Linz (lk-ooe) - Die Rinderhaltung ist in der oberösterreichischen Landwirtschaft ein bedeutender Erwerbszweig,
wobei sowohl bei der Milch- als auch in der Fleischproduktion die hohe Qualität eine große Rolle spielt.
Mit über 570.000 Rindern und einem Anteil von gut 29 Prozent am gesamtösterreichischen Bestand ist Oberösterreich
das rinderstärkste Bundesland. Sowohl in der Milcherzeugung - ein Drittel der österreichischen Milch
kommt aus Oberösterreich - wie in der Rindermast hat Oberösterreich den größten Anteil an
der österreichischen Produktion. Auch in der Herdebuchzucht von Rindern reichen die züchterischen Erfolge
mittlerweile bis weit über die Landesgrenzen hinaus. Zuchtrinder aus Oberösterreich sind international
gefragt.
Der Gesamtwert der Einnahmen aus der Rinderhaltung in Oberösterreich beträgt ca. 600 Millionen Euro.
Diese verteilen sich etwa je zur Hälfte auf Milchverkauf bzw. den Verkauf von Rindfleisch, Zucht- und Nutzrindern.
Somit stammen rund zwei Drittel der Einnahmen aus Viehhaltung. Wesentliche Basis für die wirtschaftlich erfolgreiche
Rinderhaltung sind Genetik und Tiergesundheit. Durch optimale Veranlagung und Haltung erbringen die Tiere hohe
Leistungen - und dies gleichzeitig bei hoher Langlebigkeit und Gesundheit. Die Rinderzuchtverbände bemühen
sich intensiv darum gemeinsam mit den Züchtern auf den Betrieben die genetische Basis weiter zu optimieren.
"Zieht man die aktuellen Zahlen aus dem Rinderexport heran, so zeigen die Ergebnisse, des ersten Halbjahres,
dass die heimischen Züchter mit ihrer Strategie auch auf dem internationalen Parkett erfolgreich sind. Erfreulich
ist dabei auch die Preisentwicklung. Bei Kalbinnen - den trächtigen weiblichen Jungrindern - beispielsweise
hat der Preis auf den Versteigerungen gegenüber dem Vorjahr um rund 15 Prozent auf rund 2.300 Euro zugelegt.
Auch bei den anderen Kategorien (Kühe, Kälber) haben sich Preisverbesserungen ergeben", erklärt
Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Reisecker.
Haltungssysteme im Stall
Grundsätzlich unterscheidet man bei Ställen für Milchkühe zwischen Laufstall und Stall
mit Anbindehaltung, wobei bei Neubauten heute der Laufstall Standard ist. Hier bewegen sich die Tiere im Stallgebäude
frei zwischen Futter- und Liegeplatz. Diese Aufstallungsform ist die erste Wahl in punkto Tierwohl. In Oberösterreich
werden rund 75 Prozent der Zuchtkühe in Laufställen gehalten. 60 Prozent aller Betriebe verfügen
über einen Laufstall. Das Tierschutzgesetz schreibt bei Ställen mit Anbindehaltung zumindest an 90 Tagen
pro Jahr freie Bewegungsmöglichkeit für die Rinder vor, um bestmögliche Tiergesundheit und Fitness
zu gewährleisten. Man spricht daher auch von "Kombinationshaltung".
Der Lebensmittelhandel signalisiert den Molkereien zunehmend, mittelfristig nur mehr Milch und Milchprodukte zu
übernehmen, deren Rohmilch von Kühen aus Laufställen stammt. Sollten die Molkereien gezwungen sein,
diesen Forderungen nachzugeben, wäre dies das Ende für eine Vielzahl von mittleren und kleineren Betriebe.
"Die Umrüstung auf einen Laufstall wäre mit hohen Kosten verbunden, die von den Betrieben vielfach
nicht verdient werden könnten. Es ist auch nicht im Sinne der Konsumenten, durch solche Forderungen gerade
kleinere Milchbetriebe zum Ausstieg aus der Produktion zu zwingen. Die Landwirtschaftskammer fordert daher mehr
Augenmaß. Die Forderung nach einem generellen Ausstieg aus der Anbindehaltung wäre kontraproduktiv und
hätte eine massive Beschleunigung des Strukturwandels zur Folge. Alternativ sieht die Landwirtschaftskammer
Oberösterreich die Möglichkeit, im Rahmen von speziellen Markenprogrammen Milch aus Laufstallhaltung
anzubieten. Eine Umstiegsquote von 100 Prozent ist nicht realistisch", mahnt der LK-Präsident.
Erfolgreiche Vermarktung über Zuchtorganisationen
Die Zuchtbetriebe ergänzen ihren Tierbestand überwiegend aus der betriebseigenen Nachzucht. Darüber
hinaus können aber auch noch Nachzuchttiere verkauft werden. Die Inlandsnachfrage nimmt nur einen geringen
Anteil an den zum Verkauf stehenden Zuchtrindern ein. Der Großteil wird überwiegend in Drittländer
außerhalb der EU exportiert. Durch das professionelle Management der Zuchtorganisationen werden die Zuchttiere
in ausreichender Menge und zu adäquaten Preisen - über Versteigerungen oder Ankäufe direkt vom Betrieb
- vermarktet. Dabei werden für Exportfirmen und ausländische Kaufinteressenten entsprechende Angebote
erstellt und der termingerechte Abtransport der Tiere von den Züchterbetrieben in die Vermarktungsstallungen
organisiert. Sie veranlassen die notwendigen Veterinär-Untersuchungen bis hin zur Exportabfertigung und sorgen
dafür, dass der Züchter fristgerecht den vereinbarten Kaufpreis erhält. Vor der Exportabfertigung
werden die Tiere in der Regel einer mehrwöchigen Quarantäne in speziellen Stallungen unterzogen. Erst
nach Bescheinigung des Gesundheitsstatus können sie ins Ausland verkauft werden. Alle diese Abläufe setzen
jahrzehntelanges logistisches Know How voraus, um im weltweiten Zuchtviehgeschäft konkurrenzfähig zu
bleiben.
