Künstlich Sehen

 

erstellt am
16. 08. 17
13:00 MEZ

Farbpigmente aus dem Laserdruck als Schlüssel
Graz (meduni) - Veränderungen der Netzhaut können schwere Sehstörungen nach sich ziehen und sogar bis zur Erblindung führen. Internationale ForscherInnen haben gemeinsam mit der Med Uni Graz aus Farbpigmenten, wie sie beim Laserdruck eingesetzt werden, neue Nanostrukturen entwickelt, die mit Hilfe von Licht das künstliche Sehen ermöglichen sollen. Ihre bahnbrechende Entdeckung veröffentlichten die WissenschafterInnen jüngst im renommierten Journal Nature Communications.

Makula Degeneration: Schwere Sehbehinderungen bis hin zur Blindheit als Folge
Die Makula Degeneration - eine Gruppe von Erkrankungen der Netzhaut - ist eine der am häufigsten auftretenden schweren Sehstörungen und tritt oft altersbedingt auf. Der "Punkt des schärfsten Sehens", dessen unterschiedliche Zellen bei dieser Erkrankung einem allmählichen Funktionsverlust erliegen, ist Bestandteil der Netzhaut. Dieser Funktionsverlust führt zum Nachlassen der Sehschärfe und in weiterer Folge in vielen Fällen zu hochgradigen Sehbehinderungen bzw. Blindheit. Weltweit sind rund 30 Millionen Menschen von einer Makula Degeneration betroffen, in Österreich etwa 125.000 PatientInnen. "Bei einer Makula Degeneration sind die für das Sehen verantwortlichen Nervenzellen nach wie vor vorhanden, sie verlieren nur ihre Funktion", erklärt Univ.-Ass. PD DI Dr. Rainer Schindl, Institut für Biophysik der Med Uni Graz und Teil des internationalen ForscherInnenkollegiums, das nun mit einer Entdeckung aufhorchen lässt. In Farbpigmenten aus dem Laserdruck sehen die WissenschafterInnen den Schlüssel, um die Sehkraft künstlich wiederherstellen zu können.

Farbpigmente aus dem Laserdrucker sollen künstliches Sehen ermöglichen
Chemisch veränderte Farbstrukturen - wie sie beispielsweise im Laserdruck eingesetzt werden - könnten zukünftig durch die Makula Degeneration erblindeten Menschen das Augenlicht wieder zurückgeben. "Wir haben aus den Farbpigmenten dreidimensionale Formen in der Dimension von Körperzellen entwickelt. Diese Nanostrukturen können mit Laserlicht aufgeladen bzw. mit Hilfe von Laserlicht gesteuert werden", fasst Rainer Schindl zusammen. Den ForscherInnen ist es erstmals gelungen, Farbpigmente in Zellgröße mit feinen Kontaktstellen zur Oberfläche der menschlichen Zellen herzustellen. Unter dem Mikroskop können diese Farbpigmente durch einen intensiven kurzen Lichtstrahl Zellen elektrisch stimulieren. Ein ganz ähnlicher Prozess findet mit einem Bruchteil der Lichtstärke tagtäglich im menschlichen Auge statt und ermöglicht so das Sehen. Sobald Licht auf das Auge trifft, wird dieses in der Netzhaut verarbeitet und es entsteht ein Bild, indem das Licht von Millionen von Sehzellen aufgenommen und in elektrische Impulse umgewandelt wird. "Die Funktionalität dieser Sehzellen geht bei der fortschreitenden Sehstörung durch die Makula Degeneration unwiederbringlich verloren", beschreibt Rainer Schindl den Krankheitsverlauf. Die WissenschafterInnen arbeiten nun daran, diese fehlenden Sehzellen durch die entdeckten Farbstrukturen ersetzen zu können bzw. durch die Farbstrukturen die Weiterleitung der elektrischen Impulse zu steuern.

Lichtaktive Strukturen sollen Augenlicht wiedergeben
Gemeinsam mit Eric Glowacki von der Linköpings Universitet, Schweden, und Univ.-Prof.in Dr.in Ute Schäfer, Universitätsklinik für Neurochirurgie an der Med Uni Graz wird daran gearbeitet, die Farbstrukturen zu optimieren, um gezielt Nervenzellen der Netzhaut aktivieren zu können. Dabei verfolgen die WissenschafterInnen in Schweden und Graz gemeinsam ein sehr ambitioniertes Ziel. Die Vision der ForscherInnen lautet, ein künstlich aufgenommenes Bild der Umgebung auf die Netzhaut zu übertragen. "Hier könnte bei PatientInnen eine spezielle Brille mit einer eingebauten Kamera zum Einsatz kommen. Das von der Kamera aufgenommene Bild wird dann von einem verstärkten Lichtstrahl umgewandelt und in Form von elektrischen Impulsen an das Auge weitergeleitet", beschreibt Rainer Schindl die gemeinsame Forschungsvision. An der Netzhaut werden die künstlich eingesetzten Farbstrukturen stimuliert, welche wiederum die Nervenzellen im Auge aktivieren. "Diese Nervenzellen sind auch bei der Makula Degeneration noch vorhanden, nur in einem inaktiven Zustand", so Rainer Schindl. Das künstlich aufgenommene Bild wird schließlich über die Nervenzellen ins Gehirn weitergeleitet und kann von den PatientInnen gesehen werden.

Ähnliche Technologien erlauben bereits jetzt einigen PatientInnen wieder eingeschränkt sehen zu können. Das aufgenommene Kamerabild wird hier jedoch nicht über einen intensiven Lichtstrahl ins Auge geschickt, sondern über eine feine Verkabelung zu den Nervenzellen des Auges geleitet, was einer sehr aufwendigen Operation bedarf. Zudem ist der Sehbereich auf wenige Bildpunkte beschränkt. Die neuen Farbstrukturen würden es möglich machen, die Verkabelung zu den Nervenzellen des Auges durch einen gezielten Lichtstrahl zu ersetzen. "Wir hoffen darauf die Sehleistung bei PatientInnen mit Makula Degeneration künftig durch die lichtaktiven Strukturen entscheidend verbessern zu können", blicken die ForscherInnen in die Zukunft.

 

 

 

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