Nationalratspräsidentin: Zunehmende Sanierung jüdischer Friedhöfe in Österreich
ist ein wichtiges Zeichen und ein Grund zur Freude
Wien (pk) - "Wir gedenken der hier bestatteten Verstorben und setzen zugleich ein Zeichen für
einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang mit unserer NS-Vergangenheit", sagte Nationalratspräsidentin
Doris Bures am 1. September bei der Eröffnung des jüdischen Friedhofes in Stockerau. In ihrer Funktion
als Vorsitzende des Kuratoriums des Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich
(Friedhofsfonds) konnte Bures den Friedhof offiziell der Stadtgemeinde zur Pflege übergeben. Der Friedhof
war 1874 eingerichtet worden, 1938 haben ihn die Nationalsozialisten geschlossen. "Jüdischen Friedhöfen
kommt in unserer Erinnerungskultur ein besonderer Stellenwert zu – sie dürfen niemals eingeebnet werden, sondern
sollen für alle Zeiten Bestand haben", sagte die Nationalratspräsidentin.
Die Sanierung des Friedhofs wurde seit 2011 in drei Teilprojekten mit Mitteln des Fonds in der Höhe von rund
102.500 € sowie seitens des Landes Niederösterreich mit rund 39.500 € unterstützt. Noch im Dezember 2016
hat der Friedhofsfonds gemeinsam mit der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien die Instandsetzungsarbeiten sowohl
in Stockerau als auch am jüdischen Friedhof in Deutschkreutz abgenommen, sodass die beiden Heimatgemeinden
die Pflege nun für 20 Jahre übernehmen können. Die Projekte in Deutschkreutz wie auch in Stockerau
wurden in enger Ansprache mit dem Bundesdenkmalamt durchgeführt.
Bures: Jüdische Friedhöfe sind Orte der Geschichte, die es zu retten gilt
"Friedhöfe sind Orte der Ewigkeit. Die Ruhe der Toten sollte unantastbar sein – und doch ist sie in den
Jahren des Nationalsozialismus nicht nur gestört worden, sondern die letzten Bleiben der Verstorbenen wurden
mit Füßen getreten. Zahllose Gräber wurden zerstört, die Namen der Toten ausgelöscht",
sagte Nationalratspräsidentin Bures. Erst in den vergangenen Jahren seien die jüdischen Friedhöfe
allmählich als Orte mit Geschichte begriffen worden, die es zu retten gelte, so Bures. Österreich habe
begonnen, der Zerstörung und der Achtlosigkeit einen Schritt der Verantwortung und des Respekts entgegenzusetzen.
Der Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe ist beim Nationalrat angesiedelt und wurde 2010
eingerichtet, um die Friedhöfe und mit ihnen die Erinnerung an Jahrhunderte jüdischer Geschichte in Österreich
zu bewahren. Der Fonds wird über einen Zeitraum von 20 Jahren insgesamt 20 Mio. € zur Verfügung stellen.
Gemeinsam mit den Eigenleistungen der Friedhofseigentümer und weiteren Förderungen werden die wichtigen
Sanierungen ermöglicht. Über die Arbeit des Fonds wird dem Nationalrat jährlich berichtet.
Vermehrt Sanierungsprojekte seit 2015
"Dass seit 2015, nach einer Überarbeitung der Förderrichtlinien, die mir als Vorsitzende des Fonds
ein besonderes Anliegen war, vermehrt Sanierungsprojekte eingereicht wurden, freut mich besonders. Mittlerweile
wurden fast 2,5 Mio. Euro an Fördermitteln beschlossen", sagte die Nationalratspräsidentin.
Bures dankte in Stockerau auch all jenen, die an dieser Sanierung mitgearbeitet haben, namentlich Architekt Wolfgang
Brenner und seinen MitarbeiterInnen, dem Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Oskar Deutsch, dem
Land Niederösterreich sowie dem Team um die Generalsekretärin des Nationalfonds, Hannah Lessing. Und
ein ganz besonderer Dank der Nationalratspräsidentin galt dem Bürgermeister der Stadt Stockerau, Helmut
Laab, der sich frühzeitig bereit erklärt hatte, die Pflege des Friedhofs in seiner Gemeinde zu übernehmen.
"Die Gemeinde leistet damit einen immens wichtigen Beitrag zur Übernahme der historischen Verantwortung
Österreichs", so Bures.
Helmut Laab: Einstmals blühende jüdische Gemeinde nicht in Vergessenheit geraten lassen
Helmut Laab, Bürgermeister der Stadtgemeinde Stockerau, sagte zum neu eröffneten Friedhof: "Sowohl
der Stadtgemeinde Stockerau als auch mir persönlich war es immer ein wichtiges Anliegen, den jüdischen
Friedhof Stockerau in gutem Zustand zu erhalten und so auch die MitbürgerInnen der einstmals blühenden
jüdischen Gemeinde nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Da war es nur logisch, dass Stockerau als erste
Gemeinde außerhalb Wiens im Jahr 2004 dem Washingtoner Abkommen beigetreten ist und schließlich auch
als erste Gemeinde Niederösterreichs die neue Pflegevereinbarung für den jüdischen Friedhof Stockerau
unterschrieben hat. Besonders stolz bin ich darauf, dass alle Beschlüsse in diesem Zusammenhang mit überwältigender
Mehrheit gefasst wurden. Das zeigt die breite Mehrheit und die Selbstverständlichkeit, mit der in Stockerau
mit diesem Thema umgegangen wird."
Oskar Deutsch: Der Friedhofsfonds hilft, die Friedhöfe wieder in einen würdigen Zustand zu bringen
Die gesetzliche Basis für den Fonds zur Instandsetzung der jüdischen Friedhöfe in Österreich
wurde im Dezember 2010 geschaffen, um die völkerrechtliche Verpflichtung Österreichs zur Restaurierung
und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe in Österreich, die im "Washingtoner
Abkommen" vereinbart worden war, umzusetzen.
Jüdische Friedhöfe sind nicht nur besondere Erinnerungsorte, viele von ihnen verfügen auch über
einen bedeutenden kulturhistorischen Wert. Der jüdischen Tradition entsprechend sind Grabstätten bis
an das Ende der Tage gedacht.
"Nach der Vertreibung oder der Ermordung der Mitglieder jüdischer Gemeinden in ganz Österreich waren
die jüdischen Friedhöfe in Österreich dem Verfall preisgegeben", betonte der Präsident
der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch. "Nur in Wien und den Landeshauptstädten entstanden
vergleichsweise kleine neue Gemeinden. Nach vielen Jahren konnte die gesetzliche Grundlage und ein Modus gefunden
werden, gemeinsam an die Arbeit zu gehen, um die Friedhöfe in einen würdigen Zustand zu bringen."
Im Auftrag der der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, die großteils Eigentümerin der jüdischen
Friedhöfe ist, wurden diese systematisch erfasst. Das Bundesdenkmalamt überprüfte zudem die Friedhöfe
auf ihre Denkmalwürdigkeit und nahm über 60 davon in die so genannte § 2a-Verordnung des Bundesdenkmalamtes
auf, wodurch sie unter Schutz gestellt sind. Die Friedhöfe umfassen jeweils zwischen zehn und mehreren hundert
Grabstellen, die Grabsteine datieren aus dem 15. bis ins 20. Jahrhundert. Mit Unterstützung des Fonds können
diese Friedhöfe vor dem Verfall bewahrt werden.
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