Finanzminister ruft Abgeordnete zu Verantwortung für das Budget auf
Wien (pk) - "Fassen Sie heute und am 12. Oktober keine Beschlüsse mehr, die dem Staatsaushalt
neue Kosten aufbürden!" Mit eindringlichen Worten sprach sich Hans Jörg Schelling in der Sondersitzung
des Nationalrats am 4. Oktober gegen Wahlgeschenke in der Endphase des Wahlkampfs aus und appellierte dabei an
die Abgeordneten, ihre Verantwortung für die Steuermittel wahrzunehmen.
Volle Unterstützung erhielt der Finanzminister von der ÖVP, die sich grundsätzlich gegen budgetrelevante
Gesetzesbeschlüsse in Wahlkampfzeiten und für die Verankerung einer Schuldenbremse aussprach. SPÖ
und Grüne hingegen wiesen den Aufruf als Maßregelung des Parlaments zurück und beharrten vor allem
auf der Forderung nach einer Unterhaltsgarantie. Die Freiheitlichen zogen die Glaubwürdigkeit Schellings in
Zweifel und warfen ihm vor, bereits vor dem Wahlkampf die Bevölkerung belastet zu haben. Ähnlich sahen
dies auch die NEOS, die zudem die Befürchtung äußerten, die ambitionierten Vorhaben von Sebastian
Kurz würden letztlich am Widerstand der Funktionäre in der ÖVP scheitern.
Schelling gegen Belastungen des Budgets durch Beschlüsse in letzter Minute
Hans Jörg Schelling warnte in seinem Appell vor "Wahlzuckerln" in letzter Minute und erinnerte in
diesem Zusammenhang an den 24. September 2008, als in einer Sitzung vor der Wahl Gesetze verabschiedet wurden,
die das Budget heute noch mit Folgekosten von rund 4 Mrd. € belasten. Dies dürfe nicht mehr wiederholt werden,
mahnte der Finanzminister und gab zu bedenken, alles, was heute mit Kosten fürs Budget beschlossen wird, müsse
die Generation der Kinder und Enkel einmal bezahlen. Für Schelling geht es dabei vor allem auch um die Glaubwürdigkeit,
zumal sich die Abgeordneten aller Parteien immer wieder dazu bekennen, das Budget "enkelfit" zu machen.
Alarmiert zeigte sich der Finanzminister angesichts der Vielzahl von Anträgen der SPÖ, die heute noch
eingebracht wurden. Man habe vier Jahre Zeit gehabt, die Vorhaben ernsthaft zu diskutieren, nichts daran sei derart
dringlich, dass es nicht vom nächsten Nationalrat behandelt werden könnte. Die letzten Sitzungen vor
der Wahl dürfen nicht zu einem Ausverkauf gemacht werden. Schelling appellierte in diesem Sinn an die Abgeordneten,
nicht aus wahltaktischen Gründen ihr Gewissen und ihre Vernunft auszuschalten und durch teure Beschlüsse
die Spielräume für künftige Maßnahmen, wie etwa die Senkung der Steuern und Abgaben, einzuengen.
SPÖ weist Appell Schellings als Maßregelung zurück
Andreas Schieder (S) bezichtigte den Finanzminister der Missachtung des Parlaments und verwehrte sich gegen jegliche
Maßregelung und Einschränkung der Tätigkeit der Abgeordneten. Der SPÖ-Klubobmann verteidigte
mit Nachdruck die Beschlüsse vom September 2008 und bekräftigte, die damalige Abschaffung der Studiengebühren
sei ein Vorteil, von dem die jungen Menschen heute noch profitieren. Mit Nachdruck beharrte Schieder auch auf den
Forderungen seiner Fraktion nach steuerlicher Entlastung des Faktors Arbeit, Absicherung der Pflege, Erbschaftssteuer
ab einer Million Euro und einem Rechtsanspruch auf Ganztags- und Kinderbetreuung. Kein Verständnis zeigte
er hingegen für die Weigerung der ÖVP, dem Glyphosat-Verbot oder der Angleichung von Arbeitern und Angestellten
zuzustimmen. Einer Meinung sah sich Schieder mit seinem Fraktionskollegen Kai Jan Krainer in der Behauptung, die
ÖVP plane ein großes Sparprogramm inklusive Sozialabbau. Der ÖVP gehe es in erster Linie um Steuergeschenke
für die Reichen, setzte SPÖ-Budgetsprecher nach und kritisierte ebenso wie der fraktionslose Abgeordnete
Bruno Rossmann das "Wegschauen" Schellings bei sogenannten "Steuerabschleichern", die in Österreich
kaum Einkommenssteuer bezahlen. Gabriele Heinisch-Hosek (S) wiederum warb gemeinsam mit den fraktionslosen Abgeordneten
Daniela Holzinger-Vogtenhuber und Peter Pilz für eine Unterhaltsgarantie und betonte mit Nachdruck, Kinderarmut
in Österreich müsse unter allen Umständen vermieden werden.
