Erstmals internationale Studie über die Machbarkeit eines europaweiten Ausstiegs. Vor
EuGH-Entscheidung über Schlüsselprojekt Hinkley Point, europaweite Allianz der Regionen für Atomausstieg
gegründet
Hinkley Point/Linz (lk) - Oberösterreich startet eine neue Offensive für einen schrittweisen europaweiten
Atomausstieg. Die Chancen sind günstig: denn die Erneuerbaren haben in der EU den Atomstrom längst überflügelt,
Europas AKW sind überaltert - 60 % der Atomanlagen sind älter als 30 Jahre - und die Atomenergie wurde
u.a. durch die Preissenkungen bei den Erneuerbaren in den vergangenen Jahren immer unwirtschaftlicher. Neubauten
sind ohne Milliardensubventionen nicht mehr umsetzbar.
Oberösterreichs Umwelt-Landesrat Rudi Anschober hat deshalb eine EU-Allianz der Regionen für einen
europaweiten Atomausstieg gegründet (bereits 15 Regionen mit 50 Millionen Einwohner/innen sind Mitglied) und
will politischen und rechtlichen Druck machen, damit Subventionen für die Atomenergie untersagt und hochriskante
Laufzeitverlängerungen für alte AKW gestoppt werden.
Anschober: "Gelingt dies, dann ist die Tür offen für den schrittweise europaweiten Atomausstieg!"
Nächster Schritt ist die Entscheidung über die geplanten Milliardensubventionen für das Schlüsselprojekt
für die Atomwirtschaft, das britische AKW Hinkley Point C. Nach einer von Anschober mitinitiierten Nichtigkeitsklage
gegen die Zustimmung der EU- Kommission zu diesem Bruch des Wettbewerbsrechts wird am 5. Oktober 2017 diese Klage
am Europäischen Gericht erster Instanz mündlich verhandelt. Spätestens Anfang 2019 ist die definitive
Entscheidung zu erwarten. Gewinnen die Atomgegner, dann ist das das Ende der Atomsubventionen in der EU.
In einer umfassenden Studie im Auftrag des Landes Oberösterreich belegt das SERI- Institut, dass der Atomausstieg
wirtschaftliche Vorteile für Europa bringen würde, die Klimaschutzziele gut verwirklicht werden könnten
und sich mit einem Atomausstieg im Vergleich zum bisherigen Kurs sogar die Strompreise mittelfristig reduzieren.
LR Anschober: "Dies ist massiver Rückenwind für meinen Kurs. Wir werden die Studie nun in den entscheidenden
Staaten Tschechien und Frankreich präsentieren. Mein Ansatz, ganz auf den wirtschaftlichen Hebel gegen Atomkraft
zu setzen, geht auf.
Entscheidet nun auch der EuGH gegen staatliche Beihilfen für Hinkley Point C, gibt es keinen wirtschaftlich
darstellbaren Weg mehr für Energiekonzerne, Neubauten von AKW zu verwirklichen! Und gleichzeitig werden wir
durch den Auf- und Ausbau der Allianz der Regionen starken politischen Druck in Brüssel aufbauen, damit eine
klare Weichenstellung gegen Subventionen, für eine klare Laufzeitbeschränkung und damit für einen
schrittweisen europaweiten Atomausstieg erfolgt."
Neuer Statusbericht zeigt: Atomkraft am Boden - Erneuerbare am Vormarsch
Der kürzlich vorgestellte World Nuclear Industry Status Report zeigt klar: Die Atomkraft liegt am Boden. Extreme
Börsenverluste, jahrelange Verzögerungen bei den laufenden Reaktor-Baustellen, Kostenexplosionen, dauerhafte
Stillstände von Anlagen und Erneuerbare auf dem Vormarsch - so die Kurzfassung. (www.worldnuclearreport.org)
Demnach kam es ab 1992, mit Ausnahme von China, zu einem Rückfall bei AKW-Neubauten. Waren es 1976 noch 44
Neubauprojekte, so wurde 2017 nur ein AKW-Neubau in Indien begonnen. Die Erneuerbaren erreichen enorme Produktionszuwächse,
so hat die weltweite Windenergieproduktion bereits 2010 den Anteil der Atomstromproduktion egalisiert und sich
seitdem vervierfacht. Auch die Zuwächse an Solarstrom liegen deutlich über denen von Atomstrom. Gegenüber
2006 ging die weltweite Atomstromproduktion um etwa sieben Prozent zurück, ihr Anteil am Strommix sank seit
1996 von 17,5 auf 10,5 Prozent.
