Bildungsagenturen Europas diskutieren mit der zuständigen Generaldirektorin die Zukunft
des erfolgreichen EU-Programms ab 2021 in Alpbach und stecken die Landkarte ab.
Brüssel/Alpbach/Wien (öad) - Bereits jetzt startet die Diskussion zur Programmgeneration Erasmus+
ab 2021. Die OeAD-GmbH lud Martine Reicherts, Generaldirektorin für Bildung und Kultur der Europäischen
Kommission, sowie europäische Bildungsagenturen nach Alpbach, um die Zukunft des Programms Erasmus+ zu diskutieren.
Alle Länder sind sich einig, die drei sehr erfolgreichen Leitaktionen des Programms (Mobilität, Projekte
und die Unterstützung politischer Reformen) fortführen zu wollen. „Was gut funktioniert, wollen wir beibehalten“,
sagt Martine Reicherts. „Wir wollen eine Evolution, keine Revolution für das neue Programm.“
Mehr als 240.000 Personen aus Österreich packte in den vergangenen 30 Jahren das Fernweh, um in einem anderen
Land ein Praktikum zu absolvieren, zu studieren, zu lehren, zu arbeiten, ein Projekt zu initiieren oder eine Freiwilligentätigkeit
auszuüben. 37,5 Mio. Euro Fördermittel stehen 2017 in Österreich zur Verfügung, heuer werden
rund 15.000 Personen mit Erasmus+ mobil. Jährlich können rund 500 Projekte gefördert werden.
Wichtig ist dem OeAD-Geschäftsführer Stefan Zotti, der dieses hochrangig besetzte Treffen initiierte,
dass der Zugang erweitert und durch Digitalisierung verbessert werde. „Vor allem der Zugang für Einzelpersonen,
Schulen und Kindergärten und kleinere Institutionen muss einfacher werden“, wünscht sich Zotti. „Wir
schöpfen das Programm zu 100 Prozent aus, dennoch können wir die Anzahl der Menschen, die ins Ausland
gehen können, nicht beliebig erhöhen. Wir brauchen daher auch alternative Möglichkeiten der Mobilität,
etwa virtuelle Hörsäle und Klassenzimmer oder Kurzzeitstipendien.“ Das aktuelle Programm sieht für
Studierendenpraktika mindestens zwei, für Studienaufenthalte mindestens drei Monate vor.
Ausweitung über Europa hinaus
Aus Sicht der anwesenden Nationalagenturen soll auch der geografische Radius erweitert werden: Nicht nur Studierende,
Lehrende und Hochschulpersonal sollen über Erasmus+ weltweite Aufenthalte absolvieren können, wie dies
seit dem Studienjahr 2015/16 möglich ist, sondern auch Lehrlinge und Schüler/innen aus mittleren und
höheren Schulen. In Österreich konnten 2016 über die internationale Programmschiene 379 Studierende
(253 internationale Studierende und 126 österreichische) und 293 Lehr- und Fortbildsaufenthalte gefördert
werden. Die beliebtesten Länder waren Russland und Israel. Auslandsaufenthalte verbessern die Chancen am Arbeitsmarkt
und tragen zur Persönlichkeitsentwicklung bei. Insofern sei es laut Reicherts bei der Programmgestaltung auch
nötig, die Anforderungen der Wirtschaft und der jungen Menschen zu hören.
Darüber hinaus soll das neue EU-Programm inklusiver werden, formulieren die Mobilitätsagenturen ein wichtiges
bildungspolitisches Ziel. Es soll noch mehr als heute ein Programm für alle werden. Dabei gilt es, sowohl
finanzielle als auch organisatorische Unterstützung anzubieten. Zur aktuellen politischen Situation in Europa
ergänzt OeAD-Chef Zotti: „Bildung kann zur De-Radikalisierung beitragen.“ Generaldirektorin Reicherts betont
in diesem Zusammenhang: „Dies betrifft nicht nur junge Menschen, die gestern angekommen sind, sondern vor allem
auch jene, die schon zehn oder 20 Jahre in Europa leben.“ Aber auch die Eingliederung von Geflüchteten in
die nationalen Bildungssysteme stehe ganz oben auf der Agenda. Als konkrete Maßnahme stehen kostenfreie Online-Sprachkurse
zur Verfügung, die ansonsten Erasmus-Teilnehmer/innen vorbehalten sind. Bis dato wurden in Österreich
1.500 Lizenzen für den sogenannten „Online Linguistic Support for Refugees“ vergeben. Damit können die
Sprachen Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Italienisch und Niederländisch auf allen Levels (A1
bis C1) gelernt werden. Die Europäische Kommission stellt aktuell für Integrationsprojekte ein zusätzliches
Budget von 30 Mio. Euro zur Verfügung.
Zotti: „Erasmus ist ein Beispiel, wie Europa funktionieren kann und dass es sich lohnt, gemeinsame Herausforderungen
mit gemeinschaftlichen Lösungen zu begegnen. Wir sind gefordert, aktiv Verantwortung für unser Europa
zu übernehmen, ein Plädoyer für ein offenes und buntes Europa zu halten und unsere persönlichen
Erfahrungen und Netzwerke in die politische Diskussion einzubringen.“ Das 30-jährige Jubiläum des Programms
sei ein wunderbarer Anlass, nationalistischen, integrationsfeindlichen und illiberalen Tendenzen in ganz Europa
eine Absage zu erteilen.
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