Der Kakadu hat (k)einen Haken
Wien (universität) - Goffin-Kakadus benötigen in der freien Natur keine Werkzeuge. In Experimenten hat
sich jedoch gezeigt, dass diese indonesische Kakadu-Art sehr wohl geschickt genug ist, solche einzusetzen. KognitionsbiologInnen
der Universität Wien sowie der Veterinärmedizinischen Universität Wien um Isabelle Laumer und Alice
Auersperg haben die Fähigkeit dieser Vögel, Werkzeug zu benutzen, untersucht und nachgewiesen, dass die
Tiere verblüffenderweise Hakenwerkzeuge (sowie in einem weiteren Test Stoßwerkzeuge) herstellen, ohne
jemals zuvor Haken gesehen oder benutzt zu haben.
Vor 15 Jahren verblüffte die Krähe Betty die Wissenschaftswelt: Britische ForscherInnen beobachteten,
wie das Tier aus einem Draht einen Haken bog, um damit ein kleines Körbchen mit Futter aus einer Röhre
zu angeln. Obwohl mittlerweile bekannt ist, dass Neukaledonische Krähen auch in freier Wildbahn Werkzeuge
herstellen und verwenden und diese Fähigkeit bis zu einem gewissen Grad angeboren ist, wird Bettys spontanes
Verhalten dennoch als bemerkenswertes Beispiel individueller Kreativität und Innovationsfähigkeit betrachtet.
Lange Zeit schrieb man komplexe kognitive Leistungen nur unseren nächsten Verwandten, den Menschenaffen, zu.
Mittlerweile ist bekannt, dass sowohl Rabenvögel als auch Papageien wie die Goffin-Kakadu, eine ähnliche
Neuronendichte in den jeweiligen Hirnarealen sowie ähnliche kognitive Fähigkeiten besitzen.
Das Experiment
"Wir konfrontierten unsere Kakadus mit dem gleichen Problem wie Betty: Die Vögel erhielten ein mit
einer Cashewnuss befülltes Körbchen am Boden eines vertikalen Plexiglasröhrchens und als einziges
Hilfsmittel ein gerades Stück Draht. Um an den Inhalt des Körbchens zu gelangen, mussten die Tiere den
Draht zu einem Haken verbiegen, das Werkzeug richtig herum einführen, den Haken in den Henkel einhängen
und das Körbchen hochziehen", erklärt Isabelle Laumer, die die Studie im Rahmen ihrer Doktorarbeit
am Goffin Lab in Niederösterreich durchführte.
In einem weiteren Versuch befand sich die Cashewnuss in der Mitte eines horizontalen Röhrchens. Um zu dem
Futter zu gelangen, mussten die Tiere ein um 90 Grad gebogenes Drahtstück gerade biegen. Nur dadurch konnten
sie das Futter aus dem Röhrchen herausstoßen.
Mehrere Kakadus kamen auf die Lösung, ein Tier schaffte sogar beide Aufgaben. "Die Kakadus zeigten dabei
unterschiedliche Techniken, um die Haken zu biegen. Meistens wurde der Haken direkt mit dem Schnabel gebogen und
dann das selbst hergestellte Werkzeug sofort eingeführt. Auffällig ist, dass die Haken generell stärker
gebogen waren als die der Krähen", so Laumer.
"Die Innovationsfähigkeit der Vögel hat uns erstaunt: Anders als Krähen hatten sie keine Vorerfahrung
mit Hakenwerkzeugen. Sie sind weder darauf spezialisiert, Werkzeuge zu bauen oder zu gebrauchen, noch biegen sie
Äste beim Nestbau", schildert Alice Auersperg, die Leiterin des Goffin Labs des Messerli Forschungsinstituts
in Wien: "Die Tatsache, dass nur manche Kakadus auf die Lösung gekommen sind und dass die Technik, den
Haken zu biegen von Tier zu Tier unterschiedlich war, lässt vermuten, dass die Kakadus das Problem ganz individuell
gelöst haben und dabei nicht auf angeborene stereotype Verhaltensweisen zurückgegriffen haben".
"Die generelle Intelligenz der Goffin-Kakadus erlaubt ihnen augenscheinlich, ungewöhnliche Probleme zu
lösen, die sie in der freien Wildbahn üblicherweise nicht antreffen", so Auersperg abschließend.
Publikation in "Proceedings of the Royal Society B"
Getting hook bending off the hook: bending and unbending of pliant tools
in Coffin's cockatoos (Cacatua goffiniana): Isabelle Laumer, Thomas Bugnyar, Stephan Reber, Alice Auersperg. Proceedings
of the Royal Society B, 20171026.
http://dx.doi.org/10.1098/rspb.2017.1026
Weitere Informationen über das Goffin-Lab: https://www.vetmeduni.ac.at/en/messerli/science/cognition/wildlife/goffin-lab/
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