahl oder Reihung herangezogen werden könnten.
Ob ein weiterer Kenntnisgewinn im Sinne der geplanten Erkundungsmaßnahmen bis zum Jahr 2020 - dem Zeitpunkt,
bis zu dem die vorhandenen Optionen auf lediglich zwei Standorte eingegrenzt werden sollen - gelingen kann, scheint
aus heutiger Sicht sehr fraglich.
Inhaltliche Mängel des Umweltberichtes
Der Umweltbericht konzentriert sich ausschließlich auf die Endlagersuche bzw. auf die Endlagerung. Die radioaktiven
Abfälle entstehen aber schon im AKW, sie müssen konditioniert, transportiert, zwischengelagert werden
etc. - die Umweltauswirkungen dieser Tätigkeiten werden nicht überprüft.
Aktualität des Konzeptes
Die erörterte Version des Konzeptes wurde im November 2014 fertiggestellt. Sie ist also nicht immer aktuell,
der beigelegte Umweltbericht reagiert aber nicht auf die Änderungen:
- die sog. Arbeitsgruppe für den Dialog gibt es nicht mehr, sie ist im Herbst
2016 zerfallen
- der Uranabbau wurde auch in Tschechien beendet
- dass die Ergebnisse der geowissenschaftlichen Erkundungen von SÚRAO für
alle neun Standortoptionen entsprechend der derzeitigen Planung bis 2020 vorgelegt und die Reduzierung der Standortoptionen
auf zwei Standortkandidaten bis dahin abgeschlossen werden können, erscheint vor dem Hintergrund, dass die
erforderlichen Untersuchungen noch ausstehen, eher unwahrscheinlich.
- erst 2015 wurden mit dem Vorschlag, das Endlager aus Akzeptanz- und Praktikabilitätsgründen
in der Nähe eines der beiden Kernkraftwerksstandorte Temelín und Dukovany zu errichten, die Auswahl
um zwei weitere Optionen ergänzt. Auch hier steht das Ergebnis der Erstprüfung noch aus. Bemerkenswert
in diesem Zusammenhang ist, dass sich die Leiterin der Regulierungsbehörde SÚJB erst im Dezember 2016
fachöffentlich und unabhängig von der laufenden Prüfung dafür ausgesprochen hat, dass das Endlager
am besten in der Nähe eines der Kernkraftwerke in Temelín oder Dukovany platziert wäre.
Dalibor Strasky, oö. Antiatom-Beauftragter: "Aus den genannten Gründen, auch mit Rücksicht
auf die Ergebnisse der Umweltprüfung für das ursprüngliche Endlager-Konzept aus dem Jahr 2001, muss
das tschechische Umweltministerium auch für die aktualisierte Version einen negativen Standpunkt erlassen.
Eine Zustimmung unter den derzeitigen Umständen ist nicht akzeptabel."
Weitere Schritte
Über die Aktivitäten der OÖ-Antiatomarbeit in Bezug auf die Endlagersuche in Tschechien, speziell
auch über die vorliegende Stellungnahme des Antiatom-Beauftragten wird am Montag, 21. August 2017 in der Sitzung
der Landesregierung berichtet.
Das Land Oberösterreich wird sich auch weiterhin an allen grenzüberschreitenden UVP-Verfahren bzw. vorangehenden
Scopingverfahren beteiligen und fachliche Stellungnahmen abgeben.
Auch anlässlich der Landesumweltreferent/innenkonferenz 2017 haben die Bundesländer in einem durch Oberösterreich
vorgelegten gemeinsamen Beschluss die Bundesregierung ersucht, ihre Bemühungen zu unterstützen, mögliche
negative Auswirkungen auf Österreich durch ein grenznahes Atommüllendlager für hochradioaktive Abfälle
zu verhindern. Zudem soll ein nachvollziehbares Auswahlverfahren mit ausreichender grenzüberschreitender Öffentlichkeitsbeteiligung
bei den tschechischen Behörden eingefordert werden.
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