Auch in Europa ist der Trend ist eindeutig
In der EU sind heute noch 125 Meiler am Netz, das sind 52 weniger als beim historischen Höchststand 1988.
In den letzten 20 Jahren haben in der EU nur vier Reaktoren ihren Betrieb aufgenommen (2 Slowakei, 1 Tschechien,
1 Rumänien). Seit den 1990er Jahren in Bau befinden sich lediglich die beiden Projekte Olkiluoto-3 (Finnland)
und Flamanville-3 (Frankreich), die von massiven Verzögerungen und Kostenexplosionen gezeichnet sind. Zudem
leiden die Atomkraftwerke unter einer enormen Überalterung: Im Schnitt sind die EU-AKW 32,4 Jahre alt. 60
% der Atomreaktoren Europas sind bereits älter als 30 Jahre.
Die Atomenergie ist durch steigende Produktionskosten und gleichzeitig rapide sinkende Preise an der Strombörse
sowie massiv sinkende Produktionskosten der Erneuerbaren völlig unwirtschaftlich.
Das britische AKW-Neubauprojekt
Hinkley Point soll daher durch massive Subventionen gestützt werden - ein Contract for Difference soll einen
Strompreis von 92,50 Pfund pro MWh auf 35 Jahre hin garantieren, das Doppelte des aktuellen Strom-Großhandelspreises
- zu Lasten der britischen Konsument/innen.
Meilenstein dabei ist die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs erster Instanz über britische Milliardensubventionen
für das AKW-Projekt Hinkley Point, welche als Blaupause auch für weitere AKW-Projekte in Europa angesehen
wird. Eine im Auftrag von LR Anschober erstellte Studie von Prof. Dr. Franz Leidenmühler (JKU Linz) qualifiziert
diese langfristigen Preisgarantien als nach EU-Recht verbotene Beihilfen, die einer Rechtfertigung bedürfen.
Als Nichtigkeitsgrund ist geltend zu machen, dass die Freistellungsvoraussetzungen nicht vorliegen, insbesondere
keine Behebung eines Marktversagens erfolgt, wie von der Gruppenfreistellungs-VO gefordert.
Nachdem die Republik Österreich im Juni 2015 Nichtigkeitsklage gegen die Zulassung der Subventionen durch
die Europäische Kommission eingebracht hat, ist nun der mündliche Verhandlungstermin vor dem Europäischen
Gericht für 5. Oktober 2017 anberaumt. Nach der Anhörung ist ein Urteil in etwa zwei Monaten zu erwarten,
daraufhin haben die Parteien die Möglichkeit zu berufen. Die Entscheidung über eine Berufung wird dann
auf höherer Instanz durch den EuGH getroffen, dies kann eine Verzögerung um ein weiteres Jahr bedeuten.
Danach gibt es keine Möglichkeit mehr zur Beeinspruchung.
Vernichtender Bericht des britischen Rechnungshofs - Windkraft günstiger als Atomstrom aus Hinkley Point
Der britische Rechnungshof beurteilt das AKW-Neubauprojekt aktuell als teuer und riskant, es wäre ein
schlechter Deal für Generationen von britischen Strom- Konsument/innen. Die Verzögerungen und fallende
Großhandelspreise haben die Kosten des Deals bereits von 6 Mrd. Pfund im Jahr 2013 auf aktuell 30 Mrd. Pfund
explodieren lassen - Tendenz nach oben. Rechnet man noch die 20 Milliarden Pfund an Baukosten hinzu, belaufen sich
die Gesamtkosten für das AKW-Projekt Hinkley Point bereits auf 50 Milliarden Pfund.
Auch Aussagen britischer Energie-Expert/innen bestätigen, dass Strom aus Offshore Windanlagen für Konsument/innen
um 10 % günstiger wäre; die Kosten haben sich hierzu in GB seit 2015 halbiert. Ökostrom wäre
für GB deutlich billiger als Strom aus dem Milliardengrab Hinkley Point - um bis zur Hälfte.
