Wien (kunstpresse) - Der Dagmar Chobot Skulpturenpreis ist ein mit € 10.000 dotierter Nominierungspreis, der
jährlich von der Wiener Galeristin Dagmar Chobot und dem Stiftungspartner Bildrecht, der Urheberrechtgesellschaft
für Bildende Kunst, an eine/n zeitgenössische/n Bildhauer/in, die/der in Österreich lebt und arbeitet
vergeben wird. Als erster Preis seiner Art in Österreich wird er explizit dem Medium Skulptur gewidmet und
berücksichtigt neben klassischen Zugängen auch experimentelle Ansätze und Installationen. Der Preis
unterliegt keiner Altersbeschränkung.
Eine jährlich wechselnde Fachjury legt ihr Augenmerk auf Positionen, die sich durch eine eigenständige
Formensprache und eine nachvollziehbare Profilierung innerhalb der österreichischen Kunstszene auszeichnen,
oder deren öffentliche Wahrnehmung noch eine Verstärkung verdient. 2016 wurde Angelika Loderer mit dem
ersten Dagmar Chobot Skulpturenpreis geehrt.
Der Dagmar Chobot Skulpturenpreis 2017 wird von der Preisstifterin Dagmar Chobot am Montag, den 16. Oktober 2017
um 19 Uhr in Anwesenheit der NominatorInnen und Jurymitglieder im Leopold Museum Wien zum zweiten Mal übergeben.
Damit erfüllt sich Dagmar Chobot den persönlichen Wunsch einer nachhaltigen Förderung eines für
sie maßgeblichen künstlerischen Mediums, das sie seit 1971 als Galeristin, Kuratorin und Sammlerin im
Rahmen ihrer Ausstellungsaktivitäten in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt.
„Der Galerienboom in den 1990er Jahren erforderte es, sich als Galerie noch eindeutiger zu positionieren. Ich habe
mich damals bewusst für eine verstärkte Konzentration auf das Medium Skulptur entschieden. Auch der Basler
Galerist Felix Buchmann hat stets auf die hervorragende Qualität österreichischer BildhauerInnen verwiesen,
die jedoch mit ihren Werken in der österreichischen und internationalen Kunstszene kaum wahrgenommen werden.
Es ist an der Zeit, diesem Potenzial eine gebührende Wertschätzung und öffentliche Aufmerksamkeit
zu geben“, kommentiert die Initiatorin und Preisstifterin, Dagmar Chobot.
„Ich sehe den Skulpturenpreis als großartige Bereicherung der heimischen Preislandschaft. Denn insbesondere
in diesem Medium arbeitet hierzulande eine Vielzahl von profilierten, zeitgenössischen KünstlerInnen,
die immer wieder neue Perspektiven setzen und herausragend im Umgang mit Material, Form und Inhalt sind“, so Günter
Schönberger, Geschäftsführer der Bildrecht.
Stiftungspartner Bildrecht
Um die Organisation und die Fortschreibung des Stiftungszweckes zu sichern, wurde die Bildrecht als institutioneller
Stiftungspartner gewählt. Als Urheberrechtsgesellschaft im Bereich der bildenden Kunst sensibilisiert sie
die Öffentlichkeit für kulturrelevante Themen und stärkt die existenzielle Basis von über 4000
KünstlerInnen österreichweit durch die Verteilung von Tantiemen, durch umfassende Förderprogramme
und durch zahlreiche Ausstellungsaktivitäten. www.bildrecht.at
Preisvergabe 2017 Modalitäten
Um eine unparteiische Jurierung zu gewährleisten, sind die Gremien des Dagmar Chobot Skulpturenpreises in
Jurymitglieder und NominatorInnen unterteilt. 2017 wurde von sechs NominatorInnen jeweils eine Position aus dem
Bereich zeitgenössischer Skulptur, Plastik, Objektkunst oder Installation eingereicht. Aus diesen Vorschlägen
ermittelt die Jury den/die PreisträgerIn.
