Ein Netz aus Protein und DNA verpackt alle Chromosomen in einen einzigen Zellkern
Wien (imba) - Forscher am IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie
der Wissenschaften – konnten erstmals nachweisen, welcher molekulare Mechanismus der Zelle hilft, alle Chromosomen
in nur eine Kernhülle zu packen, wie das Fachmagazin Cell aktuell berichtet.
Jede unserer Zellen enthält die Gebrauchsanweisung des Lebens – die DNA. Diese ist normalerweise im Zellkern
verpackt und von einer Membran umhüllt. Teilt sich eine Zelle, so muss auch die DNA an die Tochterzellen weitergegeben
werden. Damit das reibungslos funktioniert, verdichten sich die insgesamt 2 Meter DNA pro Zelle zu vielen X-förmigen
Transporteinheiten, den sogenannten mitotischen Chromosomen. Diese werden nun auf die beiden Tochterzellen aufgeteilt
und dort wieder in jeweils einen einzigen Zellkern verpackt. Dabei ist es wichtig, dass alle Chromosomen gemeinsam
in eine einzige Membranhülle kommen. Wenn einzelne Chromosomen separat verpackt werden, bilden sich mehrere
kleine Zellkerne, was mitunter fatale Konsequenzen für den Organismus haben kann. So können in den kleinen
Zellkernen etwa schwere DNA-Schäden entstehen, die zu Mutationen, Chromosomen-Umlagerung oder gar Chromosomenpulverisierung
führen. Dies wird auch oft in Krebszellen beobachtet und trägt vermutlich zur Entartung der Krebszellen
bei.
Wie Zellen es schaffen, ihr Genom richtig zu verpacken, war bisher nicht bekannt. Ein Forscherteam am IMBA konnte
nun zeigen, mit welchem eleganten Mechanismus die Zelle alle Chromosomen mit einer Kernmembran umhüllt. Eine
wichtige Rolle dabei spielt laut Forschern ein Protein namens BAF ("barrier-to-autointegration factor").
Es bindet in der Zelle an DNA und scheint für eine richtige Chromosomenverpackung eine wichtige Rolle zu spielen.
Ist BAF nicht vorhanden, zersplittert der Kern in mehrere kleine Teile. In ihrer aktuellen Publikation im renommierten
Fachmagazin Cell konnten die Forscher nun zeigen, welcher molekulare Mechanismus der Zelle hilft, ihr Genom fehlerfrei
zu verpacken. Durch moderne Imaging Methoden von lebenden Zellen konnten die Forscher die genaue Funktion von BAF
beschreiben und visualisieren, warum dieses kleine Protein bei der Zellteilung so wichtig ist.
BAF: Ein Protein, das die Chromosomen „unter eine Decke“ steckt
„BAF bildet kleine brückenartige Strukturen zwischen verschiedenen DNA Abschnitten und formt so eine Art engmaschiges
Netz, das die einzelnen Chromosomen miteinander verbindet. Die Kernmembran legt sich dann auf diese dichtgewebte
Struktur. Das molekulare Geflecht wirkt wie eine physische Barriere und verhindert, dass einzelne Chromosomen durch
das Raster schlüpfen und separat verpackt werden. Durch BAF stecken sie also alle quasi unter einer Decke,“
erklärt Matthias Samwer, Postdoktorand am IMBA und Erstautor der aktuellen Publikation.
Für die Forscher waren die Erkenntnisse überraschend, zeigen sie doch erstmals, dass die DNA-Architektur
auch für die Begrenzung von Zellorganellen eine wichtige Rolle spielt. „Unser Genom scheint hier als mechanisches
Gerüst zu wirken. Große, molekulare Strukturen, wie eine Kernmembran, können sich an dieser Barriere
an der Oberfläche orientieren und so alle Chromosomen umschließen. Wir freuen uns, dass wir nun einem
der großen Rätsel der Zellteilung näherkommen konnten,“ berichtet Daniel Gerlich, Gruppenleiter
am IMBA und Letztautor der Studie.
Originalpublikation: “DNA Cross-Bridging
Shapes a Single Nucleus from a Set of Mitotic Chromosomes”, Samwer et al, Cell (2017), http://dx.doi.org/10.1016/j.cell.2017.07.038
Über IMBA
Das IMBA – Institut für Molekulare Biotechnologie gehört zu den führenden biomedizinischen Forschungsinstituten
in Europa. Im Fokus stehen medizinisch relevante Fragestellungen aus den Bereichen Stammzellbiologie, RNA-Biologie,
Molekulare Krankheitsmodelle und Genetik. Das Institut befindet sich am Vienna Biocenter, einem dynamischen Konglomerat
aus Universitäten, akademischer Forschung und Biotechnologie-Unternehmen. Das IMBA ist ein Tochterunternehmen
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, der führenden Trägerin außeruniversitärer
Forschung in Österreich.
Über das Vienna BioCenter
Das Vienna BioCenter (VBC) ist Wiens größter Life Science-Standort und ein Zentrum molekularbiologischer
Spitzenforschung. Neben sechs Institutionen, die sich insbesondere der Grundlagenforschung widmen, befinden sich
gegenwärtig 17 Unternehmen am Standort in Neu Marx. Mehr als 1.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie
1.300 Studierende machen das VBC zu einem Hotspot innovativer Zugänge in den Lebenswissenschaften. Im wissenschaftlichen
Bereich sind das GMI, das IMBA, das IMP und die Max F. Perutz Laboratories die Aushängeschilder des Vienna
Biocenter. Die VBCF (Vienna Biocenter Support Facilites) bieten wissenschaftliche Infrastruktur auf höchstem
Niveau an.
|