Weitere Beschlüsse: "Verländerung" der Wohnbauförderung, Klarstellungen
bei den Selbsterhalterstipendien
Wien (pk) - Die Debatte über den Bundesrechnungsabschluss 2016 bot am 20.09. im Nationalrat den Abgeordneten
noch einmal Gelegenheit, die Budget- und Steuerpolitik der Bundesregierung einer kritischen Analyse zu unterziehen.
Das vom Rechnungshof erstellte Papier – quasi die Jahresbilanz des Bundes – weist vor allem einen Anstieg bei den
Fremdmitteln und eine Erhöhung des negativen Nettovermögens aus. Während die SPÖ bereits erste
positive Auswirkungen der Steuerreform erkannte, erteilte die ÖVP angesichts des Standes der Staatsschulden
teuren "Wahlzuckerln" eine klare Absage. FPÖ und NEOS forderten die Abschaffung der kalten Progression,
die Grünen wiederum setzen auf einen Kurswechsel in Richtung ökologische Steuerreform. Rechnungshofpräsidentin
Margit Kraker warnte ihrerseits vor Risiken durch ungeplante Maßnahmen.
Fix ist nun auch die sogenannte "Verländerung" der Wohnbauförderung. Die Abgeordneten verabschiedeten
ein entsprechendes Gesetz, das die Länder ermächtigt, den Wohnbauförderungsbeitrag autonom festzusetzen
und einzuheben. Nicht durchsetzen konnten sich Grüne und NEOS dabei mit ihrem Vorstoß auf Zweckbindung
der Wohnbauförderung. Einstimmig beschlossen wurden überdies Adaptierungen der Inkrafttretensbestimmungen
bezüglich der Selbsterhalterstipendien.
Weitere Erhöhung des negativen Nettovermögens des Bundes
Es gebe nichts zu beschönigen, der negative Trend habe sich auch 2016 fortgesetzt, fasste Rechnungshofpräsidentin
Margit Kraker die Ergebnisse des letztlich von SPÖ und ÖVP genehmigten Bundesrechnungsabschluss es zusammen.
So hat sich das negative Nettovermögen des Bundes 2016 gegenüber 2015 um 5,4% erhöht, wobei parallel
dazu auch die Fremdmittel angewachsen sind, und zwar um 5,1%. Grund dafür sind vor allem höhere Finanzschulden
sowie neue Rückstellungen zur Sicherung des Rückkaufs der durch den Kärntner Ausgleichszahlungs-Fonds
begebenen Anleihen. Die Steuerreform wiederum schlug sich 2016 durch erhebliche Rückgänge der Abgabenerträge,
insbesondere Umsatzsteuer, Kapitalertragsteuer und veranlagter Einkommensteuer nieder. Was wiederum die Einhaltung
der Haushaltsziele betrifft, werden Mehrkosten Österreichs für Flüchtlinge und Terrorismusbekämpfung
von der EU nunmehr als Sonderkosten anerkannt.
Das budgetierte Nettoergebnis konnte im Wesentlichen erreicht werden, die Abweichung betrug bloß 132 Mio.
€, erklärte Finanzminister Hans Jörg Schelling, der im Übrigen auf Sondereffekte im Gefolge der
Heta-Abwicklung erinnerte. Die Steuerreform wiederum habe gewirkt und zu einer nachhaltigen Stärkung des Wachstums
und einer Ankurbelung des Konsums geführt.
SPÖ will Faktor Arbeit stärker entlasten
Die SPÖ richtete ihren Blick auf das Steuersystem, wobei Kai Jan Krainer von einem Missverhältnis
zwischen der Besteuerung von Arbeit und den Steuern auf Vermögen sprach und mehr Steuergerechtigkeit verlangte.