Greenpeace Energy hat gestern auch Beschwerde bei der EU-Kommission gegen die direkte und indirekte Staatssubvention
Frankreichs für die Atomenergie in der Höhe von zuletzt 6,8 Milliarden Euro eingebracht.
nschober setzt auf Allianz der Atomgegner und baut Druck auf in Brüssel
Die von LR Anschober in Brüssel gegründete Allianz der Regionen für einen schrittweisen Atomausstieg
in der EU wird derzeit weiter ausgebaut - damit entsteht mehr Druck in Brüssel für einen Atomausstieg
und gegen die Atomlobby.
Um einen europaweiten Atomausstieg voranzutreiben, gründete Anschober die
"Allianz der Regionen für einen europaweiten Atomausstieg" - zum Anlass Hinkley Point C. Vorbild
ist die ebenfalls von OÖ initiierte Allianz der GVO-freien Regionen, die erfolgreich das GVO-Selbstbestimmungsrecht
durchgesetzt hat.
Gründungsmitglieder sind, neben Oberösterreich, die Regionen Nordrhein- Westfalen, Thüringen,
Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Saarland, Niedersachsen sowie die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens
mit Unterstützung von Luxemburg. Mittlerweile haben alle österreichischen Bundesländer im Rahmen
der letzten Umweltreferent/innen-Konferenz für die Allianz zugesagt, ein Großteil ist bereits formell
beigetreten.
Damit sind bereits 15 Regionen mit rund 50 Millionen Bewohner/innen in der Allianz aktiv. Weitere Regionen haben
bereits ihr Interesse angemeldet, eine Zusammenarbeit mit dem europäischen Städtenetzwerk "Cities
for a Nuclear Free Europe" zur weiteren Vergrößerung der Allianz ist geplant.
Die Hauptziele der Allianz für einen europaweiten Atomausstieg
- Keine Subventionen für Atomkraft (z.B. Hinkley Point/GB,
Paks/HU)
- Einheitliche Haftungsregelungen für Europas AKW
- Kostenwahrheit bei Atomkraft durch Rücklagen für
Folgekosten
- Unterstützung der Energiewende und Abkehr von Atomkraft
als vermeintlich klimafreundliche Energietechnologie
Anschober: "Ziel ist es, die Allianz rasch weiter zu verstärken, wir müssen möglichst breit
und mit lauter Stimme gegen die starke Atom-Lobby auftreten. Wir stehen vor der Weichenstellung über die Zukunft
der Atomkraft in Europa, unsere Position ist klar: Nein zu Subventionen für Neubau-Projekte, Nein zu Laufzeitverlängerungen
von Altreaktoren zu Lasten der Sicherheit in Europa!"
Neue Studie belegt: schrittweiser Atomausstieg für die EU eine wirtschaftliche und umweltpolitische Chance
Die im Auftrag des Landes Oberösterreich erstellte SERI-Analyse über Machbarkeit und Auswirkungen eines
schrittweisen gesamteuropäischen Atomausstieges zeigt, dass dieser Schritt nicht nur mehr Sicherheit bringen
würde, sondern auch wirtschaftlich und umweltpolitisch sinnvoll ist:
- der Ausstieg aus der Atomkraft zahlt sich wirtschaftlich
aus: positive Auswirkungen auf das BIP, keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung in den nächsten
Jahrzehnten, positive Auswirkungen auf die Handelsbilanz ab 2025
- der Ausstieg aus der Atomkraft ist gut vereinbar mit den
Klimaschutzzielen Europas und damit mit der Umsetzung des Weltklimavertrages von Paris: Reduktion des Energieverbrauches
durch erhöhte Investitionen in erneuerbare Energieträger, Reduktion der CO2-Emissionen um 80 % auch ohne
Atomkraft erreichbar
- Verringerung der Stromkosten: Reduktion des Strom- und Wärmepreises
über die
- Zeit und im Vergleich zur Fortsetzung des bisherigen Trends,
Reduktion der Konsumausgaben für Elektrizität
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