NominatorInnen 2017 Silvie Aigner (Chefredakteurin Parnass), Katrin Bucher-Trantow (Chefkuratorin Kunsthaus Graz),
Berthold Ecker (Direktor MUSA Wien), Elsy Lahner (Kuratorin Albertina Wien), Genoveva Rückert (Kuratorin OK
- Offenes Kulturhaus Linz) und Christoph Thun-Hohenstein (Direktor MAK Wien)
Jury 2017 Dagmar Chobot (Preisstifterin und Juryvorsitzende), Heike Eipeldauer (Kuratorin BA Kunstforum Wien),
Edelbert Köb (Kurator), Günter Schönberger (Geschäftsführer Bildrecht) und Hans-Peter
Wipplinger (Direktor Leopold Museum Wien)
Nominierte 2017
Manfred Erjautz (*1966 in Graz) arbeitet seit den 1990ern mit Codierungen, mit Bezeichnungen und Bezeichneten.
Seine unterschiedlichen Formate, von kleineren Objekten, über umfangreiche Installationen, bis hin zu Werken
im öffentlichen Raum, sind von einer ironischen Distanz durchdrungen, die gelegentlich auch in subtilen Humor
übergeht. In seinen Werkgruppen befasst sich Erjautz mit Strichcodes und Logos der Konsumwelt, mit Manipulationen
stadträumlicher Situationen und Funktionen. Besonders markant sticht die Beschäftigung mit Lego-Bausteinen
hervor, mit denen er komplexe Skulpturen, teilweise schussfähige Waffen und religiöses Inventar, zusammenstellt.
Manfred Erjautz bewirkt mit seinen vielgestaltigen Eingriffen und Irritationen in einer durch und durch funktionalisierten
Umwelt ein Aufmerken und Einhalten. Dadurch holt der Künstler den Zauber und die Poesie wieder zurück
in einen monoton verordneten Alltag. Er lebt und arbeitet in Wien.
Sophie Hirsch (*1986 in Wien) verarbeitet in ihren Objekten industrielle Materialien wie Gips, Gummi,
Draht, nutzt Verpackungs- und Schutzfolien, deren transparente Beschaffenheit sie unter enormen Spannungen, mit
Seilen und schweren Tauen, zu einem voluminösen Körper zusammenrafft. In anderen Arbeiten verdreht, faltet
und drapiert sie milchige Polycarbonat-Platten mit PVC-Schnüren an der Wand und übergießt sie mit
schwarzem Silikon. Mit besonderem Augenmerk auf die sinnlichen Eigenschaften von Spannung, Textur und Materialästhetik
bezieht sich Hirsch auf eine skulpturale Praxis, die sich auf die Fusion von organischen Formen und synthetischen
Werkstoffen konzentriert. Die Künstlerin zeigt dabei weniger eine Konzeptualisierung der Minimal Art, als
eine selbstreflexive Objekthaftigkeit wie sie der Arte Povera eigen ist. Sie lebt und arbeitet in New York.
Markus Jeschaunig (*1982 in Graz) Inspiriert von den Kräften und Dynamiken der Lithosphäre,
Hydrosphäre, Atmosphäre und Biosphäre erforscht Markus Jeschaunig mit großem Witz und technisch
gleichermaßen überzeugend, natürliche, soziale, räumliche und ökonomische Systeme und
menschliche Verfahrenstechniken. Angesichts gravierender Klima-, Umwelt- und Ressourcenprobleme leistet Jeschaunig,
der zudem in der künstlerischen Forschung an der Biosphäre tätig ist, in seinen Objekten und Installationen
Kritik an vorherrschenden Systemen und thematisiert ungenutzte Energiepotentiale. So leitete er in der Grazer Innenstadt
die Abwärme zweier Kühlhäuser in eine temporäre Gewächshaushülle für den Anbau
tropischer Früchte („Oase No.8“), spielt in „Barrel You!“, einer Installation in Form eines tropfenden Stundenglases,
auf die Endlichkeit des Rohstoffes Erdöl an, oder versucht sich an einer Neuauflage des Perpetuum Mobile,
der pataphysischen Lösung aller Energieprobleme. Er lebt und arbeitet in Graz und Unterpremstätten.
