WKÖ-Vizepräsidentin beim Europäischen Forum Alpbach: EU muss sich wieder auf
das Wesentliche konzentrieren und den Bürgern eine attraktive Zukunftsvision vermitteln, um weiterhin erfolgreich
zu sein
Alpbach/Wien (pwk) - Trotz Friedensprojekt, Wirtschaftswunder und erfolgreicher Programme wie Erasmus wird
die Europäische Union zunehmend hinterfragt. Welche Lehren sind aus dem Binnenmarkt zu ziehen, welche Richtung
schlägt die EU künftig ein? Und gibt es für die Wirtschaft eine Alternative zur EU-Mitgliedschaft?
Um diese und viele weitere Themen zur Zukunft der EU ging es bei dem von der Stabsabteilung EU-Koordination der
Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) organisierten Arbeitskreis „Die EU auf dem Prüfstand: 60 Jahre
Konflikt und Kooperation in Europa“ im Rahmen der Politischen Gespräche des Europäischen Forum Alpbach
2017. Es diskutierte ein hochkarätiges Panel mit dem ehemaligen EU-Kommissar und frühere WTO-Generaldirektor
Pascal Lamy, dem Leiter der EU-Kommissionsvertretung in Österreich, Jörg Wojahn, dem britischen Botschafter
Leigh Turner und dem Direktor des Wirtschaftspolitischen Zentrums der Universität St. Gallen, Christian Keuschnigg.
Martha Schultz, Vizepräsidentin der WKÖ und des europäischen Kammerverbandes EUROCHAMBRES, strich
in ihrer Einleitung die wirtschaftlichen Vorteile der EU für Österreich hervor: „Keine Frage, wir Österreicher
haben von der europäischen Integration sehr profitiert. Die positiven Effekte der EU-Meilensteine – der Binnenmarkt
mit seinen 500 Millionen Konsumenten und 21 Millionen klein- und mittelständischen Betrieben, der Euro, die
Reisefreiheit und die große EU-Erweiterung - sind gerade in Österreich positiv spürbar. Und entgegen
der verbreiteten Meinung behaupten sich nicht nur die Großen am europäischen Markt. Gerade auch KMU
haben von der EU stark profitiert.“
Laut einer Studie des Wirtschaftspolitischen Zentrums der Universität St. Gallen dürfte der langfristige
Einkommensgewinn für Österreich bis zu 7 Prozent des BIP betragen. Natürlich stehen diesem Gewinn
auch Nettozahlungen an die EU gegenüber. Die Zahlungen betragen jedoch nur knapp 0,4 Prozent des BIP. Die
Rechnung geht also klar zugunsten der EU aus. „Nicht von ungefähr ist ein Öxit, also Austritt aus der
EU, der im Vorfeld der Brexit-Entscheidung auch in Österreich diskutiert wurde, nun kein Thema mehr“, so Schultz.
Österreich ist nicht nur ein großer wirtschaftlicher Nutznießer des EU-Binnenmarktes. Es hat
auch von der starken Internationalisierung und den EU-Handelsabkommen profitiert. Seit 1989 konnte Österreich
dadurch ein zusätzliches BIP-Wachstum von 21 Prozent erwirtschaften. Zudem wurden 375.000 Arbeitsplätze
geschaffen. Als kleines Land ist Österreich ganz besonders auf den Handel mit anderen Ländern angewiesen.
Ein möglichst ungehinderter Zugang zu Auslandsmärkten ist vor allem für KMU entscheidend.
Zugleich ist es nicht zu leugnen, dass Europa nach Jahre der Wirtschafts-, Finanz- und Schuldenkrise im internationalen
Vergleich an Wettbewerbsfähigkeit verloren hat. Diesem Problem müsse sich die EU stellen, das Wirtschaftswachstum
ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen, anstatt mit überbordender Bürokratie neue Hürden aufzubauen,
forderte Schultz in Alpbach. „Europa muss wieder verstärkt ein Projekt der Wirtschaft werden. Nur so kann
die Euroskepsis eingedämmt und den Bürgern eine attraktive Zukunftsvision geboten werden.“ Gefordert
sei zudem eine Konzentration auf das Wesentliche: „Wir können nur dann weiter erfolgreich sein in Europa,
wenn wir uns nicht in Details verzetteln. Die EU ist eine Erfolgsstory, auf die wir stolz sein können. Wir
müssen uns heute aber auf die großen Fragen konzentrieren“, so Schultz abschließend.
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