Peking/Wien (öaw) - ÖAW-Präsident Anton Zeilinger und sein chinesischer Amtskollege Chunli Bai
führten in einem Live-Experiment die erste, durch Quantenphysik verschlüsselte Videokonferenz über
zwei Kontinente. Für den dafür erforderlichen Quantenschlüssel wurde der 2016 ins All beförderte
Satellit „Micius“ eingesetzt.
Von Quantenkryptografie bis Quanteninternet: Die Erforschung der Welt der Quanten verspricht für die Zukunft
eine Vielzahl neuer technologischer Möglichkeiten. Welche Fortschritte die Grundlagenforschung auf dem Weg
zu deren Realisierung inzwischen erreichen konnte, machte nun eine Weltpremiere deutlich: Erstmals führten
der Präsident der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Chunli Bai, und sein Amtskollege Anton Zeilinger,
Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), sowie Universität Wien-Rektor
Heinz W. Engl am 29. September 2017 ein mithilfe von Quantentechnologie verschlüsseltes Videotelefonat über
zwei Kontinente hinweg zwischen Wien und Peking.
Durch die Quantenverschlüsselung war die Abhörsicherheit des Gesprächs, das bei einem Live-Experiment
vor Medienvertreter/innen und Wissenschaftler/innen an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW)
sowie in der chinesischen Hauptstadt Peking geführt wurde, mindestens eine Millionen Mal höher als bei
konventionellen Methoden der Verschlüsselung.
Bei dem internationalen „Quantentelefonat“ konnten somit nicht nur die Inhalte des Gesprächs abhörsicher
übertragen werden. Sondern es gelang auch, im Zuge der ersten interkontinentalen Quantenkommunikationsverbindung
weitere Daten, in Form von Bildern des Physikers Erwin Schrödinger und des chinesischen Philosophen Micius,
verschlüsselt und nicht hackbar zwischen Wien und Peking auszutauschen.
Orbitale Quantenverschlüsselung im ersten Praxistest
Möglich gemacht hat das erste interkontinentale „Quantentelefonat“ der Welt eine internationale Kooperation
von Forscher/innen der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, der ÖAW und der Universität Wien rund
um die Quantenphysiker Jian Wei-Pan und Anton Zeilinger. Das Forschungsprojekt mit dem Namen QUESS (Quantum Experiments
at Space Scale), das 2013 von Zeilinger und seinem ehemaligen Doktoranden Pan aus der Taufe gehoben wurde und vom
Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft gefördert wird, nutzt einen im Sommer des
vergangenen Jahres ins All beförderten chinesischen Satelliten für quantenphysikalische Experimente zwischen
Erde und Weltraum.
Mit dem erfolgreichen Ablauf der Videokonferenz konnten die beteiligten österreichischen und chinesischen
Wissenschaftler/innen nun zum ersten Mal das große praktische Potential dieser orbitalen Quantentechnologie
für den zukünftigen Aufbau von globalen Kommunikationsverbindungen demonstrieren, deren entscheidender
Vorteil gegenüber herkömmlichen Verbindungen ist, dass sie aufgrund der speziellen Gesetzmäßigkeiten
der Quantenphysik nicht gehackt werden können.
„Der erfolgreiche Austausch von quantenverschlüsselter Information zwischen zwei Kontinenten verdeutlicht
das enorme Potential dieser durch die Grundlagenforschung ermöglichten Technologie“, betont auch Quantenphysiker
und ÖAW-Präsident Anton Zeilinger. Er ist überzeugt: „Ein weltweites und sicheres Quanteninternet
rückt damit einen entscheidenden Schritt näher.“
„Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“, zitiert Rektor Heinz W. Engl aus heutigem Anlass Max Planck, der
als Begründer der Quantenphysik gilt. „Ein Telefonat verdeutlicht heute, welche Innovationskraft von Grundlagenforschung
ausgeht – im konkreten Fall aus der langjährigen Kooperation im Bereich der Quantenphysik zwischen der Universität
Wien und der ÖAW.“
Quantenverschlüsselung zwischen Weltall, Wien und Peking
Für die Erzeugung des Quantenschlüssels, der beim Videotelefonat der beiden Akademiepräsidenten
verwendet wurde, setzten die Forscher/innen von ÖAW und Chinesischer Akademie der Wissenschaften den 2016
vom chinesischen Weltraumbahnhof Jiuquan gestarteten Satelliten „Micius“ ein. Benannt nach einem chinesischen Philosophen
der Antike kreist der Quantensatellit in rund 500 Kilometern Höhe um die Erde. Aus seiner Umlaufbahn schickt
er Lichtteilchen, sogenannte Photonen, zu Bodenstationen in China und Europa, darunter auch zur „Satellite Laser
Ranging Station“ am Observatorium Lustbühel in Graz, die vom Institut für Weltraumforschung der ÖAW
genutzt wird. Dank dieser orbitalen Relaisstation ist es möglich, die auf der Erdoberfläche bestehenden
technischen Einschränkungen in der Quantenkommunikation zu umgehen. Diese werden durch die Krümmung der
Erde sowie den Signalverlust in langen Glasfaserleitungen hervorgerufen.
Im Vorfeld des Videotelefonats erzeugte „Micius“ nun zunächst Lichtteilchen mit einer zufälligen Schwingungsrichtung,
der sogenannten Polarisation. Diese einzelnen Photonen mit ihren verschiedenen Polarisationen wurden dann als Folge
von Nullen und Einsen an die Grazer Bodenstation übermittelt. Dort wurden die Polarisationszustände gemessen
und mit der vom Satelliten gesendeten Abfolge stichprobenartig verglichen.
Quantenschlüssel ist nicht zu knacken
Der Clou dabei: „Versucht jemand, die zwischen dem Satelliten und der Bodenstation ausgetauschten Photonen abzufangen
und die Polarisation zu messen, dann verändert er durch die Messung den quantenphysikalischen Zustand der
Teilchen – und fliegt sofort auf“, erklärt Johannes Handsteiner vom Wiener Institut für Quantenoptik
und Quanteninformation der ÖAW, auf dessen Dach sich das „Hedy Lamarr Quantum Communication Telescope“ befindet,
das für Vorbereitungen des Experiments eingesetzt wurde. Durch die Abweichung der Messdaten von Sender und
Empfänger kann somit jeder Lauschangriff unmittelbar festgestellt werden. Weichen die Messdaten hingegen nicht
voneinander ab, haben Sender und Empfänger einen ersten Quantenschlüssel.
Nachdem der zwischen Graz und „Micius“ erzeugte Schlüssel beim Satelliten hinterlegt wurde, führten die
chinesischen Wissenschaftler/innen mit ihrer Bodenstation denselben Ablauf durch, sodass der Satellit schließlich
über zwei Quantenschlüssel verfügte. Diese wurden dann im Orbit kombiniert und das Ergebnis der
Kombination wieder an die Bodenstationen in Österreich und China übermittelt. Mit dem jeweils „eigenen“
Schlüssel einerseits und dem kombinierten Schlüssel andererseits konnten beide Bodenstationen nun einen
gemeinsamen Code generieren, der zur eindeutigen Chiffrierung und Dechiffrierung von Information – und somit zur
abhörsicheren Verschlüsselung des „Quantentelefonats“ – eingesetzt werden konnte.
Mittels dieses gemeinsamen Codes konnte das Videotelefonat selbst dann über normale Internetverbindungen geführt
werden. Denn dank des Quantenschlüssels konnten nur die Anwesenden an der ÖAW in Wien und der Chinesischen
Wissenschaftsakademie in Peking mithören.
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