EU-Verkehrspaket zur Debatte im EU-Ausschuss der Länderkammer
Wien (pk) - Nachdem die Bundesrätinnen und Bundesräte im Juli 2017 bereits eine Subsidiaritätsrüge
gegen die Pläne der EU-Kommission zu einer kilometerabhängigen Maut beschlossen hatten, stieß im
EU-Ausschuss der Länderkammer am 18. September auch ein Vorschlag über neue Kabotagebestimmungen auf
Kritik. Die Bundesrätinnen und Bundesräte befürchten eine Liberalisierung von Kabotage sowie zusätzliche
Kontrollprobleme, daher schickten sie heute eine Mitteilung nach Brüssel, die die Ablehnung der neuen Kabotagebestimmungen
kundtut. Konkret schlägt die Kommission vor, die Anzahl der Kabotagefahrten weniger zu begrenzen und Dokumentationspflichten
zu erleichtern. Zudem sollen die Bestimmungen auch auf leichte Nutzfahrzeuge ausgeweitet werden, was, im Gegensatz
zu den anderen Vorschlägen, bei angemessenen Übergangsfristen befürwortet wird.
Zur Debatte in der Sitzung, die erstmals im Pavillon Hof im Parlamentsausweichquartier abgehalten wurde, standen
auch weitere geplante EU-Maßnahmen im Verkehrsbereich, etwa zur sogenannten Lenkzeiten-Verordnung und zum
Thema Entsendung von KraftfahrerInnen. Im Hinblick auf die streckenabhängige Maut will die Kommission mit
einer schrittweisen Verringerung der Mindest-Kfz-Steuersätze für Lkw bis auf null einen Anreiz zur Umstellung
schaffen. Die Beratungen wurden auf Initiative von Bundesratspräsident und Ausschussvorsitzendem Edgar Mayer
(V/V) einstimmig vertagt. Hier seien weitere Sitzungen der EU-Ratsarbeitsgruppe und die Stellungnahme des Finanzministeriums
abzuwarten.
Vertraulich diskutierte der Ausschuss über die europäischen Handelsbeziehungen mit der Türkei. Die
Bundesrätinnen und Bundesräte kamen überein, die Bundesregierung dazu aufzufordern, auf europäischer
Ebene auf den Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei hinzuwirken. Außerdem soll den Verhandlungen
zur Ausweitung der bilateralen Handelsbeziehungen und der Modernisierung der Zollunion eine Absage erteilt werden.
Kabotage – Bundesrat schickt kritische Stellungnahme nach Brüssel
Die Europäische Kommission plant die derzeitigen Kabotagebestimmungen zu verbessern und den Marktzugang für
Kraftverkehrsunternehmen neu zu regeln. Betroffen ist davon auch der grenzüberschreitende Güterkraftverkehr.
Die Kommission ließ die derzeit gültigen Verordnungen betreffend den Marktzugang für Kraftverkehrsunternehmen
und Zugang zum grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr überprüfen. Dabei habe sich gezeigt,
dass das Kontrollniveau zwischen den Mitgliedstaaten unterschiedlich ist. Im Verordnungsvorschlag ist daher vorgesehen,
den Begriff der tatsächlichen und dauerhaften Niederlassung zu definieren und den Zeitraum für die Wiederzuerkennung
der Zuverlässigkeit festzulegen.
Die aktuell geltende Regelung von höchstens drei Kabotagefahrten innerhalb von sieben Tagen soll abgeschafft
werden. Künftig soll es laut Vorschlag der Kommission möglich sein, an fünf aufeinanderfolgenden
Tagen unbegrenzt Kabotagefahrten durchzuführen. So hofft die Kommission auf einen Rückgang der Verstöße
gegen die Kabotagebestimmungen um 62%.
Generell begrüßt der Bundesrat die Diskussion über den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr.
Weniger positiv wurde hingegen die vorgeschlagene Änderung gesehen, wonach unter einer "Kabotage Operation"
die Aufnahme der Ladung an verschiedenen Ladepunkten und das Absetzen der Ladung an verschiedenen Abladepunkten
zu verstehen ist. Dadurch werde die Fahrtenbegrenzung ausgehöhlt, so der Tenor im Bundesrat. Kabotage werde
dadurch liberalisiert und zusätzliche Kontrollprobleme entstehen, so die Mitteilung des Bundesrats an die
Europäische Kommission. Der Bundesrat tritt in diesem Sinne gegen die geplante Regelung ohne zahlenmäßige
Begrenzung der Fahrten ein und spricht sich dafür aus, die Höchstzahl der Kabotagefahrten beibehalten
und zusätzlich die Kontrollmöglichkeiten zu verbessern. Er regt außerdem an, die Möglichkeit
der Kabotage nach einer Leereinfahrt zu streichen, um Kontrollschwierigkeiten vorzubeugen.
