Die dunkle und die helle Seite der Algorithmen

 

erstellt am
30. 08. 17
13:00 MEZ

Automatische Problemlöser: Algorithmen haben mehr Einfluss auf uns als uns bewusst ist. Die ALGO 2017 versammelt die Spitzen der internationalen Algorithmik-Forschung in Wien.
Wien (tu) - Algorithmen bestimmen unser Leben: Sie entscheiden, welche neuen Freunde uns auf Facebook vorgeschlagen werden, sie bewerten, ob wir einen Kredit erhalten sollten, und sie legen in manchen Fällen sogar bereits fest, wer wann welche medizinische Behandlung bekommt. Das führt manchmal zu Unbehagen – doch das ist die falsche Reaktion, meint Prof. Stefan Szeider von der TU Wien. Im Gegenteil: Kluge Algorithmen sind heute nicht nur die entscheidende Triebfeder für unsere Technologie, sie können sogar für Fairness und Transparenz sorgen.

Vom 4. bis 8. September 2017 findet die größte jährliche europäische Konferenz über Algorithmen statt: Die ALGO 2017 ist ein Zusammenschluss von sechs verschiedenen Konferenzen und Workshops über Algorithmen, die gemeinsam an der TU Wien veranstaltet werden.

Hat der Computer zu viel Macht?
Der deutsche Justizminister Heiko Maas warnte vor der übermäßigen Macht der Algorithmen. „Und auch in den Medien schwingt bei diesem Begriff oft etwas Dunkles, Unheimliches mit“, findet Stefan Szeider. „Es mag schon sein, dass es eine dunkle Seite der Algorithmen gibt, aber bei uns in der Wissenschaft beschäftigen wir uns mit der hellen Seite. Bei uns geht es um Effizienz, um Problemlösungen, um Transparenz.“

Ein Algorithmus ist nichts anderes als eine Handlungsvorschrift, mit der man auf automatisierte Weise ein Problem lösen kann. Das muss nicht einmal auf einem Computer stattfinden, wir legen uns jeden Tag bestimmte Algorithmen zurecht, oft ohne darüber nachzudenken: Wie gelingt es uns, einen Haufen Socken zu wohlgeordneten Paaren zusammenzufügen? Welche Route wählen wir, wenn wir zum Supermarkt fahren, Geld abheben und die Tochter aus der Geigenstunde abholen wollen? Wie lassen sich Spielkarten am raschesten sortieren?

Meist gibt es viele verschiedene Algorithmen, die solche Probleme lösen und garantiert das optimale Ergebnis liefern – doch sie unterscheiden sich oft dramatisch in der Anzahl der Rechenschritte, die sie zum Finden der Lösung benötigen. Dasselbe gilt für komplexere Algorithmen, mit denen man es in der Computerwissenschaft zu tun hat: „Ein ganz klassisches Problem ist das des Handlungsreisenden, der eine größere Anzahl von Orten in beliebiger Reihenfolge besuchen soll und den kürzesten Weg finden muss, der all diese Punkte verbindet“, erklärt Stefan Szeider. „Wenn die Zahl der Orte groß wird, ist diese Aufgabe selbst für leistungsfähige Computer nicht optimal zu lösen.“

In vielen Bereichen hat man es heute mit schwierigen Problemen zu tun, die nur in überschaubarer Zeit gelöst werden können, wenn man sich kluge Algorithmen überlegt. In welcher Reihenfolge lässt man auf einem großen Flughafen die Flüge starten, um Wartezeiten zu minimieren? Wie weist man einer großen Anzahl von Personen jeweils passend Zeit an einem teuren medizinischen Behandlungsgerät zu, damit jeder seine nötige Behandlung erhält und niemand benachteiligt wird? Wie berechnet man die Positionen der Objekte in einem Computerspiel schnell genug, um eine flüssige Darstellung zu erlauben?

„Viele der Probleme, mit denen man es jeden Tag zu tun bekommt, lassen sich auf Varianten bekannter Standard-Probleme zurückführen“, erklärt Stefan Szeider. „Wenn man es in der Algorithmik-Forschung also schafft, neue, bessere Lösungswege für klassische Standard-Probleme zu finden, kann das plötzlich in vielen ganz unterschiedlichen Bereichen sehr nützlich sein.“ Wie sehr diese Art der Forschung unsere Technologie beeinflusst wird gerne unterschätzt: „Jeder weiß, dass sich die Hardware ständig weiterentwickelt. Aber die Tatsache, dass unsere Computer dieselben Probleme heute viel schneller lösen als vor ein paar Jahrzehnten, hat genauso (und in manchen Fällen gerade) damit zu tun, dass wir heute effizientere Algorithmen dafür entwickelt haben“, betont Szeider.

Neue Aufgaben: Big Data und Datenschutz
Außerdem kommen ständig neue Fragestellungen hinzu, für die man sich neue Algorithmen ausdenken muss: Wie geht man mit großen Datenmengen effizient um? In welchen Fällen ist es sinnvoller, Daten von einem Server auf den eigenen Computer zu laden und damit dann Berechnungen durchzuführen, und wann ist es klüger, den Server rechnen zu lassen, und erst das Ergebnis auf den eigenen Computer zu laden? Auch der Schutz unserer Privatsphäre macht neue Algorithmen nötig: So kann man etwa Suchmaschinen so programmieren, dass nachträglich nicht mehr eindeutig nachvollziehbar ist, von wem welche Anfrage kam. Die Antworten werden zwar an die richtige Person zugestellt, aber die Anonymität bleibt, zumindest in einem gewissen Rahmen, doch gewahrt.

„Das Entscheidende an Algorithmen ist, dass sie genau nachvollziehbar sind und mit Sicherheit genau das tun, was sie tun sollen“, sagt Stefan Szeider. „Wenn die Problemstellung mit all ihren Spezifikationen klar definiert ist, kann man mit mathematischer Genauigkeit beweisen, dass der Algorithmus die richtigen Ergebnisse liefern wird.“ Das unterscheidet den Algorithmus von menschlichen Entscheidungsträgern, die oft unberechenbar aus dem Bauch heraus urteilen. Insofern können Algorithmen ein Schritt in Richtung Fairness und Transparenz sein – sofern man genau weiß, wie sie arbeiten und welches Ziel sie verfolgen.

 

 

 

Weitere Informationen:
https://algo2017.ac.tuwien.ac.at/

 

 

 

 

 

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