Einige Gemeinden in Österreich haben das Aufstellen von Wahlplakaten verboten. Rechtlich
durchsetzbar ist das jedoch nicht.
Wien (gemeindebund) - „Mattersburg, die Insel der Seligen!“ So beschrieben Medien jüngst, was in der
burgenländischen Stadt seit einigen Jahren Realität ist. Wahlplakatfreie Gemeinden! Keine Belästigung
mehr durch lächelnde und versprechende Politikerinnen und Politiker, die wochen-, manchmal auch monatelang
auf Hauswänden, Dreiecksständern oder großen Plakatflächen zu sehen sind. Doch ist das realistisch?
Muss die Politik die Menschen vor der Politik schützen, den eigenen Wahlkampf abschaffen, weil der der Bevölkerung
nur noch auf die Nerven geht? Und geht das rechtlich überhaupt?
In Mattersburg ist das Plakatierverbot in Wahlkämpfen inzwischen lange erprobt. 2002 haben sich die im Gemeinderat
vertretenen Parteien, also die Mehrheitspartei SPÖ, sowie Freiheitliche, ÖVP und Grüne auf dieses
Plakatierverbot geeinigt. Seitdem dürfen innerhalb der Ortsschilder keine Wahlplakate mehr aufgestellt werden.
Bei keinem Wahlgang, egal ob Bundes-, Landes- oder Kommunalwahl. Im Burgenland fällt dieses Beispiel derzeit
besonders auf, schließlich werden dort in Kürze auch Gemeinderäte und Bürgermeister neu gewählt.
Konkrete rechtliche Grundlagen für das Verbot gibt es nicht. Denn das „Verbot“ ist in Wahrheit eine Vereinbarung,
die die Rathausparteien miteinander getroffen haben. Rechtlich durchsetzbar ist sie nicht, sanktionierbar bestenfalls
auf einer „Wer sich nicht daran hält, zahlt eine Kiste Bier“-Ebene. Dazu kommt: Gebunden fühlen sich
– logischerweise – nur Parteien, die diese Vereinbarung mitbeschlossen haben. Die „Freie Liste Österreich“
von Karl Schnell, die im Mattersburger Gemeinderat nicht vertreten ist, erkennt dieses Verbot daher nicht an. Sie
wollte Plakate aufstellen, die Gemeinde entfernte sie. Daraus wird wohl ein Rechtsstreit entstehen – mit guten
Chancen für die Liste von Karl Schnell.
Ortsbild soll geschützt werden
Doch Mattersburg ist nicht alleine. Mehrere andere Gemeinden, wie etwa Mattsee, Fuschl oder Kuchl, haben ähnliche
Regelungen getroffen. Rechtlich durchsetzbar sind sie auch dort nicht. Da oder dort verzichten auch einzelne Ortsparteien
auf den Plakat-Wahlkampf. So hat Peter Stradner, der Bürgermeister und SPÖ-Chef der steirischen Gemeinde
Wagna, kürzlich auf Facebook angekündigt, dass keine Plakate seiner Fraktion für den Nationalratswahlkampf
angebracht werden. Niemand treffe seine Wahlentscheidung aufgrund eines Plakates, argumentiert er, die Wahlschlacht
gehe den Leuten auf die Nerven und sei dem Ortsbild nicht zuträglich.
Womit ein weiterer wichtiger Punkt angesprochen wäre: Viele Gemeinden haben ein aufrechtes Plakatierverbot,
das sie beschließen, weil sie aus Gründen des Ortsbildschutzes überbordende Werbemaßnahmen
für Volksfeste oder kommerzielle Veranstaltungen verhindern wollen. Die Mattersburger haben das übrigens
ebenfalls.
Solche Verbote sind auch rechtlich möglich, können in Form von Verordnungen beschlossen werden, sofern
sie sich auf das Ortsbild beziehen. Das geht nur dort, wo das Ortsbild auch schützenswert ist. Also nicht
in Streusiedlungen, Autobahnabfahrten, Gewerbegebieten oder Verkehrsadern der Gemeinde. Diese Möglichkeit
lässt sich in der Regel nur auf das echte Zentrum eines Ortes oder eine Stadt beschränken. Weitgehend
akzeptiert sind auch Varianten, in denen Gemeinden ausreichend Schaukästen beziehungsweise Plakatflächen
an bestimmten Standorten zur Verfügung stellen, auf denen Vereine oder lokale Veranstalter dann werben können.
Dafür erlaubt man keine A-Ständer oder Transparente im Ortsgebiet.
Demokratiepolitische Aspekte
Für Wahlkämpfe sind solche Verbote in Österreich nicht anwendbar, vielleicht auch aus demokratiepolitischen
Gründen. In der höchstgerichtlichen Judikatur wird das mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung
begründet, das über der Bewilligungspflicht steht und daher auch im Sinne der Straßenverkehrsordnung
(StVO) zulässig ist, sofern es keine Beeinträchtigung der Sicherheit im Straßenverkehr gibt.
Man kann auch argumentieren, dass Wahlplakate zum inhaltlichen Wettbewerb in einem Wahlkampf zählen, auch
wenn sich diese Inhalte nicht immer auf den ersten Blick erschließen. Bei Bestrebungen Bürger und Ortsbild
vor übermäßiger Plakatierung schützen zu wollen, sollten demokratiepolitische Aspekte nicht
außer Acht gelassen werden. Plakate und Aushänge sind eine uralte und auch heute noch vergleichsweise
kostengünstige Methode, um in einer Wahlauseinandersetzung zu werben. Nicht jede wahlwerbende Partei kann
sich die Verteilung oder Zustellung von Foldern, Zeitungen oder anderen Informationen direkt an alle Haushalt leisten,
für kleine Fraktionen können Plakate also von besonderer Wichtigkeit sein.
Mehr Postwurfsendungen
In Mattersburg führen die beschriebenen Regeln übrigens zu zwei merkbaren Folgewirkungen: Zum einen
hat sich die Plakatflut vom Ortszentrum hinaus in die Peripherie verlagert. Jene Dreiecksständer und Großflächen,
die zuvor innerhalb der Ortsschilder standen, stehen nun geballt außerhalb der Ortsschilder. Zum anderen
hat sich, sagen die Stadtverantwortlichen, die Zahl der Postwurfsendungen der Parteien merkbar erhöht. Die
Bürger könnten nun eben selbst entscheiden, ob sie die Werbung lesen oder wegwerfen, bei Plakaten könnten
sie das nicht, darin sehen die Mattersburger einen Fortschritt.
Die Anbringung von Dreiecksständern an „Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs“ ist generell
verboten. Darunter fallen alle Verkehrszeichen, Laternenmasten, Schutzinseln und dergleichen. Niemand kann eine
Partei daran hindern, Pachtverträge mit privaten Eigentümern über Plakatstandorte zu treffen. Allerdings
kann man auch dort eingreifen und Plakate entfernen lassen. Nämlich dann, wenn Plakate die Verkehrssicherheit
gefährden, weil sie Sichtachsen verstellen, verkehrsbehindernd sind oder die Sicherheit (etwa bei Schutzwegen)
gefährden. Ob das der Fall ist, entscheiden die jeweiligen Straßenerhalter, also die Straßenmeistereien
der Länder oder die Gemeinden. Denn über allem liegt in Österreich die Straßenverkehrsordnung.
Dieser Artikel wurde von Daniel Kosak verfasst und erschien auch in der Wiener Zeitung.
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