Gemeinsam mit Andreas Schieder und Wolfgang Knes verlangte er eine steuerliche Entlastung des Faktors Arbeit und
trat dabei im Gegenzug für eine Steuer auf Millionenerbschaften sowie große Vermögen ein. Schieder
bewarb im Übrigen die Initiativen seiner Fraktion auf Reform des Mietrechtes und Gleichstellung von ArbeiterInnen
und Angestellten und warf der ÖVP vor, unter dem Einfluss ihrer reichen Spender zu stehen. Die Auswirkungen
der Steuerreform sind spürbar, nun gelte es den erfolgreichen Weg von Bundeskanzler Kern fortzusetzen, betonte
Karin Greiner. Das Wachstum steigt, die Arbeitslosigkeit sinkt, bestätigte ihr Wolfgang Katzian, der sich
mit Nachdruck gegen Einsparungen bei Pensionen und ihm Sozialbereich aussprach. Nurten Yilmaz wiederum wies im
Rahmen ihrer Wortmeldung auf die Bedeutung des Integrationsjahres für MigrantInnen hin.
ÖVP gegen "Wahlzuckerln"
Für die ÖVP geht es vor allem darum, die SteuerzahlerInnen zu entlasten und das Ziel einer Senkung
der Abgabenquote auf 40% nicht aus den Augen zu verlieren. Gabriele Tamandl warnte in diesem Zusammenhang vor teuren
"Wahlzuckerln", was ihr Fraktionskollege Werner Groiß mit den Worten bekräftigte, wir sollten
heute nicht Geld für Sachen ausgeben, die wir morgen nicht bezahlen können. Zuspruch erhielt er dabei
von Kathrin Nachbaur, die für mehr Leistungsgerechtigkeit eintrat und Handlungsbedarf insbesondere bei Reformen
im Pensionssystem sowie hinsichtlich der Verankerung einer Schuldenbremse ortete. Sie warnte zudem vor einer Einwanderung
in das Sozialsystem und verwehrte sich mit Nachdruck gegen Vermögenssteuern. Österreich brauche mehr
Wettbewerb, mehr Marktwirtschaft und mehr Unternehmergeist, aber keine neuen Steuern, pflichtete ihr Georg Vetter
bei.
Franz-Joseph Huainigg wiederum brach in einer emotionalen Abschiedsrede eine Lanze für die Rechte und insbesondere
die Würde von Menschen mit Behinderung und stellte fest, durch seine eigene Lebensexpertise, die er ins Parlament
eingebracht hatte, sei einiges gelungen – von der persönlichen Betreuung für Behinderte bis hin zur heute
selbstverständlichen Dolmetschung in Gebärdensprache.
FPÖ und NEOS fordern Stopp der kalten Progression
Die Opposition bewertete den Bundesrechnungsabschluss naturgemäß kritisch. Roman Haider qualifizierte
namens der FPÖ das Ergebnis als desaströs und sah darin einen Ausdruck der Reformverweigerung und Untätigkeit
der Bundesregierung. Österreich liege mit seiner Abgabenquote von über 43% im internationalen Spitzenfeld,
beklagte sein Fraktionskollege Hubert Fuchs. Eine dauerhafte Entlastung sei nur durch die Abschaffung der kalten
Progression möglich, nicht aber durch Einführung von Erbschafts- und Schenkungssteuern, die letztlich
wieder nur den Mittelstand treffen würden. Auch für NEOS-Klubobmann Matthias Strolz ist der Bundesrechnungsabschluss
Anlass, Reformen voranzutreiben, die die Menschen steuerlich entlasten. Seine gemeinsam mit der FPÖ eingebrachte
Initiative auf Abschaffung der kalten Progression blieb bei der Abstimmung allerdings in der Minderheit. Claudia
Gamon (N) warf der Regierung verantwortungslosen Umgang mit dem Steuergeld zum Nachteil der jüngeren Generationen
vor und meinte, nun seien unpopuläre Maßnahmen notwendig, dies etwa im Pensionssystem. FPÖ-Tourismussprecher
Gerald Hauser schließlich unternahm einen neuerlichen Anlauf zur Rücknahme der Mehrwertsteuererhöhung
auf Beherbergung und forderte zudem eine Angleichung der Abschreibungsdauer von Investitionen im Tourismus an die
tatsächliche Lebensdauer. Beide Initiativen fanden keine Mehrheit.