Die BundesrätInnen waren sich einig, die Neuregelungen dürfen im Sinne eines fairen Wettbewerbs nicht
mitgetragen werden, so etwa Sonja Zwazl (V/N), die Kabotage als Dauerzustand befürchtete. Einen Nachteil für
die österreichischen Betriebe ortete auch Stefan Schennach (S/T) und zeigte auf, dass anhand des Verordnungsvorschlags
durch das Durchführen von Ladetätigkeiten jegliche Kontrollen unterlaufen werden könnten. Ausschussobmann
Edgar Mayer (V/V) will deshalb nicht nur die Höchstzahl der Kabotagefahrten beibehalten, sondern auch die
Kontrollmöglichkeiten verbessern. Seitens der FPÖ trat Christoph Längle (F/V) dafür ein, den
österreichischen Markt zu schützen. Die Mitteilung wurde einstimmig beschlossen.
EU-Pläne: Kfz-Steuern für Lkw sollen streckenabhängiger Maut weichen
Geht es nach der EU-Kommission, sind Kfz-Steuern kein wirksamer Anreiz für einen sauberen und effizienteren
Verkehrsbetrieb oder zur Staureduzierung. Mautgebühren würden dagegen in einem direkten Zusammenhang
mit der Straßenbenutzung stehen und seien erheblich besser geeignet, diese Ziele zu erreichen. Zudem seien
Kfz-Steuern Kosten, die bisher von der Wirtschaft in jedem Fall zu tragen waren, auch wenn von den Mitgliedstaaten
Mautgebühren erhoben wurden. Kfz-Steuern bewertet die Kommission grundsätzlich als Hindernis für
die Einführung von Mautgebühren.
Zur Umstellung auf die entfernungsabhängige Maut liegen zwei EU-Änderungsvorschläge zur sogenannten
Wegekosten-Richtlinie (auch: Eurovignetten-Richtlinie) vor. Gegen den Vorschlag zum Kapitel "Maut- und Benutzungsgebühren"
mit dem Vorstoß für eine kilometerabhängige Maut stellte sich die Länderkammer bereits mit
einer Subsidiaritätsrüge. Der zweite Änderungsvorschlag zur Wegekosten-Richtlinie, der heute zur
Debatte stand, betrifft die konkrete Senkung der Kraftfahrzeugsteuern für Lastkraftwagen. Er zielt auf eine
schrittweise Verringerung der Mindeststeuersätze bis auf null ab. Dies soll schrittweise über fünf
aufeinanderfolgende Jahre um jeweils 20% der derzeit geltenden Mindestsätze erfolgen.
Die ExpertInnen des Verkehrsministeriums erläuterten die formale Trennung der Maut- und Kfz-Steuer-Vorschläge,
dies sei auf unterschiedliche Abstimmungserfordernisse zurückzuführen. Die steuerlichen Mindestsätze
für Kfz seien demnach einstimmig zu beschließen, daher habe die Kommission die Bereiche getrennt. Zudem
sei noch nicht klar, wie das Thema auf EU-Ebene weiterverhandelt werden soll, auch vom inhaltlich zuständigen
Finanzministerium gebe es noch keine Stellungnahme.
Ausschussvorsitzender Edgar Mayer (V/V) stellte dazu den Antrag auf Vertagung, der einstimmig angenommen wurde.
In diesem Zusammenhang hinterfragte er ebenso wie Stefan Schennach (S/W) die Problematik der delegierten Rechtsakte.
Eine Expertin des Verkehrsministeriums unterstrich, dass diese in zahlreichen Bereichen zu verhandeln wären
und von vielen Mitgliedsstaaten kritisch gesehen werden. Schennach thematisierte weiters die gesplittete ministerielle
Zuständigkeit und befürchtet außerdem "Mautflüchtlinge". Seinen Bedenken, dass den
Ländern Gestaltungsmöglichkeit genommen werde, hielt die Vertreterin des Verkehrsministeriums in dem
Punkt entgegen, dass bereits jetzt auf Landesstraßen Maut- und Benutzungsgebühren eingehoben werden
könnten. Unklar ist für Heidelinde Reiter (G/S), welche Rolle der Klimaschutz bei der Kfz-Besteuerung
spiele. Hier gibt es laut Verkehrsministerium den EU-Plan, nach Emissionen zu differenzieren, allerdings mit dem
Vorschlag, dies über delegierte Rechtsakte zu regeln.
