Präsentation der Themenschwerpunkte beim Fest am Rathausplatz
Wien (epdö) – Mit einem großen Fest am Wiener Rathausplatz feiern die drei Evangelischen Kirchen
in Österreich am Samstag, dem 30. September, „500 Jahre Reformation“. Das Fest ist der Höhepunkt des
Jubiläumsjahrs, das an die Veröffentlichung der 95 Thesen von Martin Luther am 31. Oktober 1517 erinnert.
„Reformation bewegt! Wir freuen uns über viele Evangelische aus ganz Österreich und viele Interessierte“,
sagt der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker im Vorfeld. Die Evangelischen Kirchen rechnen mit
mehreren Tausend Menschen, geboten wird von 12.00 bis 22.00 Uhr ein vielfältiges Programm für jede Altersgruppe
mit rund 60 Acts auf drei Bühnen.
Sprechen wird beim Fest die liberianische Friedensnobelpreisträgerin Leymah Gbowee, die durch ihren Einsatz
wesentlich zum Ende des blutigen Bürgerkriegs in ihrem Land beigetragen hat. Gbowee ist eine der „MutmacherInnen“,
ebenso wie die palästinensische Friedensaktivistin Sumaya Farhat-Naser und Thomas Korbun, Vorstandsvorsitzender
der humanitären Organisation „SOS Méditerranée“ in Deutschland, die Flüchtlinge aus dem
Mittelmeer rettet.
„Inhaltlich stehen die Beiträge unter den Leitworten Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung.
In allen Bereichen braucht es eine Reformation. Und in allen drei Bereichen engagieren sich die Evangelischen Kirchen
in Österreich – die lutherische, die reformierte und die methodistische Kirche – bereits heute“, so der Bischof
bei der Vorstellung des Programms am Donnerstag, 28. September, vor MedienvertreterInnen.
Martin Schenk, stellvertretender Direktor der Diakonie Österreich, verwies auf jene Menschen, die in prekären
Verhältnissen leben und von der Gesellschaft nicht wahrgenommen werden: „Nicht gesehen werden bedeutet auch
ausgeschlossen sein. Heute ist die Sehnsucht nach einer gerechten Gesellschaft stärker als je verbunden mit
dem Wunsch nach Anerkennung. Besonders bei jenen, die nicht repräsentiert werden, die nicht sichtbar sind.“
Beim Fest am Rathausplatz soll daher auch die Arbeit von Menschen gezeigt werden, die diesen Personen Gehör
schenken und sie zum Glauben an ihre eigenen Fähigkeiten ermutigen: „Reformation ist auch Umwandlung. Wir
wollen diesen Menschen die Chance geben, ihre eigene Geschichte umzuwandeln.“
Auf die Rolle Österreichs in einer zunehmend globalisierten Welt kam die niederösterreichische Superintendentialkuratorin
Gisela Malekpour zu sprechen. Angesichts der weitreichenden Flüchtlingsbewegungen sei langfristige Hilfe vor
Ort entscheidend, um Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und so Fluchtgründe im Vorhinein
zu beseitigen. Konkret verwies sie auf Versäumnisse der Republik in der Finanzierung internationaler Entwicklungsprojekte:
„0,27 Prozent des BIP für Entwicklungszusammenarbeit sind mit Sicherheit nicht genug und werden sich kaum
als internationales Steuerungsinstrument eignen. Jedenfalls müsste dieser Betrag umgehend auf die ohnehin
vereinbarten 0,7 Prozent angehoben werden.“ Malekpour unterstrich auch die umfassenden Aktivitäten der Evangelischen
Kirchen in der Integration Asylsuchender: „Mit Respekt, Wertschätzung und christlicher Nächstenliebe
auf sie zuzugehen ist für uns als Evangelische Kirche Auftrag und Bedürfnis.“
„Bewahrung der Schöpfung nicht nur ökologische Frage“
„Bewahrung der Schöpfung betrifft nicht nur ökologische Fragen. Sie stellt vielmehr die Ganzheit der
Schöpfung in den Mittelpunkt und schließt damit auch die Aspekte der Gerechtigkeit und des Friedens
ein“, meinte Kirchenrätin Andrea Sölkner und betonte den Auftrag der Evangelischen Kirchen, für
eine nachhaltige, zukunftsorientierte und generationengerechte Umweltpolitik einzutreten. So wird auch das Fest
am Rathausplatz als „Green Event“ abgehalten. Sölkner hob auch die umfangreiche lokale Arbeit hervor: „In
83 Prozent aller evangelischen Pfarrgemeinden verrichten Umweltbeauftragte ehrenamtlich wertvolle Arbeit.“ Von
der künftigen Regierung erwartet sich Sölkner „ein klares Bekenntnis zum Umweltschutz und ein Bekenntnis
zu internationaler Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit“.
