NR-Präsidentin Doris Bures: Freue mich sehr, dass die bedeutenden Kunstobjekte in gutem
Zustand sind
Wien (pk) – Die Räumung des Parlaments im Zuge der Sanierungsarbeiten hat Überraschendes aus der
Geschichte des Hohen Hauses zutage gebracht. So entdeckte Anton Habrich, ein Mitarbeiter des Bau- und Gebäudemanagements
des Hauses, bei der Räumung eines Kellerraums des Parlaments ein Stoffbündel von offenbar beträchtlichem
Alter. Beim Ausrollen zeigte sich, dass es sich um zwei bestickte Samtbehänge handelt, deren Existenz im Laufe
der wechselhaften Geschichte des Hauses völlig in Vergessenheit geraten war.
"Ich freue mich sehr, dass die Kunstobjekte in erstaunlich gutem Zustand sind", so Nationalratspräsidentin
Doris Bures. Die Samtbehänge sind nahezu ident und zeigen das Wappen von Kaiser Franz Joseph I.; nach einer
hausinternen Recherche konnten sie als Teile der originalen Ausschmückung der Sitzungssäle des Abgeordnetenhauses
bzw. des Herrenhauses aus dem Jahr 1883 identifiziert werden.
Nationalratspräsidentin Doris Bures und MitarbeiterInnen des Hauses hatten Gelegenheit, eines der bemerkenswerten
historischen Objekte im Historischen Sitzungssaal des Parlaments näher in Augenschein zu nehmen. Für
diesen Raum, das ehemalige Abgeordnetenhaus, war das Kaiserwappen ursprünglich vorgesehen.
Die wertvollen Textilien weisen keine Beeinträchtigungen durch Schädlinge oder Feuchtigkeit auf, zeigen
aber eindeutige Gebrauchsspuren und kleine Beschädigungen und müssen fachkundig restauriert werden. Nach
ihrer Restaurierung sollen diese Zeugnisse der österreichischen Vergangenheit zu besonderen Anlässen
der Öffentlichkeit präsentiert werden.
Ausstattung für die vom Kaiser nie benützte Kaiserloge
Die Samtbehänge sind in den Farben Schwarz, Rot und Gold gehalten. In ihrer kunsthistorischen Bewertung und
Einordnung der Funde ist die ganz eigenständige künstlerische Gestaltung des Kaiserwappens hervorzuheben.
Insbesondere die antikisierende Gestaltung der Greife sowie dekorative Elemente der das Wappen flankierende Seitenstücke
tragen ganz deutlich die Handschrift von Theophil Hansen. Die Formsprache knüpft an dekorative Elemente an,
die der Architekt auch in anderen Teilen des Hauses verwendet hat. Das Erscheinungsbild des Wappens erklärt
sich dabei nicht nur aus dem Bemühen Hansens, das Parlamentsgebäude einem einheitlichen Gesamtkonzept
zu unterwerfen. Die Einbettung kaiserlicher Darstellungen in einen hellenistischen Deutungszusammenhang ist ein
für Hansen typischer Kunstgriff, mit der er Monarchie und Demokratie symbolisch zu vereinen versuchte. Franz
Joseph I. betrat das Haus am Ring insgesamt nur zweimal, bei der Gleichenfeier und nach der Fertigstellung des
Baus; er benützte aber die Kaiserloge bzw. den so genannten Kaisersalon nie.
Die beiden fast identen Behänge bestehen jeweils aus einem großen Mittelfeld mit dem Wappen von Franz
Joseph I. und zwei kleinen Seitenfeldern. Diese sind mit Rankenwerk und Putti geschmückt, die deutliche stilistische
Parallelen zu Wanddekorationen im Parlament aufweisen. Nicht nur aufgrund des Stils lassen sich die Behänge
zeitlich einordnen. Auf historischen Bilddokumenten ist einer der Behänge an der Brüstung der Kaiserloge
des Abgeordnetenhauses eindeutig identifizierbar. Der zweite Behang war Teil der Ausstattung des Kaisersalons.
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