Heftige Diskussion mit gegenseitigen Vorwürfen im Ausschuss
Brüssel/Wien (pk) - Der EU-Unterausschuss des Nationalrats verpflichtete Bundesminister Andrä
Rupprechter am 3. Oktober sicherzustellen, dass sich Österreich in den EU-Gremien gegen jegliche Zulassung
von Glyphosat ausspricht und gegen alle anderslautenden Vorschläge stimmt. Der bzw. die österreichische
VertreterIn sei entsprechend anzuweisen. Der diesbezügliche Antrag wurde von Andreas Schieder (S), Johannes
Hübner (F) und Wolfgang Pirklhuber (G) gemeinsam eingebracht, er passierte den Ausschuss dann auch mehrheitlich
mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und Grünen.
SPÖ, FPÖ und Grüne pochen auf Vorsorgeprinzip, ÖVP und NEOS wollen klares Urteil der Wissenschaft
abwarten
Es gebe derzeit einen Expertenstreit, deshalb müsse man im Sinne des Vorsorgeprinzips die politische Verantwortung
wahrnehmen und jetzt eine Entscheidung treffen. Ziel sei es, das Unkrautvertilgungsmittel europaweit zu verbieten,
so die Argumentation der drei Parteien.
Eben diesen Expertenstreit, ob Glyphosat krebserregend ist oder nicht, führt die ÖVP als Grund dafür
an, in einem eigenen Antrag (eingebracht von Hermann Schultes) zunächst den Minister anzuweisen, dass sich
Österreich - der Position der AGES (Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit
GmbH) folgend - in den Gremien der EU gegen den derzeit vorliegenden Vorschlag der EU-Kommission zur Zulassung
von Glyphosat ausspricht, da dieser die strengen österreichischen Bedingungen nicht erfüllt. Des Weiteren
soll der Minister gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten eine Strategie für alternative Produkte erarbeiten.
Diese Initiative wurde nur von den NEOS unterstützt und blieb somit wie der Antrag von Michael Bernhard (N)
in der Minderheit. Die NEOS wollen vor dem Hintergrund der bisherigen unklaren und nicht eindeutigen Bewertung
der Lage die Formulierung der EU-Kommission abwarten. Dementsprechend soll Österreich dann gegen eine Zulassung
von Glyphosat sein, sollte sich der Verdacht erhärten, dass tatsächlich ein relevantes Risiko bezüglich
Gesundheitsgefährdung bleibt.
Minister Rupprechter stellte in der Debatte fest, Österreich würde ohnehin den derzeitigen Vorschlag
der EU-Kommission ablehnen, da dieser die strengen österreichischen Forderungen, welche die AGES vorgelegt
hat, nicht ausreichend berücksichtigt. Er warf SPÖ, FPÖ und Grünen vor, mit diesem "wichtigen
sensiblen Thema" politisches Kleingeld knapp vor der Wahl schlagen zu wollen und appellierte, zur Sachlichkeit
zurückzukehren, was ihm wiederum den Vorwurf einbrachte, keine eindeutige Positionierung vorzunehmen. Die
Grünen wiesen darauf hin, dass sie sich bereits 2011 erstmals für ein Verbot von Glyphosat eingesetzt
hätten und es nicht darum gehe, den Vorschlag der Kommission abzulehnen, sondern darum, eine weitere Zulassung
von Glyphosat zu verhindern.
Auch Albert Bergmann von der AGES nannte die von seiner Agentur postulierten Bedingungen "umsetzbar und praktikabel".
Sie würden das Vorsorgeprinzip berücksichtigen. In ihrer Stellungnahme spricht sich die AGES gegen eine
Anwendung von Glyphosat zur Vorerntebehandlung in Getreide (Sikkation) aus – ein Verbot, das in Österreich
bereits gilt. Außerdem sollte im Sinne des Vorsorgeprinzips die Anwendung des Mittels im Haus- und Kleingartenbereich
möglichst eingeschränkt werden. Vor allem drängt die AGES auf Auflagen zur Wahrung der Biodiversität
inklusive risikominimierender Maßnahmen. Besonderes Augenmerk ist nach Meinung der Agentur auf den Grundwasserschutz
zu legen. Jedenfalls seien alle wissenschaftlich validen Erkenntnisse im Zusammenhang mit Glyphosat in der aktuellen
Bewertung zu berücksichtigen, die Entscheidung der Kommission müsse transparent und nachvollziehbar sein,
hält die AGES zudem fest.
