Breakout Session der WKÖ über Protektionismus-Tendenzen und Freihandelsabkommen
Alpbach/Wien (pwk) - Aktuelle Entwicklungen im internationalen Handel zeigen verstärkte Abschottungstendenzen
einiger Staaten. Welche Ursachen und welche Konsequenzen hat das? Was sind Vor- und Nachteile internationaler Handelskooperationen?
Und wie können die oft emotional geführten Debatten rund um Freihandelsabkommen stärker auf eine
sachliche Ebene geholt werden? Diese und viele weiterführende Fragen wurden am 30.08. im Rahmen der Wirtschaftsgespräche
des Forum Alpbach in der von Ralf Kronberger (WKÖ) moderierten Break Out Session diskutiert.
Gerade für eine kleine, Export orientierte Volkswirtschaft wie Österreich ist internationaler Handel
essentiell, unterstrich WKÖ-Vizepräsident Jürgen Roth und verwies darauf, dass in Österreich
in der Privatwirtschaft direkt und indirekt jeder zweite Job am Export hängt.
98% der heimischen Exporteure sind KMU
Vor allem für Klein- und Mittelbetriebe, die das Rückgrat der heimischen Wirtschaft darstellen, ist der
Zugang zu internationalen Märkten von existenzieller Bedeutung: Mehr als 41.000 KMU (von insgesamt rund 327.000
in Österreich) oder 98 % aller Exporteure sind KMU.
Eine Besonderheit Österreichs ist der mit rund 200 überaus hohe Anteil der „Hidden Champions“, also Unternehmen,
die mit ihren Produkten und Dienstleistungen Nischenweltmarktführer sind.
„Gerade, weil Österreich einer der größten Profiteure des internationalen Handels ist, sollte man
glauben, dass hierzulande in Bezug auf Freihandel eine positive Stimmung herrscht – doch das jedoch manchmal nicht
der Fall“, so Roth mit Verweis auf die emotional geführten Debatten rund um TTIP, CETA & Co. „Es ist uns
als Wirtschaftskammer ein ganz besonderes Anliegen, die Diskussionen auf eine sachliche Ebene zu heben und Fakten
einzubringen“, so Roth.
Felbermayr: Protektionismus kommt in neuen Formen
Gabriel Felbermayr, Leiter des ifo Zentrums für Außenwirtschaft in München, beleuchtete die
Argumente der Freihandelskritiker. „Freihandelsabkommen bringen Vor- und Nachteile, die es in den Debatten fair
abzuwägen gilt”. Viele Studien zeigen: Der Zugang zu internationalen Märkten schafft für ein Land
einen Zuwachs von Wirtschaftswachstum und Wohlstand. „Obwohl wir hier viele Fakten auf dem Tisch haben, werden
diese in der aktuellen Diskussion immer wieder in Frage gestellt“, so der Ökonom.
Felbermayr: „Wir sehen seit der Finanz- und Wirtschaftskrise eine Rückkehr des Protektionismus, dieser nimmt
jedoch neue Formen an: Es sind weniger Zölle oder Quoten, die von den Staaten eingesetzt werden, um Handel
zu beschränken. Stattdessen greifen Regierungen öfters zu diffizileren Handelsabwehr-Methoden.“
Der neue Protektionismus sei teilweise verantwortlich für den Rückgang des Welthandels. Der verzögerte
Abschluss neuer Handelsverträge wie TTIP kostet die EU 30 bis 75 Milliarden Euro ihres BIP pro Jahr. Der Protektionismus
unter Trump und der Brexit könnten annähernd so hohe Kosten bringen, warnte der Ökonom.
Gonzalez: Internationalen Handel umsetzen statt "nur" ermöglichen
„Dass es Probleme mit der Globalisierung gibt, ist nicht von der Hand zu weisen. Doch internationaler Handel
ist wie Werkzeug, das richtig eingesetzt, Nutzen und Vorteile bringt”, betonte Arancha Gonzalez, Executive Director
des ITC (International Trade Center). Es gehe darum, nicht nur Rahmenbedingungen zu schaffen, die internationalen
Handel ermöglichen, sondern tatsächlich in die Realität umsetzen. Dabei brauche es gerade Institutionen
wie die Wirtschaftskammern, die vor allem KMU durch ihre Serviceleistungen den Zugang zum internationalen Handel
erleichtern, unterstrich Gonzalez.
Richtig eingesetzte Handelsabkommen zwischen entwickelten und Entwicklungsländern könnten dazu beitragen,
viel weitreichendere Aspekte - etwa Menschenrechte und Arbeitsbedingungen – langfristig positiv zu beeinflussen.
Kalutkiewicz: USA bekennt sich zum freien und fairen Handel
Kate Kalutkiewicz, Handelsexpertin und Vertreterin der USA in der EU, erläuterte die jüngste Entwicklung
und Zielsetzungen der US-Handelspolitik und strich Parallelen zu Europa heraus: „Das Bekenntnis der USA zum freien
und fairen Handel ist nach wie vor aufrecht. Trump bekennt sich zum Handel und hat es sich zum Ziel gesetzt, den
Exportanteil der USA zu erhöhen“, so Kalutkiewicz, die schon für drei US-Präsidenten gearbeitet
hat. Auch in den USA ist der Anteil der KMU sehr hoch – und diese Betriebe profitieren deutlich vom internationalen
Handel.
Pallum: Auf dem Weg zu globalisierten Standards
Priit Pallum, Experte für Handel im estnischen Außenministerium, gab einen Einblick in die unterschiedlichen
Einflussebenen der Handelspolitik. „Der Großteil des Weltwirtschaftswachstums wird außerhalb der EU
erzielt – umso wichtiger wird es sein, dass Europa hier geschlossen auftritt, um auch künftig ambitionierte
Handelsabkommen sowohl auf multilateraler, als auch auf bilateraler Ebene erfolgreich abschließen zu können.“
Dabei verlieren Zölle zunehmend an Bedeutung, während verstärkte Kooperation bei Regularien auf
allen Ebenen immer wichtiger wird.
„Es geht um die Erstellung von globalen Standards. In einigen Bereichen haben wir das bereits geschafft: Fußball
etwa spielt man auf der ganzen Welt nach den gleichen Regeln. Im internationalen Handel wird das etwas schwieriger.“
|