Erforderliche Zweidrittelmehrheit für Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention
Brüssel/Wien (pk) - Neue organisatorische und verfahrensrechtliche Regelungen am Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) umfasst ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention
(EMRK), das vom Nationalrat am 20.09. mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit genehmigt wurde. Gegen das Abkommen
sprachen sich die Freiheitlichen aus, unter anderem weil es aus ihrer Sicht vorab durch den österreichischen
Verfassungsgerichtshof geprüft werden sollte.
Die Regelungen umfassen etwa die Einführung eines Höchstalters für KandidatInnen für die Wahl
der EGMR-RichterInnen. AnwärterInnen dürfen demnach künftig das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet
haben. Zur Zeit endet die Amtszeit der RichterInnen mit der Vollendung des 70. Lebensjahres, diese Bestimmung soll
entfallen. Zudem soll nunmehr ausdrücklich das Subsidiaritätsprinzip und der Ermessensspielraum der einzelnen
Vertragsstaaten der EMRK in der Präambel festgeschrieben werden.
Darüber hinaus wird durch das Zusatzprotokoll die Beschwerdefrist von sechs auf vier Monate verkürzt.
Entfallen soll außerdem das Widerspruchsrecht, wenn Rechtssachen von der Kleinen Kammer an die Große
Kammer abgegeben werden sollen. Gestrichen wird auch die Bagatellbeschwerde, die es dem Gerichtshof ermöglicht
hatte, eine Beschwerde für unzulässig zu erklären. Diese findet in der Praxis nämlich so gut
wie keine Anwendung, heißt es in der Regierungsvorlage.
Grund für die Anpassungen im EGMR sind unter anderem eine hohe Zahl von eingebrachten Beschwerden und ein
Rückstau an anhängigen Verfahren. Das Individualbeschwerderecht soll laut Regierungsvorlage aber auch
weiterhin gesichert sein.
FPÖ ablehnend, SPÖ und ÖVP sehen Weiterentwicklung, Grüne einen guten Kompromiss
Johannes Hübner sprach sich seitens der Freiheitlichen gegen das Abkommen aus. Dieses sollte aus seiner Sicht
vorab durch den österreichischen Verfassungsgerichtshof geprüft werden. Darüber hinaus hält
er eine Minderung der Rechte, also die Verkürzung der Beschwerdefrist von sechs auf vier Monate, für
nicht sinnvoll. Außerdem sei der EGMR nicht uneingeschränkt positiv zu beurteilen, so Hübner. Dieser
habe in Österreich in Kompetenzen eingegriffen - wie etwa beim Adoptionsrecht für homosexuelle Paare
oder im Bereich Abschiebung –, die einem Gerichtshof nicht zustehen würden.
Demgegenüber bekräftigte Reinhold Lopatka (V), dass nirgendwo anders Menschrechte so sehr geschützt
würden wie in Europa. Es sei ihm ein Anliegen, hier auch Vorbild zu sein. Die EMRK sei das entscheidende Instrument,
dass Einzelne Ihre Rechte durchsetzen können. Das führe aber auch zu einem enormem Rückstau, weil
immer mehr EuropäerInnen dies in Anspruch nehmen. Daher sei wichtig, das Regelwerk durch Reformen weiterzuentwickeln
um den EGMR effizienter auszugestalten. Den Anstieg der Verfahren und die vorliegende Weiterentwicklung hob auch
Elisabeth Pfurtscheller (V) hervor. Außerdem stellte sie in den Raum, ob nicht hinsichtlich der Situation
der Pressefreiheit in der Türkei etwa eine Maßnahme des kollektiven Staatenschutzes mit rechtlichen
Schritten ins Auge zu fassen wäre.
Die Bedeutung der EMRK zum Schutz der Grund- und Menschenrechte unterstrich Christine Muttonen (S) ebenso. Es sei
nicht hinnehmbar, dass durch den Anstieg der Beschwerden Entscheidungen jahrelang dauern. Das Protokoll werde dazu
beitragen, dass die Effizienz gesteigert wird und jede BürgerIn in absehbarer Zeit zu ihrem Recht kommen kann.
Menschrechte seien unteilbar, sagte Alev Korun (G), sie könne nur begrüßen, dass es EMRK und EGMR
gibt. Sie dankte der Regierung explizit für die Verteidigung des Individualbeschwerderechts. Das vorliegende
Protokoll ist für sie ein Kompromiss, mit dem sie gut leben könne - im Sinne von Effizienz, ohne zusätzliche
Hürden einzubauen.
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