Lenkzeiten und Fahrtenschreiber: EU-Bestimmungen werden überarbeitet
Mit einem Gesamtkonzept sollen auf EU-Ebene auch die Arbeitsbedingungen für KraftfahrerInnen und zugleich
die Freiheit der UnternehmerInnen, grenzüberschreitende Dienstleistungen zu erbringen, verbessert werden.
Dazu liegt ein Änderungsvorschlag zur Lenkzeiten- und zur Fahrtenschreiber-Verordnung - als Teil einer umfangreicheren
und noch nicht abgeschlossenen Überprüfung der EU-Rechtsvorschriften im Bereich des Straßenverkehrs
- vor.
Zur Durchsetzung der Sozialvorschriften sollen damit die Merkmale des "intelligenten" Fahrtenschreibers
insofern erweitert werden, dass der genaue Standort eines Fahrzeuges bei grenzüberschreitenden Beförderungen
bestimmt wird. Zudem sollen KraftfahrerInnen verpflichtet werden, bei Erreichen des ersten geeigneten Halteplatzes
nach einer Grenzüberschreitung den Standort ihres Fahrzeugs in einem Fahrtenschreiber – falls dieser nicht
"intelligent" bzw. automatisch mitschreibt – aufzuzeichnen.
Mit Bestimmungen über wöchentliche Ruhezeiten sollen die Unternehmen mehr Flexibilität und die ArbeitnehmerInnen
die Möglichkeit erhalten, angemessene Ruhezeiten einzuhalten, vorzugsweise an ihrem Heimatort oder in einer
angemessenen Unterkunft. So sollen die wöchentlichen Ruhezeiten innerhalb eines Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden
Wochen flexibler gehandhabt werden und die KraftfahrerInnen eine aufsummierte wöchentlichen Ruhezeit in Anspruch
nehmen können. Weiters sieht der Vorschlag etwa vor, dass auch andere Arbeitstätigkeiten als das Lenken
aufgezeichnet werden müssen. Entsprechend der gängigen Praxis sollen zudem bei Fahrten im Team vorgeschriebene
Fahrtunterbrechungen auch in einem Fahrzeug eingelegt werden können, das von einem anderen Fahrer gelenkt
wird. Eine wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden oder mehr soll hingegen nicht in einem Fahrzeug verbracht
werden. Der Arbeitgeber wird hier verpflichtet, eine geeignete Unterkunft bereitzustellen. Innerhalb von drei Wochen
muss außerdem mindestens eine wöchentliche Ruhezeit am Heimatort ermöglicht werden.
Keine Ausnahmen sieht der Vorschlag für Kleinstunternehmen vor. Hier sei sonst das Risiko ungleicher Wettbewerbs-
und Arbeitsbedingungen zu befürchten, heißt es im Vorschlag der Kommission. Auch dieser Tagesordnungspunkt
wurde in der Sitzung einstimmig vertagt.
Seitens des Verkehrsministeriums werden die Änderungsvorschläge zu den Ruhezeiten zum Teil begrüßt,
jedoch sei nicht klar ersichtlich, wie sich die Arbeitsbedingungen konkret verbessern würden. Abgelehnt werde
aber aus Gründen der Verkehrssicherheit der Entfall der Gewichtsbeschränkung von Fahrzeugen, die FahrerInnen
"zu privaten Zwecken" lenken dürfen, ebenso wie eine neue Definition der nichtgewerblichen Güterbeförderung.
Mit jener könne nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass auch der Werkverkehr darunter fallen würde.
Dem Ministerium fehlt im Vorschlag außerdem ein ausdrückliches Verbot der Pauschalentlohnung und eine
Differenzierung der Fahrtunterbrechung in Lenk- und Ruhepausen. Auch die Kategorisierung der Sanktionen gegen Verstöße
zeige eine nicht nachvollziehbare Toleranz bei Nichteinhaltung der Lenk- und Ruhezeiten.
Ein wichtiger Punkt ist Bundesrätin Sonja Zwazl (V/N), dass hinsichtlich Praxistauglichkeit auf die Bedürfnisse
der Reisebusveranstalter Rücksicht genommen wird. Etwa könne man die 45 Stunden Ruhe auch auf 3 mal 15
aufteilen, dieser Vorschlag käme sogar von den Fahrern selbst. Außerdem brauche es die 12-Tage-Regelung
hinsichtlich Ruhezeiten auch für den nationalen Busverkehr. Aus Sicht des Vertreters des Sozialministeriums
ist die derzeitige Regelung aber ausreichend, es seien nur wenige Verstöße feststellbar.