„Was vor 500 Jahren begonnen hat, hatte damals tiefgreifende Auswirkungen auf alle Bereiche der Gesellschaft. Nachhaltige
Impulse wirken bis heute. Reformation bewegt, Reformation heißt, die Welt verändern“, ist Bischof Michael
Bünker überzeugt. Und was würde Martin Luther beim Fest tun? „Wohl zuerst ein Bier trinken“, spekulierte
Bünker, und dann mit seiner Familie die Programmpunkte besuchen, zum Beispiel der Diakonie, denn Reformation
sei ohne den starken sozialen Auftrag nicht zu denken, ebenso wenig ohne den Bildungsanspruch, der für die
Reformatoren ganz entscheidend war.
Ab 19.30 Uhr führt am Samstag Regisseur und Schauspieler Karl Markovics auf der Hauptbühne mit eigenen
thematischen Beiträgen durch das Abendprogramm, das den Titel „Sound of Heaven“ trägt. „Bach goes Beirut“
mit Marwan Abado, Paul Gulda und Peter Rosmanith, die virtuosen und Festival-erprobten Bläser „Da Blechhauf‘n“,
die angesagte Jazz-Funk-Groove-Elektro-Truppe „5K HD“ mit ihrem neuen Album, mitreißender American Gospel
mit Shelia Michellé und der Gruppe 4Real sowie das Orchester der PopAkademie der Johann Sebastian Bach Musikschule
warten auf die Gäste des Fests, das um 22.00 Uhr mit einem Abendsegen endet.
Im Rathauspark ist an mehreren Stationen Spiel und Spaß garantiert mit Bubble Soccer, Menschenwuzzler, Kletterturm
und vielem mehr. Kabarett – wie etwa die Grazer Oliver Hochkofler und Imo Trojan mit ihrem österreichweit
erfolgreichen „Luther 2.0 hoch 17“ –, Lesungen, Theater, Musical- und Chordarbietungen prägen das umfangreiche
Programm auf der zweiten Bühne im Rathauspark und im Rathauskeller. Auf der Hauptbühne tritt am Samstagnachmittag
der bekannte deutsche Kinderliedermacher Reinhard Horn mit einem großen Kinderchor auf. Mit dabei ist auch
die weltweit einzigartige LKW-Konzertorgel. Was auf ihr gespielt wird, bestimmt das Publikum.
Um ein besonderes Projekt geht es beim so genannten „Reformobil“: SchülerInnen der Evangelischen Schulen in
Wien und Kindergartenkinder bauten an diesem einzigartigen, 5 Meter langen und 7 Meter hohen Gefährt, das
sich am Rathausplatz gegen 13.00 Uhr erstmals in Bewegung setzen wird. Man kann damit – natürlich nur virtuell
– sowohl in die Zeit der Reformation als auch in die Zukunft reisen, um sich etwa Gedanken über Themen wie
Klimaschutz zu machen. Denn Reformation bedeute auch, „die Welt nicht so zu lassen, wie sie ist“, erklärte
Bischof Michael Bünker.
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