Bergmann gab im Ausschuss zu bedenken, dass in jüngster Zeit weder EFSA (Europäische Agentur für
Lebensmittelsicherheit) noch ECHA (Europäische Chemikalienagentur) noch die WHO (Weltgesundheitsorganisation)
Glyphosat als krebserregend eingestuft haben. Die von den Grünen ins Treffen geführte Studie der WHO-Agentur
für Krebsforschung (IARC), die zu einem anderen Schluss kommt, basiere nur auf einem sehr kleinen Teil an
verfügbaren Unterlagen. Dem hielten die Grünen entgegen, dass auch die Arbeit der IARC dem Verfahren
eines Peer-Review unterzogen werde.
Keine Glyphosat-Debatte im Plenum des Nationalrats
Der Antrag der Grünen, das Thema auch im Plenum des Nationalrats zu diskutieren, wurde nicht ausreichend unterstützt
– dafür waren neben den Grünen nur die SPÖ und die NEOS.
Einberufen wurde die Sitzung auf Verlangen der Grünen – 20 Abgeordnete können laut Geschäftsordnung
die Einberufung einer Sitzung des EU-Unterausschusses erzwingen. Grundlage für die Diskussion bildete der
Vorschlag der Kommission, die Zulassung von Glyphosat um zehn Jahre zu verlängern. Dieser Zeitraum sei angesichts
der Risikoabwägung "angemessen", heißt es darin, wobei sich die Kommission auf ECHA und EFSA
beruft. Andere Analysen hingegen vertreten die Auffassung, dass Glyphosat krebserregend sei.
Die Diskussion innerhalb der EU über die Zulassung des Unkrautvertilgungsmittels zieht sich seit Jahren hin.
Mangels einer Mehrheit der Mitgliedstaaten, wurde im Juni des Vorjahres die Zulassung des Unkrautvernichtungsmittels
vorerst um eineinhalb Jahre verlängert, die Frist läuft somit Ende 2017 aus, sodass eine Entscheidung
getroffen werden muss.
Wie Umwelt- und Landwirtschaftsminister Rupprechter im Ausschuss ausführte, gilt für die Zulassung von
Pestiziden das gleiche Verfahren wie bei Medikamenten. Die Entscheidung darüber werde von der EU-Kommission
nach Anhörung eines Expertengremiums getroffen. Es handle sich somit um eine wissenschaftsbasierte Entscheidung,
die laut Bergmann von der AGES außerordentlich aufwendig und komplex ist. Zahlreiche ExpertInnen von EFSA
und ECHA sowie wissenschaftlichen Einrichtungen der Mitgliedstaaten würden genau prüfen. Wenn nach dieser
fachlichen Bewertung der Schluss gezogen wird, dass kein Risiko besteht, schlägt die Kommission die Zulassung
vor. Somit sei auch nicht der Rat der Landwirtschaftsminister für die Zulassung zuständig, sondern diese
erfolge im Zuge einer Durchführungsverordnung der Kommission. Österreich sei durch die AGES vertreten.
SPÖ, FPÖ und Grüne: es geht um politische Verantwortung
Den Beschlüssen im Ausschuss ging eine lebhafte Debatte unter den Abgeordneten vor zahlreichen interessierten,
im Ausschuss anwesenden BürgerInnen voraus. EU-Ausschüsse sind in der Regel öffentlich zugänglich.
Als erster ergriff Klubobmann Andreas Schieder (S) das Wort. Er sprach sich im Sinne des Vorsorgeprinzips für
ein europaweites Verbot von Glyphosat aus, da die Wissenschaft erhebliche Argumente dafür liefere, dass das
Unkrautvertilgungsmittel schwer gesundheitsschädlich und krebserregend wirkt. Die Risiken seien direkt und
indirekt, weil es in das Grundwasser und in die Nahrungskette gelangt. Dies wurde von Gabriele Heinisch-Hosek (S)
bekräftigt, die auch die politische Verantwortung hervorstrich. Ihre Klubkollegin Cornelia Ecker (S) ergänzte
in Richtung ÖVP, es gebe sehr viele gute Beispiele dafür, dass es in der Landwirtschaft auch ohne Glyphosat
geht.