ÖVP gegen Schnellschüsse vor der Wahl
Die ÖVP werde bei Beschlüssen, die das Budget belasten, und Husch-Pfusch-Aktionen ohne Begutachtung
nicht mitmachen, erteilte August Wöginger (V) den Anträgen der SPÖ eine klare Absage. Die Abgeordneten
hätten auch kurz vor der Wahl ihre Verantwortung für die SteuerzahlerInnen wahrzunehmen. Was Österreich
brauche, seien vielmehr eine verfassungsgesetzlich verankerte Schuldenbremse sowie ein Gesetz, das budgetrelevante
Beschlüsse nach der Auflösung des Nationalrats untersagt, betonte er unisono mit Gabriele Tamandl (V).
Auch ÖVP-Wirtschaftssprecher Peter Haubner warnte vor Schnellschüssen, die kommende Generationen belasten.
Dezidiert sprach er sich überdies gegen die Steuerpläne der SPÖ aus, die seiner Einschätzung
nach letztlich alle betreffen würden. Ein Basar der Wünsche seien die Anträge der SPÖ, pflichtete
ihm Georg Strasser bei (V). Gerade die Erbschaftssteuer würde etwa die Hofübergabe in der Landwirtschaft
konterkarieren, befürchtete er.
FPÖ: Schelling agiert nicht glaubwürdig
Hubert Fuchs (F) sprach dem Finanzminister jegliche Glaubwürdigkeit ab. Schon in Vorwahlzeiten habe Schelling
keinerlei budgetpolitische Verantwortung wahrgenommen, meinte er und erinnerte in diesem Zusammenhang an die Ausgaben
im Zuge der Flüchtlingskrise von 2015 oder etwa an die teure Inseratenkampagne der ÖVP. Nichts abgewinnen
konnte Fuchs auch dem Vorschlag, in Wahlkampfzeiten keine budgetwirksamen Gesetze mehr zu beschließen, wobei
er argumentierte, die Bundesregierung befinde sich ja schon seit zwei Jahren im Dauerwahlkampf. Ginge es der ÖVP
wirklich um die SteuerzahlerInnen, dann sollte sie die Kalte Progression abschaffen, stellte Fuchs an die Adresse
Schellings gerichtet fest. Sein Fraktionskollege Bernhard Themessl (F) sah dies ähnlich und listete zahlreiche
von der ÖVP mitbeschlossene Maßnahmen der letzten Jahre auf, die, wie er sagte, die Bevölkerung
belastet haben. Von einem neuen ÖVP-Finanzminister nach der Wahl seien angesichts dieser Bilanz keine Entlastungen
zu erwarten.
Grüne für Steuergerechtigkeit und Ökologisierung
Werner Kogler (G) qualifizierte den Appell Schellings als Einmischung in die Arbeit der Abgeordneten und betonte,
viele der in letzter Zeit gefassten Beschlüsse, wie etwa die Uni-Milliarde, die Bildungsreform oder das Ökostromgesetz,
würden das Land "enkelfit" machen. Die ÖVP verspreche bloß Steuersenkungen und Einsparungen,
ohne dafür Gegenfinanzierungen vorzuschlagen. Dies beanstandete auch die fraktionslose Abgeordnete Martina
Schenk. Kogler bekräftigte demgegenüber die Forderung seiner Fraktion nach einer Ökologisierung
des Steuersystems und mehr Steuergerechtigkeit. Von fehlender Gerechtigkeit sprach auch der fraktionslose Abgeordnete
Leopold Steinbichler, der vor allem für eine nachhaltige Politik zugunsten aller Generationen eintrat. Grünen-Sozialsprecherin
Judith Schwentner mahnte ein Pflegekonzept ein und unterstützte zudem mit Nachdruck die Forderung nach einer
Unterhaltsgarantie für alleinerziehende Mütter und deren Kinder.
NEOS wollen Schuldenbremse und Reformvorschläge des Rechnungshofs umsetzen
Mathias Strolz (N) bezeichnete den Aufruf des Finanzministers als Inszenierung und war damit einer Meinung mit
der fraktionslosen Abgeordneten Barbara Rosenkranz. Der NEOS-Klubobmann erinnerte daran, dass die ÖVP in der
Vergangenheit zahlreiche Reformvorschläge des Rechnungshofs, aber auch den Vorstoß seiner Fraktion auf
Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung abgelehnt hatte. Es sei nun zu befürchten, dass sowohl
Sebastian Kurz als auch Josef Moser mit ihren Plänen am Widerstand der ÖVP-Landeshauptleute und Funktionäre
scheitern. Um dies zu verhindern, werde es den "Stachel" der NEOS brauchen, zeigte sich Strolz zuversichtlich
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