… zur Integration von weiblichen Flüchtlingen Frauen stärken, Männer in die
Pflicht nehmen – Europäisches Forum Alpbach: Seyran Ates, Saida Keller-Messahli und Karin Kneissl über
Herausforderungen bei der Integration von weiblichen Flüchtlingen
Alpbach/Wien (öif) - Bereits zum fünften Mal nahm der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF)
heuer am Europäischen Forum Alpbach teil. Im Rahmen einer Breakout-Session zum Thema „Neue Freiheiten, alte
Zwänge? Herausforderungen bei der Integration von weiblichen Flüchtlingen in Österreich“ diskutierten
die zahlreichen TeilnehmerInnen mit Nahost-Expertin Karin Kneissl, Seyran Ates, Gründerin einer vielbeachteten
liberalen Moschee in Deutschland und Sprecherin der europäischen Bürgerinitiative „Stop Extremism“ und
Saida Keller-Messahli, Präsidentin des Forum für einen fortschrittlichen Islam und Trägerin des
Schweizer Menschenrechtspreis sowie Farnaz Beikzadeh-Abbasi, die ÖIF-Werte- und Orientierungskurse hält.
Gleichberechtigung als Basis des Zusammenlebens vermitteln
Seyran Ates, Imamin und Rechtsanwältin, betont: „Gleichberechtigung und Freiheit von Mann und Frau - auf
diesen Werten basiert unser Zusammenleben in Europa. Weibliche Flüchtlinge und Zuwanderinnen werden jedoch
oft durch patriarchale innere Haltungen und Einstellungen ihres Umfelds zurückgehalten. Das ist ein Problem
und das müssen wir ernstnehmen – ganz klar. Wir müssen Männern und Frauen vermitteln, dass Integration
in Europa nur gelingen kann, wenn alle diese Grundsätze respektieren.“
Saida Keller-Messahli, Präsidentin des Forums für einen fortschrittlichen Islam, fügt ebenfalls
hinzu: „Man muss den Flüchtlingen und ZuwanderInnen klarmachen, dass Rollenbilder, die auf patriarchalischen
Regeln beruhen, nicht nach Europa passen. Frauen und Männer müssen gleichermaßen verstehen, dass
der Stellenwert der Frauen und Töchter hier ein anderer ist. Natürlich müssen Frauen selbst Chancen
wahrnehmen und mutig sein. Österreich schafft durch die verpflichtenden Deutsch- und Wertekurse eine wichtige
Grundlage dafür, dass Frauen an der Gesellschaft Anschluss finden und ihren Horizont erweitern können.“
Grundlegend andere Erwartungen an Frauen in Europa
Nahost-Expertin Karin Kneissl betont, dass viele weibliche Flüchtlinge falsche Vorstellungen von dem Leben
in Europa haben: „Zugewanderte Frauen aus Ländern wie Libyen, Syrien oder dem Irak sind es gewöhnt im
öffentlichen Raum nicht sichtbar zu sein. Das bedeutet, dass ihre Rolle oftmals ausschließlich auf den
Haushalt beschränkt ist. Dadurch werden sie in eine passive Rolle gedrängt. In Europa erwarten wir dann
plötzlich von ihnen, die Sprache zu lernen, berufstätig zu sein und gleichzeitig auch Haushalt und Kinderbetreuung
zu vereinen. Viele überfordert das schlichtweg.“
Farnaz Beikzadeh-Abbasi, Dolmetscherin in den Werte- und Orientierungskursen des ÖIF: „Natürlich braucht
es Integrationsangebote seitens der Aufnahmegesellschaft, aber diese müssen von ZuwanderInnen eigenverantwortlich
angenommen werden. Dazu braucht es vor allem auch die Eigeninitiative der Frauen. Sie müssen sich aktiv informieren
und ihre Chancen auch ergreifen. Dazu muss man vor allem rasch die Sprache lernen: Nur wer eine Stimme hat, kann
in der österreichischen Gesellschaft Anschluss finden. Das ist eine zentrale Botschaft in unseren Werte- und
Orientierungskursen.“
Neue ÖIF-Publikation: „Gewalt gegen Frauen“
In der neuen Ausgabe der ÖIF-Interviewreihe „Perspektiven Integration“ setzen sich sechs Expert/innen
mit dem Thema Gewalt gegen Frauen im Kontext von Migration auseinander: Emina Saric (Projektleiterin ‚HEROS – Gegen
Unterdrückung im Namen der Ehre‘), Jasmin El-Sonbati (Gymnasiallehrerin, Buchautorin und Initiatorin von ‚Offene
Moschee Schweiz‘), Nahost-Expertin Karin Kneissl, Naila Chikhi (Projektreferentin bei CONNECT, einem Projekt von
Terre des Femmes) , Waris Dirie (Bestseller-Autorin und Sonderbotschafterin der Vereinten Nationen), Sibel Öksuz
(Verein ‚Orient Express‘) sowie Elisabeth Tichy-Fisslberger (Leiterin der Sektion IV im Bundesministerium für
Europa, Integration und Äußeres).
Franz Wolf, Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds, betont: „Die Gleichberechtigung
von Mann und Frau ist hierzulande eine Selbstverständlichkeit. In den letzten Jahren sind jedoch viele Frauen
aus Ländern zugewandert, in denen sie kaum Rechte besitzen und auch immer wieder Gewalt – seien es Zwangsheirat
oder häusliche Übergriffe - ausgesetzt sind. Dem müssen wir entgegentreten und unser aufgeklärtes
Frauenbild klar und deutlich vermitteln.“
Die Gespräche im Zuge der Informationsreihe „Perspektiven Integration“ wurden mit Köksal Baltaci (Redakteur
"Die Presse") geführt. Nachzulesen unter http://www.integrationsfonds.at/perspektiven
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