Christoph Längle (F/V) schloss sich Zwazl an, außerdem äußerte er Bedenken daran, dass andere
EU-Staaten die Maßnahmen ebenso umfassend umsetzen wie Österreich. Problematisch sieht er etwa das Thema
Übernachtungsmöglichkeiten auf Raststätten. Der Vertreterin des Verkehrsministeriums sind Unterschiede
in der Umsetzung bewusst, das werde auch immer wieder vorgebracht. Ob die Vorschläge eine Verschärfung
oder Vereinheitlichung bringen, sei eine Frage des Gesichtspunktes und der jeweiligen Situation, hieß es
auf entsprechende Nachfrage von Martin Preineder (V/N). Seitens des Sozialministeriums wurde Heidelinde Reiter
(G/S) versichert, dass die Entsenderegelungen mit den neuen Bestimmungen nicht gelockert werden. Die Maßnahmen
sollten aber besser im Sozialbereich und nicht im Verkehr diskutiert werden.
Arbeitsbedingungen bei Entsendung von KraftfahrerInnen sollen besser kontrolliert werden
In engem Zusammenhang mit dem Kommissionsvorschlag zu Lenkzeiten und Fahrtenschreiber steht ein Plan zur Anpassung
der Bestimmungen zur Entsendung von ArbeitnehmerInnen im Straßenverkehrssektor und deren Durchsetzung. Die
Folgenabschätzung hat laut Kommission ergeben, dass Entsendebestimmungen und Verwaltungsanforderungen dem
höchst mobilen Charakter der Tätigkeit von KraftfahrerInnen im internationalen Straßenverkehr nicht
gerecht werden. Der Vorschlag sieht nun vor, die Risiken unangemessener Arbeitsbedingungen für KraftfahrerInnen,
darunter auch die Beschäftigungsbedingungen, mit einem Gesamtkonzept anzugehen und gleichzeitig den übermäßigen
Verwaltungsaufwand für die Unternehmen zu verringern sowie Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Vorgesehen
ist etwa eine effizientere Durchsetzung durch den verstärkten Einsatz von Systemen, etwa einem "Risikobewertungssystem",
mit denen Kontrollen gezielt bei Unternehmen durchgeführt werden können, deren Risikoeinstufung eine
Nichteinhaltung der Vorschriften vermuten lässt. Ausnahmen für Kleinstunternehmen sind auch hier nicht
vorgesehen. Zur Überwachung der Entwicklungen, insbesondere der Zahl, Art und Häufigkeit von Verstößen
gegen die Sozialvorschriften, sollen unter anderem die nationalen Umsetzungsberichte und Datenanalysen der EU-Durchsetzungsstellen
zusammen ausgewertet werden.
Die verstärkte Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten und der Zugang zum Risikobewertungssystem werden seitens
des Verkehrsministeriums positiv gesehen, jedoch könnten die Bearbeitungsfristen kürzer angesetzt werden.
Reduziert werden sollten demnach auch die Übergangsfristen zur Nachrüstung auf intelligente Fahrtenschreiber.
Auf Nachfrage von Sonja Zwazl (V/N) geht man seitens des Verkehrsministeriums davon aus, dass der Werkverkehr unter
diese Regelungen fällt. Während Stefan Schennach (S/W) durch Ausweichen auf andere Staaten eine Lohn-
und Sozialdumpingfalle befürchtet, die es jedenfalls zu verhindern gelte, gingen Edgar Mayer (V/V) und Christoph
Längle (F/V) aus unterschiedlicher Richtung auf die Übergangsfristen zur Umstellung auf die "intelligenten"
Fahrtenschreiber ein. Längle erfragte hier Kosten für Frächter, die durch eine Kürzung der
Übergangsfrist entstehen könnten. Der Vertreter des Verkehrsministeriums schätzt hier, dass es nicht
viel Kostenunterschied geben wird. Außerdem müsse man auch mit der technologischen Entwicklung Schritt
halten, ergänzte Edgar Mayer.
Bundesrat gegen EU-Verhandlungen mit der Türkei
Abschließend stand ein Vorschlag zur Ermächtigung der EU-Kommission auf der Tagesordnung, Verhandlungen
mit der Türkei über ein Abkommen aufzunehmen, durch das die bestehenden bilateralen Handelsbeziehungen
erweitert werden und die Zollunion mit der Türkei modernisiert wird. Die BundesrätInnen beschlossen,
die Bundesregierung dazu aufzufordern, auf europäischer Ebene gegen Verhandlungen über ein bilaterales
Abkommen mit der Türkei hinzuwirken und alle Maßnahmen zu ergreifen, um einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen
mit der Türkei zu erwirken.
Da es sich bei diesem Dokument um ein klassifiziertes handelt, fanden die Beratungen im Ausschuss darüber
vertraulich statt.
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