Ein völlig neuartiges Braille-Display wurde von Tetragon, einem TU Wien-Spin-Off, erfunden.
Es ist einfach, kosteneffizient und problemlos zu transportieren.
Wien (tu) - Die Braille-Schrift hat sich seit vielen Jahrzehnten bestens bewährt. Doch noch immer ist
die Braille-Schrift nicht wirklich im Computerzeitalter angekommen. Braille-Displays sind teuer, kompliziert und
sperrig. Das österreichische Startup-Unternehmen Tetragon, ein Spin-off der TU Wien, entwickelte nun aber
ein völlig neues Konzept: Das Tetragon-Display besteht aus einem Ring, an dessen Innenseite Buchstaben in
Braille-Schrift angezeigt und ertastet werden können. Dieser Ring ist technisch verhältnismäßig
einfach, er passt in jede Jackentasche und er soll deutlich preisgünstiger sein als bisher verfügbare
Produkte.
Verschiedene Ideen mit verschiedenen Nachteilen
Prof. Wolfgang Zagler beschäftigt sich seit vielen Jahren mit Technologien, die älteren oder körperlich
beeinträchtigten Menschen helfen sollen. „Seit Jahrzehnten weiß man, dass die Frage nach dem optimalen
Braille-Display nicht zufriedenstellend gelöst ist“, sagt Zagler. „Es gab immer wieder verschiedene Ansätze
– mit elektromagnetisch gesteuerten beweglichen Stiften, mit Piezoelementen und anderen Technologien, aber all
diese Konzepte hatten ihre Nachteile.“ Manche Displays haben einen hohen Stromverbrauch oder eine recht begrenzte
Haltbarkeit, sie sind allenfalls für den Einsatz im Büro geeignet aber nicht transportabel, sie sind
technisch kompliziert und daher meist sehr teuer.
„Natürlich gibt es heute Sprachausgabe-Software, mit der man sich Texte vorlesen lassen kann – aber das ist
kein vollwertiger Ersatz“, ist Wolfgang Zagler überzeugt. „Lesen ist schließlich eine wichtige Kulturtechnik,
es ist unverzichtbar, dass blinde Menschen auch in Zukunft mit der Braille-Schrift vertraut sind. Wir wollen einen
Beitrag dafür leisten, dass die Braille-Schrift den Schritt ins Zeitalter der mobilen Computer schafft.“
Die Lösung: Ein beweglicher Ring
Gemeinsam mit Michael Treml und Dominik Busse, zwei seiner ehemaligen Studenten, entwickelte Wolfgang Zagler eine
völlig neue Idee: Die Blindenschrift soll nicht mehr auf einer unbeweglichen Zeile angezeigt werden. Stattdessen
tastet man das Innere eines drehbaren Rings ab. „Ähnlich wie eine Computermaus kann man den Ring anfassen
und über die Tischoberfläche ziehen“, erklärt Zagler. „Der Zeigefinger befindet sich dabei im Inneren
des Ringes, und dort ertastet man die Buchstaben, die bei jeder Umdrehung des Rings neu gebildet werden. So entsteht
beim Lesen der Eindruck einer unendlich langen Zeile.“
Die sechs tastbaren Punkte, aus denen in der Braille-Schrift jeder Buchstabe aufgebaut ist, wurden in drei Zweiergruppen
zerlegt. „Für jede Zweiergruppe gibt es vier Möglichkeiten: Zwei Punkte, ein Punkt links, ein Punkt rechts,
oder gar kein Punkt“, erklärt Wolfgang Zagler. „Diese vier Möglichkeiten werden auf den vier Seiten eines
Quaders aufgebracht. Während sich diese Quader auf der Innenseite des Rings im Kreis bewegen, können
sie nach Belieben verdreht werden, sodass für den nächsten Ablesevorgang aus drei Quadern der gewünschte
Buchstabe angezeigt wird.“
Dieser einfache Ansatz – die Drehung von Quadern – ist viel einfacher zu realisieren als die Anzeige von Braille-Buchstaben
durch bewegliche Stifte. Dadurch wird das Display robust und wenig fehleranfällig. Durch die ringförmige
Konstruktion ist eine kompakte Bauweise möglich, und man kann das Gerät problemlos mit sich tragen.
„Das Konzept ist bereits patentiert, wir bereiten derzeit eine Firmengründung vor“, sagt Wolfgang Zagler,
der nach 45 Jahren an der TU Wien nun seit 2016 als Professor pensioniert ist – was seinen Forschergeist offensichtlich
nicht gebremst hat. „Einige wichtige Fragen sind noch zu klären – etwa, welche Materialien man am besten wählt,
wie man Aktuatoren mit möglichst geringem Stromverbrauch einsetzt und welche ergonomischen und haptischen
Eigenschaften am angenehmsten sind. Doch all das sollte sich in den nächsten Monaten beantworten lassen.“
Der Preis des fertigen Geräts steht noch nicht fest, das Tetragon-Display soll aber deutlich billiger werden
als bisher verfügbare Produkte: „Wir wollen das Display um den Preis eines Smartphones anbieten – da sind
wir sehr zuversichtlich“, sagt Zagler.
Das Tetragon-Display ist auch für den Social-impact-award nominiert. Sie können online abstimmen, wer
den Publikumspreis gewinnen soll:
http://socialimpactaward.at/
Video:
https://youtu.be/XtZa1afNQz8
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