Hauptabsatzmarkt Türkei
"Wie bereits in den Vorjahren ist auch 2017 die Türkei der wichtigste Markt für unsere Zuchtrinder.
Von rund 6.000 exportierten Zuchtrindern wurden 3.900 Stück, also rund zwei Drittel, in das Land an den Bosporus
exportiert. Unsere Zuchtrinder, allen voran die Fleckvieh-Rinder, werden von den türkischen Rinderhaltern
hoch geschätzt", erläutert Johann Hosner, Obmann der Erzeugergemeinschaft Fleckvieh Inn- und Hausruckviertel
(FIH).
Nachdem in der Türkei aus religiösen Gründen kaum Schweinefleisch verzehrt wird, besteht eine enorme
Nachfrage nach Rindfleisch. Diese Nachfrage kann von den türkischen Rinderhaltern derzeit nicht gedeckt werden.
Aus diesem Grund sind die Rindfleischpreise in der Türkei auch deutlich höher als in Österreich.
Die gute Mastfähigkeit der männlichen Fleckviehkälber sowie die Fleischfülle der Altkühe
stellt für die türkischen Kunden einen ganz wesentlichen Vorteil gegenüber milchbetonten Rassen
dar. Dies findet auch im Kaufpreis seinen Niederschlag.
So wurden auf den Versteigerungen in Oberösterreich für trächtige Kalbinnen im August im Schnitt
rund 2.500 Euro pro Tier bezahlt. Dies sind absolute Spitzenwerte, wie sie in den letzten Jahren noch nicht erzielt
wurden. Zum Vergleich: In Deutschland werden für Kalbinnen von milchbetonten Rassen um rund 1.000 Euro weniger
bezahlt.
Allerdings stellen türkische Käufer auch überdurchschnittlich hohe Ansprüche an die Abstammung
der Tiere. Neben der väterlichen Abstammung ist insbesondere die Leistung der Mutter der Kalbin ein wichtiges
Kriterium beim Kauf. Zudem müssen die Tiere spezielle veterinäre Anforderungen erfüllen.
Neue Märkte im Aufbau
Nachdem nur ein Teil der Zuchtrinder für den türkischen Markt in Frage kommt, braucht es zusätzliche
Absatzmärkte. Ein wichtiger Markt ist Aserbaidschan, wohin von Oberösterreich aus heuer bereits 750 Tiere
geliefert wurden. Weitere 220 Kalbinnen wurden nach Usbekistan bzw. ca. 180 Tiere in den Iran verkauft. Darüber
hinaus werden verschiedene
EU-Länder (zB. Polen, Spanien, Italien, Irland) und Drittländer, wie zB. Marokko, Serbien oder die Schweiz
mit geringeren Stückzahlen beliefert.
Dank hochmoderner und komfortabler LKWs, können die teils beträchtlichen Transportstrecken ohne Beeinträchtigung
zurückgelegt werden. Diese Spezialfahrzeuge verfügen über auf die Bedürfnisse der Tiere abgestimmte
Fütterungseinrichtungen mit Tränken und werden von professionell geschulten Fahrern gelenkt. Lebendtiere
sind eine wertvolle und sensible Fracht, die ihren Bestimmungsort wohlbehalten und gesund erreichen muss.
Hoher Veterinär-Standard als Voraussetzung für Exporterfolge
Neben erstklassiger Genetik und professionellem Management, das die Käufer durch die Zuchtverbände
erhalten, ist der hohe veterinäre Standard in Österreich eine der wesentlichen Voraussetzungen für
die Exporterfolge der Züchter. Bei IBR, einer viralen Lungenerkrankung, sowie auch BVD, einer Viruserkrankung
mit Durchfall und Abortus- Fällen, ist Oberösterreich sein langem frei von diesen Erkrankungen und kann
damit gegenüber internationalen Mitbewerbern punkten.
Neu hinzugekommen sind allerdings in den letzten Jahren Viren, die durch stechende Insekten übertragen
werden und wo der Rinderhalter kaum vorbeugen kann. Zu nennen ist hier unter anderem das "Blue Tongue"-Virus
(BT-Virus). Dieses Virus wanderte vom Balkan in Richtung Österreich und trat in den letzten Jahren vereinzelt
im Osten und Süden des Bundesgebietes auf. "Bei einem Auftreten des BT-Virus müssten die Exporte,
insbesondere in den für uns so wichtigen türkischen Markt, umgehend eingestellt werden. Eine Wanderung
des Virus in Richtung Oberösterreich konnte glücklicherweise bislang nicht festgestellt werden",
so FIH-Obmann Johann Hosner.
Auf den Menschen sind diese Viren nicht übertragbar und daher ungefährlich. Im Rinderbestand können
aber - je nach Virustyp - teils starke Krankheitssymptome und Leistungseinbrüche auftreten.
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