Grüne für Umbau des Steuersystems in Richtung Ökologisierung
Seitens der Grünen hielt Werner Kogler ein Plädoyer für eine Ökologisierung des Steuersystems
und mehr Steuergerechtigkeit. Seiner Meinung nach gilt es, das System umzubauen und den Faktor Arbeit zu entlasten.
Sein Fraktionskollege Matthias Köchl wiederum will die Selbstständigen steuerlich entlasten, konnte sich
aber mit seinem Antrag auf Erhöhung der Wertgrenze für geringfügige Wirtschaftsgüter von 400
auf 1.000 € nicht durchsetzen.
Kritische Worte kamen auch vom fraktionslosen Abgeordneten Bruno Rossmann, der der ÖVP vorwarf, mit ihrer
Steuerpolitik Großkonzerne und Privatstiftungen zu begünstigen. Leopold Steinbichler (o.F.) schlug in
dieselbe Kerbe und vermisste jegliche Steuergerechtigkeit.
Wohnbauförderung: Länder erhalten Tarifautonomie
Ab 2018 werden die Länder für die Festsetzung der Höhe des Wohnbauförderungsbeitrags sowie
für dessen Einhebung selbst zuständig sein. Der Beitrag, der zur Hälfte von Dienstgeber und Dienstnehmer
getragen wird, betrug bisher 1% der Bemessungsgrundlage der Sozialversicherung. Der mit den Stimmen von SPÖ,
ÖVP und FPÖ beschlossene Initiativantrag der Regierungsparteien gibt nun den Ländern volle Tarifautonomie.
ÖVP-Abgeordneter Werner Groiß sah in der Tarifautonomie der Länder bei der Wohnbauförderung
einen Meilenstein in der österreichischen Steuergeschichte. SPÖ-Wirtschaftssprecher Christoph Matznetter
hingegen wertete den Antrag als Kompromiss und gab zu bedenken, ein Beitrag zum Bürokratieabbau sei dies nicht.
Grundsätzlich wäre es besser, einheitliche Bedingungen für alle zu haben. Roman Haider (F) begrüßte
namens seiner Fraktion den Vorstoß als ersten Schritt in Richtung Steuerautonomie der Länder. Sein Fraktionskollege
Philipp Schrangl sprach das Thema Mietrecht an und verlangte in einem Antrag, der bei der Abstimmung allerdings
abgelehnt wurde, die Abschaffung der Mietvertragsgebühr. Werner Kogler (G) und Gerald Loacker (N) drängten
auf eine Zweckbindung der Wohnbauförderung inklusive der Rückflüsse, wobei der Grün-Abgeordnete
in diesem Zusammenhang schwere Vorwürfe an das Land Niederösterreich richtete. Entsprechende Anträge
der beiden Oppositionsparteien fanden allerdings keine Mehrheit. Finanzminister Hans Jörg Schelling erklärte
dazu, der Bund habe bei reinen Landesabgaben keine Möglichkeit einer Zweckbindung.
Anpassungen bei den Selbsterhalterstipendien
Einstimmig verabschiedet wurde schließlich auch ein Initiativantrag der Regierungsparteien betreffend Selbsterhalterstipendien.
Hier geht es vor allem darum, durch Adaptierungen der Inkrafttretensregelung sicherzustellen, dass jene rund 300
StudentInnen eine Zuerkennung erhalten, die bereits schriftlich über ihren Anspruch informiert wurden und
nun kein ausreichendes Einkommen vorweisen können.
FPÖ-Mandatar Roman Haider unterstützte die Initiative als Beitrag zur Verbesserung der Lage der Studierenden,
übte aber heftige Kritik an den zahlreichen Eingangsprüfungen und an der finanziellen Ausstattung der
Studien. Gerade für jene Studienrichtungen, die die Wirtschaft und die Gesellschaft besonders brauchen, fehle
das Geld, befand er. Wolfgang Klinger (F) zeigte sich besorgt über den Facharbeitermangel und forderte in
einem Antrag die Wiedereinführung des sogenannten Blum-Bonus zur Förderung der Lehrlingsausbildung. Diese
Initiative fand bei der Abstimmung keine Mehrheit.
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