Bernd Oppl (*1980 in Innsbruck) In minutiös gebauten oder 3D-gedruckten Modellen und unter Anwendung
von Spezialeffekten aus Fotografie und Film greift Bernd Oppl in öffentliche Orte, etwa die Tate Modern, den
Österreich-Pavillon in Venedig, aber auch in unbekannte Räume, wie Korridore, Wartezimmer oder Kinosäle,
ein. In seinen Videoskulpturen experimentiert der Künstler mit physikalischen und chemischen Eigenschaften
von Materialien, schwappt in einem Gang eine Vielzahl weißer Bälle hin und her, lässt einen schwarzen
Sack von Wand zu Wand rutschen, oder eine dunkle Substanz in einer Zimmerecke kollabieren. Seine Objekte regen
neue Blickrichtungen an, sind beweglich und ephemer. Bernd Oppl integriert den kinematografischen Konnex von Technologie
und Illusion und baut damit eine Spannung zwischen der Welt des medialen Scheins und jener der produktions-technischen
Wirklichkeiten auf. Er lebt und arbeitet in Wien.
Werner Reiterer (*1964 in Graz) Entgegen sperriger Gegenwartskunstrezeption positioniert sich Werner
Reiterer als exzellenter Analytiker von makabrer Doppelbödigkeit sowie kulturphilosophischen Fragestellungen.
Schwarzer Humor gepaart mit einem überaus lapidaren Umgang mit der Wirklichkeit resultiert bei ihm in Installationen
und Objekten, die gewohnte Ordnungen durchkreuzen. So realisiert der Künstler spannungsreiche Arbeiten im
öffentlichen Raum, lässt ein Auto in die Mariensäule in Leibnitz krachen, sein Publikum Kästen
anschreien, auf Punchingbälle schlagen. Sich selbst bringt er als uneitle, fragende Mittlerfigur und wohl
„neutralsten“ Stellvertreter des Menschen an sich immer wieder ins Spiel. Skulptur versteht Werner Reiterer vor
allem als Gedankenkonstrukt, das Erwartungshaltungen an Kunst konterkariert, Sinn und Unsinnigkeiten unserer Lebenswelt
thematisiert. Zusätzlich tragen seine grafischen Arbeiten als Neuinterpretation der „Bildhauerzeichnung“,
den Verweis auf die mögliche Umsetzung einer Projektidee in sich. Er lebt und arbeitet in Wien.
Sofie Thorsen (*1971 in Århus) thematisiert in ihren Arbeiten kulturell verankerte Gegebenheiten
und reflektiert anhand der Aneignung und Adaption vorgefundener Bilddokumente politische, soziale und kunsthistorische
Kontexte. Mittels abstrakter Zeichenhaftigkeit, der Betonung von Unschärfen und Leerstellen, analysiert die
Künstlerin in ihrer aktuellen Werkgruppe „Precious Things That Come Out of the Ground“ die Präsenz und
Absenz von zerstörtem oder geraubtem Kulturgut aus archäologischen Fundstätten im Nordirak. Ein
zweiter Themenkomplex setzt Bereiche der Skulptur, der Architektur und des Designs in Relation zu Gesellschaft
und kommunaler Verantwortung. Mit „Spielplastiken“ schuf Thorsen fragile Gerüstkonstruktionen, die sich auf
ein Kunst-am-Bau-Projekt aus den 1950er Jahren beziehen, eliminiert darin figurative Bestandteile und lädt
ein, den Begriff „sozial“ in der Gegenwart neu zu definieren. Sofie Thorsens Arbeiten eröffnen ein Feld ambivalenter
Sichtbarkeiten und changieren zwischen erkennbarer Realitätsabbildung, kleinen Utopien und möglicher
Fiktion. Sie lebt und arbeitet in Wien.
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