Der Antrag der ÖVP lasse eine Hintertür offen, begründete Schieder seine Ablehnung des ÖVP-Vorschlags.
Man könne nicht immer auf neue Argumente warten, sondern müsse endlich eine eindeutige Entscheidung im
Sinne der Gesundheit treffen. ÖBB und Landwirtschaft müssten sich eben nach Alternativen umschauen.
Es gehe darum, die österreichische Position im Verfahren klar zu legen, zumal es dutzende Studien gebe, die
von einer krebserregenden Wirkung von Glyphosat sprechen, schloss sich Johannes Hübner von den Freiheitlichen
an. Angesichts des Expertenstreits sei eine politische Entscheidung notwendig. Die Freiheitlichen wollen das Risiko
nicht eingehen und treten daher dafür ein, die europäische Zulassung und innerstaatliche Verwendung des
Mittels einzustellen.
Auch Wolfgang Pirklhuber und Christiane Brunner (beide G) strichen die politische Verantwortung hervor, die es
notwendig mache, im Sinne des Vorsorgeprinzips auf ein europäisches Verbot hinzuwirken. Glyphosat werde bereits
im Wasser, Getreide, Bier und Urin nachgewiesen, stellte Brunner fest. Pirklhuber geißelte einmal mehr die
Politik und den Lobbyismus großer Konzerne, die wesentliche Informationen zurückhielten. Die Meinung,
dass das Mittel höchstwahrscheinlich krebserregende wirkt, werde von hochkarätigen WissenschaftlerInnen
aus aller Welt vertreten, sagte er und kritisierte, dass die Arbeit der EFSA nicht ausreichend transparent sei.
Hier liege auch ein Plagiatsvorwurf vor. Außerdem würden nur Wirkstoffe geprüft, aber nicht die
Rezeptur, die auf dem Boden ankommt. Er zeigte sich daher darüber erfreut, dass es seit dem Vorjahr keine
Zulassung für Glyphosat-haltige Pflanzenschutzmittel mit dem Beistoff Tallowamin gibt.
ÖVP und NEOS fordern Sachlichkeit
Anders die Einschätzung der ÖVP - sie wandte sich gegen eine Kampagnisierung. Hermann Schultes (V) warf
der SPÖ harte Polemik vor, um in die Schlagzeilen zu kommen. In Österreich sei nichts zu finden, was
kontaminiert sei, so Schultes, denn hierzulande herrsche ein strenges wissenschaftliches Zulassungsverfahren. Auch
ranghohe Behörden innerhalb der EU, in den USA, in Australien, Japan und Neuseeland hätten Glyphosat
als nicht krebserregend eingestuft. Klubobmann Reinhold Lopatka (V) warnte zudem davor, die Bevölkerung zu
verunsichern. Die ÖVP gehe mit ihrem Vorstoß von der Sache aus, nicht aber von der politischen Situation.
Er wolle nicht im Vorfeld gegen alles stimmen, ohne zu wissen, was von der Kommission kommt.
Schultes warb bei den anderen Fraktionen eingehend dafür, gemeinsam Alternativen zu entwickeln. Wenn es möglich
ist, dann sei die ÖVP selbstverständlich dafür, dass es anders geht, so Schultes. Auch Nikolaus
Prinz (V) hält ein sofortiges Verbot für nicht zielführend, zumal die österreichische Landwirtschaft
funktionieren müsse. Dort, wo Glyphosat eingesetzt wird, müsse man genaue Regeln aufstellen, sagte er
und wies auch auf die Funktion von Glyphosat beim Erosionsschutz hin.
Schultes ortet bei dieser Debatte eine grundsätzliche Dimension, nämlich die Diskussion darüber,
ob europäische Sicherheitsmechanismen funktionieren oder nicht.
Michael Bernhard von den NEOS hält es für notwendig, auf den Vorschlag der Kommission zu warten. Die
NEOS würden die Argumentation der AGES unterstützen und treten dafür ein, vor allem das Sikkationsverbot
auf EU-Ebene auszuweiten.
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